Njet und schlechte Popmusik: In 820 Tagen um die Welt

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Adrian Vonwiller und Ligia Fonseca sind mehr als zwei Jahre um die Welt gereist. Und haben nun einen „politisch unkorrekten“ Bericht verfasst.

In Russland, meint Adrian Vonwiller, sei Freundlichkeit etwas für die Reichen und/oder Gebildeten. Die anderen, die besitzen nur „Njet“. Und sie nutzen es, als Rache für 70 Jahre Sozialismus, 20 Jahre Turbokapitalismus, die eigene Armut und das beschissene Wetter. Dass er die Russen nicht möge, das bestreitet Vonwiller dennoch vehement. „In Fidschi habe ich mich mit Sehnsucht an die Russen erinnert. Weil sie nie scheißfreundlich sind, aber wenn, dann ist es echt.“

Es sind Beobachtungen wie diese, die es Vonwiller für nötig erachten ließen, sein Buch „Superman im Vogelkäfig“, das aus den E-Mails an Freunde entstand, mit einem Untertitel zu versehen: Eine „politisch unkorrekte Weltreise“ sei es. „Politische Unkorrektheit hat viel mit Ironie zu tun“, erklärt er, und: „Es ist nicht alles ernst gemeint.“ Das könnte, meint der gebürtige Schweizer, in Österreich funktionieren, viel davon habe er schließlich in seinen Jahren hier gelernt. Beim deutschen Markt ist er sich nicht so sicher.

Zwei Jahre und drei Monate war Vonwiller mit seiner Freundin, der Brasilianerin Ligia Fonseca, auf Weltreise. Kennengelernt hatten sich die beiden 2001 in São Paulo, am größten Busbahnhof der Welt. Bis 2010 lebten der Musikproduzent und Teilzeit-Reiseleiter und die Künstlerin und Grafikdesignerin gemeinsam in Wien. Bis zu einer persönliche Krise. „Wir wollten weg, und schauen, ob es nicht in der Dritten Welt ein Plätzchen gibt, wo wir leben können und glücklich werden.“ Der Plan war, möglichst wenig zu fliegen und abseits der Touristenpfade zu reisen. „Ich wollte“, sagt Fonseca, „dass wir gemeinsam etwas erleben und nicht, dass er den Reiseleiter für mich spielt.“

Die beiden gaben ihre Wohnung auf, packten ihre Habe in ein Lager und setzten sich am Westbahnhof in den Zug. Über Venedig ging es über den Balkan, durch die Türkei, den Iran und Turkmenistan, sie wurden auf usbekische Hochzeiten eingeladen, maßen die Distanzen in Sibirien in Dostojewskis, durchquerten Mongolei und Wüste Gobi, feierten mit den jungen Leuten der neuen chinesischen Mittelschicht.

Nach Indonesien „die Ohren voll“

Und dann, in Indonesien, „hat's begonnen“, sagt Vonwiller; und man merkt, dass ihm drei Monate mit Booten „wie vor Lampedusa“, mit Flöhen und geklauter (und nachts um halb vier in einem Bananenhain zurückgekaufter) Kamera fürs Erste reichen. Vor allem die Musik, die aus jedem Lautsprecher und Handy dröhnt. Nicht zuletzt deshalb flüchtete er schließlich nach Kuba. Das sei musikalisch notwendig gewesen. „Ich hatte die Ohren schon so voll von schlechter Popmusik.“

Zuvor hatte das Paar noch Australien im Camper erkundet, auf Fidschi auf einem Segelschiff angeheuert und war von Neuseeland über Samoa und Hawaii nach San Diego und Mexiko gereist. Die Übernachtung im Hotel mit den Maschinenpistolenträgern ließen sie aus. Über Peru und den Amazonas führte sie der Weg nach São Paulo. Um dort, am Ende der Reise, festzustellen: „Wir gehen doch zurück nach Europa.“ Weil die Arbeit fehlte, Wein und Käse, oder die Möglichkeit, eine Straße zu überqueren ohne Lebensgefahr.

Immerhin, meinen die beiden, wüssten sie nach 44 Ländern nun auch besser, wie es sich anderswo lebt. Wo das Essen nach dem Kerosin schmeckt, auf dem gekocht wird. Und wo die Menschen „auch nicht die Krone der Schöpfung sind. Aber mit Tapferkeit mit Überleben beschäftigt, und manchmal auch sehr lieb.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2014)

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