Mit dem Touch des Unperfekten: 300 Quadratmeter Berlin in Wien

Christoph Munier
Christoph Munier(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Kette „Kauf dich glücklich“ wagt sich ins Ausland: Gründer Christoph Munier über den neuen Shop in Neubau und die Anfänge am Prenzlauer Berg.

Es ist kurz vor 18 Uhr, es ist heiß. Im Laden herrscht Chaos, überall liegen Baumaterialien und Werkzeug, junge Leute mit deutscher Sprachfärbung hämmern und bohren, und es wird diskutiert: Wohin soll man am Abend gemeinsam schwimmen gehen? Ins Badeschiff – oder doch raus ins Grüne? Die Frage wird vertagt; Christoph Munier zieht sich ein Hemd über den nackten Oberkörper und ist bereit fürs Gespräch.

Das muss Berliner Spirit sein, so wie er herrschte, als Munier und seine Studienkollegin Andrea Dahmen keine Lust mehr auf die Universität der Künste hatten und stattdessen begannen, Fünfzigerjahre-Möbel, Waffeln und Eis in Prenzlauer Berg zu verkaufen. Offenbar hat das Lebensgefühl zwölf Jahre und eine Expansion auf 15 Geschäfte überdauert. An Nummer 16 wird gerade heftig gearbeitet, das verkündet auch die Facebook-Seite von „Kauf dich glücklich“: „Next Stop Vienna“.

Hier, in der Kirchengasse Ecke Lindengasse, hat Munier im oberen Stockwerk des Geschäfts Platz genommen. „Es fühlt sich an wie Urlaub“, sagt er, und: „Wir machen immer noch alles selbst.“ Wird ein neuer Standort eröffnet, werden ein, zwei Wohnungen gemietet, man bleibt ein paar Wochen, lässt sich zu einem passenden Shopdesign inspirieren – „immer mit dem Touch des Unperfekten“. Daneben erkundet man die Stadt. Wien findet der 36-Jährige gut: Kein Vergleich zu den Neunzigern, als er dachte, „huch, das ist ja nur für alte Leute“.

Gegründet haben Munier und Dahmen den ersten Concept Store im Juli 2002. Sie kam von Schneiderei und Theater, er hatte „früher Lampen gebaut und Chansons geschrieben“. Das Designstudium ließ er sein, „weil ich keine Lust mehr hatte, mir etwas sagen zu lassen. Gute Ideen bringt dir keiner bei.“ Dahmen wiederum sei die Uni nicht handfest genug gewesen. Mit „Kauf dich glücklich“ hätten sie nun genug gestalterische Möglichkeiten. Den Namen habe er in der WG-Küche beim Abwasch mit den Händen im Becken erfunden. Er sei mit ein bisschen Ironie zu verstehen. „Die wirklich wichtigen Dinge kann man ja nicht kaufen. Aber eine schöne Vase oder eine tolle CD können eben doch ein kleines bisschen glücklich machen.“

So gibt es Mode (speziell skandinavische Labels), dazu eine in Europa produzierte eigene Linie („Qualität zu fairen Preisen“) und, als Hommage an die einstigen Möbel, Wohnaccessoires. Außerdem Bücher, Geschenke, eigenen Schmuck – und erstmals eigene Kosmetik. „Wir wollen in Wien 300 Quadratmeter Berlin sein“, sagt Munier. Nur Waffeln und Eis werde es hier nicht geben, „dazu hätten wir eine starke Abluftanlage gebraucht“.

„Kette mit Geschichte“

Munier spricht unprätenziös, aber mit der Erfahrung von einem, der 320 Mitarbeiter und schon viele Fragen beantwortet hat. Natürlich sei man gewissermaßen eine Kette, sagt er selbst, „aber inhabergeführt“, mit einer Geschichte, dafür ohne Verpflichtung bei der Bank. Und ja, natürlich sei man in den aufstrebenden Vierteln nicht nur Teil der Veränderung, sondern auch Nutznießer der Gentrifizierung. Eigener Stammsitz ist bis heute Berlin. „In einem total verrotteten Hinterhof in Wedding“, mit angestellten Designern, Werkstatt für den Ladenbau – und zwei Köchen. „Weil wir wollen, dass alle sich wohlfühlen.“

AUF EINEN BLICK

Christoph Munier (36, aus Bremen) und Andrea Dahmen (41, aus Köln) haben 2002 in Berlin „Kauf dich glücklich“ gegründet. Damals verkauften sie alte Möbel, Waffeln und Eis, später kamen Mode, Wohnaccessoires und Geschenke dazu. Heute haben die beiden 320 Mitarbeiter und führen 15 Geschäfte in ganz Deutschland. Am 25.Juli eröffnen sie in der Kirchengasse 9 in Wien Neubau. Im November folgt Geschäft Nummer 17 in Hannover. Auch Amsterdam, Zürich, Paris oder London sind angedacht, „und irgendwann Tokio und New York“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2014)

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