Web 2.0: Das Netz der Jugendlichen

Aus der „Offline-Welt“ verdrängt, baut sich der typische Jugendliche seine Identität im Internet auf.

Wien. Romeo6 ist heute „geschmeidig“ drauf und Single, wie man auf seiner MySpace-Seite lesen kann. Stefanie duscht laut ihrem Blog (Online-Tagebuch) gerne, wenn es draußen regnet, „and sososo much more“. „partytiger“ lässt sich beim Tanzen im Wiener U4 filmen, den Film stellt er später auf YouTube.

Willkommen in der Welt der Generation Web 2.0. Der typische Jugendliche (oder die Jugendliche, im Netz sind beide Geschlechter gleich stark präsent) hat den Web 2.0-Gedanken – das aktive Partizipieren – komplett angenommen. Plattformen für Kontakte-Knüpfen und -Pflegen werden aktiv genutzt: Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Lebens der Jungen findet heute auf Seiten wie Schüler-VZ statt. Wer kein eigenes Profil, keine eigene Site hat, existiert (fast) nicht.

In den USA führen drei von vier College-Studenten eine (oder mehrere) eigene networking Sites. 44 % lesen Blogs anderer Benutzer. Für Österreich fehlen Vergleichszahlen, der Anteil dürfte etwas darunter liegen. Von den heimischen 14- bis 19-Jährigen sieht sich fast die Hälfte mindestens einmal pro Woche Videos im Netz an (siehe Grafik).

Aus „place“ wird „space“

Der Jugendliche heute ist, per Handy oder Netz, ständig erreichbar. Als Mitglied der „switched-on“-Generation, die immer „angeschaltet“ ist. Über Raum wird nicht mehr im örtlichen Sinn nachgedacht. „Es geht nicht mehr um place, sondern um space“, sagt Beate Großegger, wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Jugendkulturforschung.

Und „space“ finden Jugendliche im Internet genug. Gerade weil er „immer mehr aus dem öffentlichen Raum verdrängt wird“, so Großegger. Im realen Leben – für das es mittlerweile den Begriff „Offline-Welt“ gibt – haben junge Menschen heute weniger Möglichkeiten, sich auszuprobieren.

Im Netz geht das leichter. Auch, weil Erwachsenen Facebook & Co. noch immer ziemlich fremd sind. Hier kann sich jeder Junge sein Profil schaffen. Dass diese sich „in sozialen Situationen ausprobieren“ habe es immer gegeben, sagt Jan Schmidt vom Hans Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg. Statt wie früher in der „Rollschuhdisko“ (Schmidt) oder auf dem Schulhof geht das nun über den Facebook-Account. Der Begriff „Privatsphäre“ ist vielen fremd. Handynummer, sexuelle Vorlieben, peinliche Party-Episoden: All das ist heute für die gesamte Web-Welt zugänglich. Laut einer Studie, die Schmidt durchgeführt hat, beschränken nur zehn Prozent der Blog-Schreiber den Zugang zu ihren Einträgen. Weil sie ihre Seiten „nicht als öffentlichen Raum sehen. Sie veröffentlichen nur für User mit ähnlichem Lebensstil“. Dass jeder andere unbeobachtet mitlesen und -schauen kann, wird nicht bedacht. „Das Problembewusstsein dafür“, so Großegger, „ist bei dieser Generation nicht übermäßig stark ausgeprägt.“

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2008)

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