Portäts der "Rückkehrer"

Margarete Lakmayer
Margarete Lakmayer Günter Valda
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Günter Valda fotografiert Menschen, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand überlebt haben und sich für kurze Zeit im Raum zwischen Leben und Tod befanden.

Margarete Lakmayer lag leblos auf dem Küchenboden, als ihr Ehemann sie fand. Neun Minuten später traf der Notarzt ein, der sofort mit der Wiederbelebung begann. Zwölf Tage später war sie wieder bei Bewusstsein. Nach fünf Wochen und einer Rehabilitation stand sie wieder in der Küche. So als ob nichts passiert wäre.

Schon bald, am 8. Mai, jährt sich dieser Tag zum zehnten Mal. Margarete Lakmayer gehört zu jenen 10, 7 Prozent der Menschen, die nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand lebend das Krankenhaus verlassen können. Rückkehrer nennt sie Günter Valda, und er weiß, wovon er spricht. Sein Herz blieb plötzlich stehen, als er 22 Jahre alt war. Genaueres will er darüber nicht erzählen, nur so viel: Das Erlebte hat ihn zu seinem ersten Beruf als Krankenpfleger geführt. Herzwiederbelebung war also ein ständiges Thema in der Notaufnahme des Wiener AKH und im Einsatz in der Flugrettung. Zum Ausgleich des aufreibenden Krankenhausjobs begann er früh zu fotografieren. 2010 beschloss er, sich hauptberuflich auf die Fotografie zu konzentrieren. Aber die „Rückkehrer“ und „Wiederbelebten“ ließen ihn auch im neuen Beruf nicht los. Er wollte Menschen porträtieren, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand überlebt hatten.


Fotos im Wohnzimmer. Im AKH half man ihm mit der Kontaktaufnahme zu ehemaligen Patienten. Menschen, die schon wenige Tage nach dem Herzstillstand wieder nach Hause gehen konnten und kaum oder gar keine Folgeschäden von dem Vorfall davongetragen haben. Insgesamt 35 Personen hat Günter Valda porträtiert. „Mir war wichtig, sie in ihrer persönlichen Umgebung zu fotografieren. Im Wohnzimmer oder in der Küche.“

Lebensgroße Porträts (80 x 130) hat er daraus gemacht. Jung, alt, sehr sportlich oder schon immer körperlich eingeschränkt – groß ist auch die Bandbreite der Porträtierten. Da ist zum Beispiel Caroline Musilek, die im Juni 2009, damals erst 25, während des Frauenlaufs im Prater plötzlich bewusstlos wurde. Auch bei ihr wurde rasch mit der Reanimation begonnen, nach vier Tagen erlangte sie im Krankenhaus wieder Bewusstsein. Ebenfalls während des Sports, beim Training für einen Skimarathon in der Schweiz, verlor Gottfried Koch sein Bewusstsein. Er ist einer der wenigen, der sich bruchstückhaft erinnern kann, wo er sich in den paar Stunden der Bewusstlosigkeit befand: „Ich war in einer Oase des Friedens, der Geborgenheit gewesen. Ich hatte die Ruhe der Seele erfahren“, erinnert er sich. Günter Valda glaubt, dass Menschen wie Gottfried Koch vielen anderen etwas voraus hätten: „Er war nach dem Aufwachen eigentlich beinah traurig und hat sich wieder dorthin zurückgewünscht. Er fürchtet sich nicht mehr vor dem Tod.“


Ich-Erzählung. Der Fotograf bat die Porträtierten, einen kleinen Steckbrief über sich und das Erlebte zu verfassen. Diese kurzen Texte in der Ichform ergänzen die ruhigen Schwarz-Weiß-Fotos gut. Seit Donnerstag stellt der Österreicher seine Porträtserie „wiederbelebt“ in einer kleinen deutschen Galerie aus (siehe Kasten) und will sie auch in Österreich zeigen. Einen echten roten Faden hat er zwischen den einzelnen Personen, die er vor seiner Linse hatte, nicht entdecken können. Oder vielleicht doch, eine Gemeinsamkeit fällt ihm auf: „Dass es eigentlich immer und überall passieren kann.“

Gemeinsam ist den „Wiederbelebten“ noch etwas anderes: Sie hatten Glück und irgendjemanden in ihrer Nähe – einen Angehörigen, einen Passanten oder einen Notarzt –, der rasch reagierte und Erste Hilfe leistete. Für Günter Valda ist es auch dieser Aspekt, auf den er mit seinen Porträts aufmerksam machen will: „Wie wichtig es ist bei einem Notfall nicht wegzuschauen, sondern couragiert hinzusehen und Erste Hilfe zu leisten.“ Der Fotograf folgt dem Spruch des Literaten Elias Canetti, der einmal schrieb: „Es gibt nur eine einzige Macht, die mächtiger ist als die des Tötens: die Wiederbelebung der Toten. Nach dieser Macht verzehre ich mich.“

Der Fotograf

Günter Valda,
*1975 in Ö., lebt seit 2010 als freier Fotograf in Wien. Seine früheren Tätigkeiten als Krankenpfleger und Tischler prägen auch seinen jetzigen Beruf. Zwei Jahre arbeitete er an der Serie „wiederbelebt“, die seit Donnerstag in der Galerie Bildfläche im deutschen Eichstätt zu sehen ist und auch nach Wien kommen soll. Mehr Infos unter: www.valda.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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