Gourmet Christoph Wagner: „Er war sicher, etwas bleibt“

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Renate Wagner-Wittula bringt das „Lebenskochbuch“ ihres verstorbenen Mannes heraus. Er habe seine Berufung ausgelotet, sagt sie.

Erst wollte er, inspiriert vom barocken Dorfpfarrer und den Erzählungen des Vaters von den italienischen „bicchieri di vino“, Papst in Rom werden. Später dann Kulturmanager. Tatsächlich wurde er Österreichs vielleicht bekanntester Gourmetkritiker, Gastrosoph und Kochbuchautor. Am 23. Mai wäre Christoph Wagner 60 Jahre alt geworden. Er starb 2010 an „unknown cancer“, nicht näher identifiziertem Krebs.

Renate Wagner-Wittula hat mit Christoph Wagner zusammengelebt, seit sie fünfzehneinhalb Jahre alt war. Er war damals 17, kennengelernt haben sie sich im katholischen Bildungshaus Schloss Puchberg. Die beiden haben später gemeinsam studiert, im Studentenheim gewohnt, kochen gelernt („Einmal wollte er Reisfleisch für mich machen, das ist völlig verkohlt“), noch später eine Schreibwerkstatt gegründet und als „Gault Millau“-Tester begonnen. „Wir haben“, sagt sie, „immer alles gemeinsam gemacht. Meistens war er draußen an der Front, ich habe in der zweiten Linie an den Projekten gearbeitet.“ Genaue Mengenangaben, Lektorat – die Details überließ er immer ihr.

Renate Wagner-Wittula sitzt in jenem Teil des Büros im 15. Bezirk, der früher das Reich ihres Mannes war, und erinnert sich an die letzten Wochen mit ihm. Ein „emotionaler Sturzbach“ sei es gewesen, unglaublich schnell gegangen. Sie selbst war damals krank, hatte Brustkrebs. „Ich hab nicht gecheckt, was da eigentlich passiert, die Ärzte wussten auch nichts. Wir haben keine Zeit gehabt, uns zu verabschieden.“

Deshalb habe sie zunächst überlegt, zu seinem Geburtstag ein Fest zu veranstalten. Geworden ist es ein Buch: „Christoph Wagners Lebenskochbuch“. „Das ist etwas Bleibendes. Ein letztes Geschenk, das mir sehr viel Freude gemacht hat.“ Sie habe in seinem Tagebuch gelesen, Fotos durchforstet, Rezepte gesucht. „Es war erstaunlich fröhlich.“ Das erste Kapitel hat er als den Anfang seiner Memoiren selbst geschrieben. Titel: „Ich war ein Bewohner des Schlaraffenlandes.“ Wagner wollte, sagt seine Frau, „Gott und die Welt durchs Essen erforschen.“ Eine Einstellung, die sie nur zum Teil mitgetragen habe. „Für mich hat sich das Leben nicht zu einem so hohen Grad durch Essen definiert.“ Für sie war es ein schöner Beruf, für ihn Berufung. „Er wollte das ausloten. Dass er dabei ungesund gelebt hat, schwer übergewichtig war, das hat er gewusst. Und es war ihm egal.“

„Länge des Lebens nicht wichtig“

Er habe sogar immer gedacht, dass er früh sterben würde. „Er war mit 30 erstaunt, dass er noch lebt. Für ihn war die Länge des Lebens nie ausschlaggebend.“ Sie selbst habe das erst im Nachhinein akzeptiert. Es wurde ihr sogar zum Trost: „Er hat sein Leben so leben können, wie er es sich vorgestellt hat.“ Dem Glauben sei sie immer traditioneller verhaftet gewesen als er. „Während ich am Sonntag in die Franziskanerkirche gepilgert bin, hat er zu Hause Augustinus gelesen. Er hat sich viel intensiver mit den Dingen auseinandergesetzt als ich.“ Auch darüber, ob es nach dem Tod noch weitergeht. „Ich glaube auf jeden Fall an irgendeine Art des Weiterlebens“, sagt Wagner-Wittula. „Nicht, dass wir oben auf einer Wolke sitzen. Aber dass es eine Art der Energieerhaltung gibt. Da sind wir immer einer Meinung gewesen.“

Gesprochen habe das Paar immer viel. „Er hat am Abend gekocht, danach haben wir fast jeden Abend bis nach Mitternacht philosophiert.“ Über den Alltag, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik. „Das hat ihn furchtbar bekümmert, die Krise hat ihn wirklich getroffen.“ Es habe ihn auch oft gekränkt, „wenn die Leute gedacht haben, dass einer mit so einer Leibesfülle nicht denkt.“ Vor allem zuletzt habe er sich zunehmend Sorgen um die Welt gemacht. „Ich glaube“, sagt seine Frau, „er war fertig.“

Zu Ostern wird Wagner-Wittula ins Mürztal nach Kindberg fahren, wo sie eine ererbte Wohnung hat und wo Christoph Wagner auf seinen Wunsch hin begraben ist: „Weil er da nahe an der Südbahn ist und die Züge hört, die nach Italien fahren.“

Tipp

Renate Wagner-Wittula: „Christoph Wagners Lebenskochbuch“
Styria, 288 Seiten,
24,99 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2014)

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