Ché, Kriege und die Kunst: Die Leben des René Burri

(c) René Burri
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Der Schweizer hat mit dem Bild Chés mit Zigarre oder Picasso beim Stierkampf Fotogeschichte geschrieben. Nun zeigt er seine Fotos in Wien.

Es ist eine Kamera, die die Welt gesehen hat. Eine Leica M2, Baujahr 1962. Den roten Punkt, das Markenzeichen, hat René Burri schon lange abgekratzt. Um seine Kamera vor Dieben zu schützen. Und, weil er ja für seine Kamera bezahlt hatte, keine Werbung für den Hersteller machen wollte, wie er sagt. Demnächst wird wieder jemand für diese Kamera zahlen. Vermutlich zig tausend Euro.

Schließlich hat René Burri, der große Schweizer Magnum-Fotograf, seine alte Leica Peter Coeln, dem Gründer der West- und Ostlicht-Galerien, mit nach Wien gebracht. Und dieser will sie am 23. Mai im deutschen Wetzlar bei einer Auktion anlässlich des 100-Jahre-Leica-Jubiläums versteigern lassen. Der ideelle Wert der Kamera ist wohl nicht zu bezahlen, schließlich hat sie René Burri jahrzehntelang um den Hals getragen. Er hatte diese Leica in der Hand, als er 1963 in Havanna drei Stunden lang Ché Guevara fotografierte, während dieser mit einer Journalistin sprach. Sein Bild des Ché mit der Zigarre wurde zur Ikone, millionenfach reproduziert. Dabei, erzählt Burri, hatte er damals, als er im Industrieministerium in Havanna knipste, keine Ahnung, dass eines dieser Bilder derart berühmt werden würde.

Leben in Farbe und Schwarz-Weiß

Denn in dem Moment, in dem er abdrückt, wisse er nie, ob es ein gutes Bild wird. Und schließlich musste er „kämpfen wie ein Löwe“, dass das Bild mit der Zigarre überhaupt gedruckt wird, und dann wurde es auch noch stark beschnitten. Die Leica, mit der das Bild entstand, hatte Burri 40 Jahre lang dabei. In Kriegen, bei Künstlern wie Pablo Picasso, den er beim Besuch eines Stierkampfes fotografiert hat, bei Le Corbusier, Alberto Giacometti, Yves Klein, als dieser nackte, junge Frauen mit Farbe bemalte.

Fällt es ihm schwer, diese Kamera herzugeben? „Nein. Es ist wie mit Kindern, da muss man sich auch trennen“, sagt Burri in der Galerie Ostlicht. Der Schweizer – er lebt heute in Paris – ist jüngst nach Wien gekommen, um eine Ausstellung seiner Bilder zu eröffnen. In der Galerie Ostlicht in der früheren Ankerbrotfabrik in Wien-Favoriten werden bis Mitte März Burris berühmte Schwarz-Weiß-Fotos neben großteils unveröffentlichten Farbfotografien gezeigt. „Doppelleben“ heißt die Schau, zwei Leben, eines in Schwarz-Weiß, eines in Farbe.

Burri ist schließlich einer der wenigen Fotografen, die in Farbe genauso wie in Schwarz-Weiß fotografiert haben. Und das in einer Zeit, als Farbfotografie als ordinär, als kitschig galt. Auch bei Magnum, sagt er, sei Farbe lange „fast verpönt“ gewesen. Burri ist seit 1959 Vollmitglied der renommierten Agentur Magnum. Zu fotografieren begonnen hat er, Jahrgang 1933, schon 1946. Damals, als Winston Churchill im offenen Wagen durch Zürich gefahren ist, drückt der 13-jährige Burri mit seiner Klappkamera ab. Schon dieses Foto ging um die Welt. Ab 1950 ließ er sich in Zürich zum Fotografen ausbilden, ab Mitte der Fünfziger arbeitet er weltweit als Fotoreporter für Magazine wie „Life“, „Look“, „Stern“, „Geo“.

Dokumentiert Kriege, die Weltpolitik, Alltagsszenen, porträtiert Künstler. Er sei, sagt er, wohl der am weitesten gereiste Magnum-Fotograf. Einst habe er das Ziel gehabt, mit seinen Bildern die Welt zu verbessern. So ist er nach Peking und São Paulo gekommen, nach Tokio und Texas, er hat Häuserschluchten in New York festgehalten, Kriegseinsätze im Vietnam, am Sinai oder am Suez Kanal. Und überall, wo Burri war, hatte er mindestens zwei Kameras dabei: eine für Schwarz-Weiß und eine für Farbfotografie.

Die Kamera als Notizbuch

Dass er beide Metiers beherrscht, das zeigt die Ausstellung des Museums für Gestaltung Zürich, die nun in Wien zu sehen ist: Seine Schwarz-Weiß-Serien zeigen nuancenreiche Porträts, Spiele mit Perspektiven, Schattierungen, einige von Burris bekanntesten Bilderserien, ergänzt um seine Farbbilder. Meist einzelne Fotografien, die überraschende Perspektiven oder Kompositionen aufweisen und in denen der Einsatz von Farbe strengen Gesetzen folgt. Die Hommage zum 80er zeigt, wie er sich Bildern und Themen annähert, zeichnet sein Fotografenleben nach. Seine vielen Leben. In bunten Farben und ohne, als Dokumentarist von Kriegen, als Fotojournalist, als Künstler.

Noch heute trägt Burri stets eine Leica um den Hals. Heute ist es eine digitale. „Es ist grandios, das Digitale“, sagt er, schließlich brauche er nicht mehr über Filme nachdenken, könne 1500 Bilder auf eine Karte speichern. Und so fotografiert er noch immer. Das Publikum, vor dem er sitzt, während des Gesprächs zur Ausstellungseröffnung. Alte Bekannte, die vorbeikommen. Das Tablett mit Brötchen, das während des Interviews auf den Tisch gestellt wird. „Diese Kamera“, sagt er, hebt die Leica in seiner Hand, „ist heute wie mein Notizbuch, ich bin ja immer noch interessiert!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2014)

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