Regener und die Raves: "Sie sind für alle da"

Regener und die Raves:
Regener und die Raves: "Sie sind für alle da"Charlotte Goltermann
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Der deutsche Musiker und Autor Sven Regener ist mit 512 Seiten "Magical Mystery", Karl Schmidt und ein paar alten Rave-Geschichten auf Tour.

"In Wien sind wir von so mancher Party rausgeflogen, weil sie uns da gar nicht kannten. Aber das ist gut 25 Jahre her." Mittlerweile ist Sven Regener, der deutsche Romancier und Rocker, jenseits der 50 und feiert nicht mehr so exzessiv. „Als junge Band sind wir nach den Konzerten immer weggegangen, heute machen wir das nicht mehr so oft. Die Gigs dauern länger, alles wird anstrengender“, erzählt er und richtet sich in dem dicken Fauteuil im Wiener Rabenhof-Theater ein. Im dortigen „Literatursalon“ hat Regener am vergangenen Wochenende seinen neuen Roman gleich an drei Abenden präsentiert. Regener lässt mit einem Finger seine Bierflasche ploppen.

Regener ist die Sandpapier-Stimme der seit den 1980ern bestehenden Formation „Element of Crime“. Dieses Mal ist er alleine, dafür mit 512 Seiten „Magical Mystery“ auf Lesereise. Es ist kein Beatles-Tribut, sondern der vierte Teil, der an seine „Lehmann“-Trilogie anschließt, oder richtig: ein Spin-Off für Lehmanns besten Freund Karl. Zusammen mit der Berliner Mauer brach Karl im ersten Buch zusammen. „Die Geschichte von Karl Schmidt war irgendwie unbefriedigend“, erinnert sich der Autor an den ersten Schreibimpuls, „am Ende von ,Herr Lehmann‘ kommt er in die Klapse. Das kann man so lassen, oder man überlegt, was wohl aus so einer Figur wird. Was ist, wenn ihn seine alten Kumpels wiederfinden?“

Die alten Kumpels waren in diesem Fall Raimund und Ferdi, frühere Bandkollegen von Karl und die Betreiber des Techno-Labels „BummBumm Records“, bei denen es mittlerweile jeden Tag „das Geld durch die Decke regnet“ und Champagner wie Koksbier nie ausgehen. Die beiden planen die ultimative, spirituell geladene „Magical Mystery“-Tour mit ihren heißesten DJ-Eisen.

Und dazu brauchen sie einen Fahrer, der nüchtern bleibt und alle aus den Backstage-Räumen der Clubs zupft, wenn es Mittag wird. Das frühe Rave-Opfer Karl ist mittlerweile trocken und clean, lebt in der kontrollierten Parallelwelt einer Drogen-WG und kämpft mit schweren Psychosen; ist also wie für diesen Job gemacht.

„Friede, Freude, Eierkuchen“

„Mich hat interessiert, was passiert, wenn ein paar Leute (,BummBumm‘) etwas auf die Beine stellen (,Magical Mystery‘), was von jetzt auf gleich ein Riesending ist (Techno mit der Liebe der 60er Jahre als theoretischen Unterbau), aus den Augen von jemandem, der ein paar Jahre verpasst hat (der sympathische Ex-Junkie Karl).“ Was Regener an seiner Geschichte besonders mag, ist die Leichtigkeit, mit der ein kulturelles Magical-Mystery-Beatles-Ding in einen Techno-Bus passt. „Das finde ich bei Ravern gut. Alles läuft undogmatisch ab. Da wird alles zusammengewürfelt: Smileys, Loveparade, Friede, Freude, Eierkuchen.“

Regener selbst war natürlich auch auf Raves, weil die „etwas sind, wo jeder mitmachen kann“. So beschreibt es auch seine Figur Ferdi, er sagt: „Raves sind eine offene Masse“, für jeden da, der Lust darauf hat. Da rückt sich der Autor die Hornbrille zurecht und zieht eine Brücke auf: „Das ist das befreiende an der Kunst, sie steht jedem offen. Rave und Punk sind zwei schöne Beispiele dafür. Ich weiß, dass ich als relativ bekannter Rocker durch meine Frau unter die Raver geriet und mich nie rechtfertigen musste.“

Dass die Techno-Szene und ihre Rauschmittelchen auch gefährlich sein können, sieht man an Karl Schmidt, der sich das Gehirn verrenkt und mit einer kranken Seele zurückbleibt. Wie steht Sven Regener zu Drogen? „Das Komische ist, dass ich, vielleicht weil ich naturverstrahlt bin, mit Koks nie etwas zu tun hatte und es auch nicht gemerkt hatte, wenn Leute auf Koks waren. Das fand ich normal, dieses Aufgedrehte bei Partys und Raves.“

Wie Karl nüchtern zu bleiben, kann in Regeners Erinnerung auch bewusstseinserweiternd sein. „Ich habe eine Zeit lang sehr wenig getrunken, weil ich eine fette Leber hatte“, sagt er. „Da kann man nicht lange auf einer Party bleiben. Es wird langweilig, man wird müde und kann den Gesprächen nicht mehr folgen. Das ist auch eine ziemlich psychedelische Erfahrung“.

ZUR PERSON

Sven Regener wurde 1961 in Bremen geboren, ist Sänger und Texter der Band „Element of Crime“. Seine Romane „Herr Lehmann“ (2001), „Neue Vahr Süd“ (2004) und „Der kleine Bruder“ (2009) waren sehr erfolgreich. Regeners Debüt wurde 2003 mit Christian Ulmen in der Hauptrolle verfilmt.

„Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“ ist 2013 im Galiani-Berlin-Verlag erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2014)

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