Theaterbar: Kultur und Kunst statt Puff

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Zwei Schauspieler eröffnen eine Theaterbar. Dort soll gespielt werden, aber auch experimentiert, getrunken und ziemlich viel improvisiert.

Die Einrichtung lässt die Vorgeschichte schon erahnen. Die Sofas sind aus rotem Leder, der Boden schwarz, ebenso die Wände. Das schummrige Licht kommt aus roten Lampen und nur ein kleines Fenster, dessen Fensterbänke aus weißem Pappkarton bestehen, bringt etwas Licht in den Raum. „Das Fenster haben wir selbst hineingeflext“, sagt Christina Berzaczy stolz. Weiter geht die Führung in die drei Séparées mit Einbaubetten und Duschen. Die Betten kommen noch weg, die Duschen sind mittlerweile voll funktionstüchtig. „Nachdem wir das ganze Lokal mehrmals geputzt und desinfiziert haben“, sagt Berzaczy und muss in Erinnerung an all die Putzstunden grinsen. Dem Putztrupp des Vormieters haben sie nämlich nicht ganz getraut.

Berzaczy und ihr Kollege Lino Kleingarn stehen mitten in einem Puff. Oder besser: in einem ehemaligen, das jetzt ihnen gehört. Irrlicht heißt die Theaterbar, die die beiden hier in Rudolfsheim-Fünfhaus künftig betreiben wollen. Ein Ort, in dem der reguläre Barbetrieb durch Kleinkunstauftritte, kreative Spiele und Improvisationen durchbrochen sein wird.

Und das hat seinen Grund: Sowohl Berzaczy als auch Kleingarn kommen aus der Improvisationstheater-Szene. Beide haben Theaterwissenschaften studiert, Berzaczy hat danach beim Theater der Jugend gearbeitet, Kleingarn, ein gebürtiger Norddeutscher, brachte mit seiner Improvisationstheater-Gruppe in Österreich, Afrika, Russland und dem Iran Menschen das Deutschsprechen bei. „Das ist eine schöne Methode, um Deutsch zu lernen“, sagt er. Diesen Improvisations-Spirit, wie sie sagen, wollen sie jetzt in ihrer Bar weiterführen.

Die Idee ist den beiden 27-Jährigen quasi zugeflogen. Erika Büttner und Philipp Blume von der benachbarten Lichtfabrik – ebenfalls ein Kreativprojekt – hätten schon seit Jahren gescherzt, das „Puff nebenan einmal zu übernehmen“. Als der Vormieter schließlich auszog, sei Kleingarn gleich Feuer und Flamme gewesen. „Ich wollte schon immer eine Theaterbar haben“, sagt er. Nur allein eben nicht. Also hat er seine Kollegin Christina angerufen, die dann auch gleich agieren musste. Kleingarn war nämlich zu der Zeit in Mittelamerika auf Tour. „Und ich habe mir gedacht: Was mach ich denn jetzt?“, erzählt Berzaczy. Im Nachhinein: Sponsorengelder sammeln und einfach irgendwie los. „Jeder, der etwas konservativ denkt, würde uns auslachen, mit welchen Mitteln wir das aufstellen. Aber wir bringen dafür viel Idealismus mit“, sagt Kleingarn. Und ein gutes Netzwerk.

Schon jetzt hätten sich viele der befreundeten Künstler bereit erklärt, in der Bar aufzutreten – die dann doch ein ungewöhnliches Konzept hat: Zum einen sollen hier „soziale Experimente“, Spiele in Kooperation mit der Lichtfabrik, stattfinden. Beim „Secret Dinner“ etwa kommen wildfremde Menschen zusammen, um gemeinsam Abend zu essen. Allerdings gibt es dabei Regeln, die die Besucher selbst bestimmen. So würden sich ungewöhnliche Interaktionen und Gesprächen ergeben. Und ja, auch als Dating-Plattform habe das Konzept schon funktioniert.

Die Besucher machen mit

Zum anderen wird die Theaterbar auch als „interaktive Bar“ betrieben. So werden Separées zu Theaterstationen umfunktioniert, wo Besucher mit bereitgestellten Kostümen Fotos machen können, oder sie werden aufgefordert, gemeinsam eine Geschichte zu schreiben – freiwillig, versteht sich. Mehrmals pro Woche soll es auch Aufführungen auf der Kleinkunstbühne geben, bevorzugt mit Leuten aus dem Bezirk.

Erfahrung im Gastro-Bereich haben beiden ohnehin. Kleingarns Vater besitzt mehrere Restaurants und auch Berzaczy hat immer wieder in der Gastro gearbeitet. Überhaupt: „Schauspieler ohne Gastroerfahrung gibt es gar nicht“, sagt Berzaczy. Wenn alles glatt geht, wird die Bar im Juni voll eröffnet, das Soft Opening hat bereits stattgefunden. Und geht das Konzept auf, denken die beiden auch daran, es noch weiter auszubauen.

AUF EINEN BLICK

Theaterbar. Aus der Melodie Bar, einem ehemaligen Bordell in Rudolfsheim-Fünfhaus, haben Christina Berzaczy und Lino Kleingarn eine Theaterbar gemacht. Das Irrlicht (Ullmannstraße 51, 1150 Wien) soll Theater, Performance, Musik und diverse andere Spielkonzepte („soziale Experimente“) vereinen. Ein Kern dabei ist: Das Publikum soll bei den verschiedenen Inszenierungen auch mitwirken. Ein Soft Opening hat bereits stattgefunden, die offizielle Eröffnung der Theaterbar ist für Juni avisiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2014)

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