Wein statt Russen-Disco: Der Ost Klub wird erwachsen

Angerer
Angerer (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der legendäre Club ist Geschichte. Der Umbau läuft – im Herbst eröffnet der „Wein Klub“ mit handverlesenem Wein, Biofleisch und „Aufführerei“.

Die Bar ist geschlossen.“ Das steht mit rosa Filzstift und schwungvollem, extragroßem Rufzeichen auf einem Zettel hinter der Bar. Man hätte es sich auch denken können – auf der Bar liegen Staubmaske und Handkreissäge, vom freigelegten Plafond hängen die Kabel. Der Boden, auf dem unzählige Nächte lang getrunken, geplaudert, getanzt und geschmust wurde, ist von Schutt übersät. Für Matthias Angerer gibt es trotzdem Bier. Ein Baustellenbier. Seit Montag laufen in seinem Ost Klub am Schwarzenbergplatz die Umbauarbeiten.

Seit Juni ist der legendäre Ost Klub geschlossen. Es ginge, hieß es, um Anrainerbeschwerden, einen neuen Bewohner im Haus, der den lauten Partybetrieb sabotiert hätte, den Club schließlich gezwungen habe, zu schließen. Aber das ist nicht die ganze Geschichte. „Heute bin ich dem Nachbarn fast dankbar“, sagt Club-Betreiber Angerer an der Bar, zwischen Staub und Baustellenlärm. Er hatte schon seit ein, zwei Jahren überlegt, wie es mit dem Ost weitergehen soll. Der Betrieb sei zwar nicht schlecht gelaufen, aber der Boom von Balkan-Party und Russen-Disco auch irgendwie vorbei.

Mit Russkaja, !Deladap oder Dunkelbunt, die ihre Wurzeln im Ost Klub haben, ist diese Musik im Mainstream angekommen, sagt Angerer. Und auch er sei aus dem Ost herausgewachsen. Aus dem lauten Partybetrieb, aus der jungen Alternativszene. „Ich bin jetzt 48. Da bin ich nicht mehr so daran interessiert, mich mit 20-Jährigen, die schon besoffen kommen, über Hip-Hop zu unterhalten“, sagt er. Und, dass er heute lieber guten Wein trinke, über gutes Essen, gute Musik rede.

Das sind die großen Themen im neuen Lokal, das er auf den 850 Quadratmetern im September aufsperren und am 10.Oktober offiziell eröffnen will. Der Wein Klub – wieder mit K, und auch das Logo soll dem des Ost Klubs ähnlich sein – soll ein Weinlokal sein, aber mit neuem Konzept. „Kein Schickimicki-Laden, aber auch kein Heuriger.“ Mit österreichischem Wein ausgewählter Winzer, mit handverlesenen Produkten regionaler Produzenten, die auch verkauft werden sollen: Spezialbiere bis Fleisch und Brot lokaler Betriebe. Es gehe ihm um Regionalität, Saisonalität, um Naturverbundenheit, Qualität. „Ehrlicher Wein, ehrliche Musik“, fasst Angerer zusammen.

Das wird – allein schon wegen der Preise und der Öffnungszeiten von 16 bis 24 Uhr – freilich ganz andere Leute anlocken als der alte Club. Angerer hat da die Ü-30-Gäste im Visier, besonders die aus den umliegenden Bürogebäuden, von Industriellenvereinigung bis Gazprom oder Universal Music. Und die Bewohner des noblen Viertels. Auch optisch wird sich einiges tun: Innen wird komplett renoviert, auch wenn der Flair des alten Kellers bleibt. Statt einer schwarzen Tür mit Türsteher soll es einen zweiten Eingang geben, die Fenster werden – zum ersten Mal übrigens, seit in dem Kellergewölbe 1945 von in Wien stationierten G.I.s ein Jazzclub eröffnet wurde – Tageslicht durchlassen. Was vom Ost bleibt, sind der Konzertsaal und der Focus auf Livemusik. Die soll dann von Wienerlied bis zu Klassik oder Chanson reichen.

Auch die Musiker naher Locations, von Konzerthaus bis Musikverein, will Angerer in den Club holen – und stellt ihn daher etwa zum Einspielen vor Konzerten am Nachmittag oder nach den Konzerten für Jam-Sessions (die bei ihm „Aufführerei“ heißen, Anglizismen will er vermeiden) zur Verfügung.

Wo sich Philharmoniker aufführen

Die Verbindung von Musik und Wein bringt auch sein Gastro-Chef Markus Bachmann mit: Den kennt man als Konzert-Hornist und Leiter von Lokalen wie der Sky Bar. Und als Entwickler des Veredelungsverfahrens Sonor Wines, bei dem Wein beim Vergären mit Musik beschallt wird.

Beschallter Wein? Der wurde im alten Ost wohl nie getrunken, da ging es eher um den aus der Doppler-Flasche. Auch sonst bleibt wohl wenig vom Flair des alten Clubs. Sentimental? „Klar. Aber das hatte mit dem, wie ich heute lebe, nicht mehr viel zu tun. Da verfliegt Sentimentalität dann schnell.“

ZUR PERSON

Matthias Angerer war einst TV-Journalist und Produzent bei ATV und ORF. 2004 hat er die früheren Lokale Atrium und Papas Tapas übernommen, komplett renoviert und dort, in dem Kellerlokal am Schwarzenbergplatz, in dem 1945 ein Jazzclub für G.I.s eingerichtet worden war, den Ost Klub eröffnet.

Nach zehn Jahren hat Angerer genug von Russen-Disco und betrunkenen 20-Jährigen. Der Ost Klub ist Geschichte, im Oktober eröffnet stattdessen der Wein Klub.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2014)

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