Gelehrte, Künstler, aber keine Frau: Was hinter den Uni-Köpfen steckt

Julia Rüdiger, Andrea Mayr und Martin Engel.
Julia Rüdiger, Andrea Mayr und Martin Engel.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Team von Kunstgeschichtlern will die Hintergründe der Denkmäler im Arkadenhof der Uni Wien beleuchten – und auf Zwiespältiges hinweisen.

Von einem ausgeglichenen Verhältnis kann eher nicht die Rede sein. 154 Denkmäler, Büsten und Plaketten zieren den Arkadenhof der Universität Wien. Eine einzige davon ist einer Frau gewidmet: Marie von Ebner-Eschenbach. „Und selbst sie fällt durch viele Raster“, sagt Julia Rüdiger, unter anderem, weil die Schriftstellerin nur mit der Ehrendoktorwürde bedacht wurde. Fälle wie dieser beschäftigen die Kunsthistorikerin Rüdiger. Sie gehört zu einem Team, das derzeit daran arbeitet, die Denkmäler im Arkadenhof systematisch zu erfassen und ihre Hintergründe zu beleuchten. Und da gibt es viele Dimensionen – von den Abgebildeten selbst über die Künstler, die hinter den steinernen Zeugen stecken, bis zu all jenen herausragenden Forschern, die hier nicht zum Zug gekommen sind.

Gemeinsam mit ihren Kollegen Martin Engel und Andrea Mayr ist Rüdiger derzeit damit beschäftigt, die Hintergründe zu jedem einzelnen Denkmal aufzuarbeiten. Ziel des Projekts „Ge(l)ehrte Köpfe“ ist, zum 650.Geburtstag der Universität Wien im Jahr 2015 ein umfassendes Kompendium anbieten zu können – nicht als Buch, sondern als Wiki im Internet, in dem die User zwischen all den Denkmälern und ihren Dimensionen springen können. Und das optimiert für die mobile Nutzung – mit QR-Codes an den Denkmälern, die per Handykamera direkt zum richtigen Eintrag führen.

Arzt im Kittel und Edelweiß

Zu erzählen haben die drei Wissenschaftler zu so ziemlich jedem Denkmal etwas. Über Theodor Billroth, zum Beispiel, der selbst dafür gesorgt hat, dass nach seinem Tod ein Denkmal für ihn aufgestellt wird – er beauftragte den Bildhauer Caspar Zumbusch damit und bezahlte das Werk auch. Denn, so Rüdiger: „Die Vorgabe der Uni war bei allen Denkmälern: Es darf nichts kosten.“ Billroths Denkmal ist auch insofern bemerkenswert, als der Arzt darauf im Kittel abgebildet ist, also in seiner Berufskleidung. „Das war bis dahin für ein Denkmal unüblich.“ Billroth ist auch deswegen interessant, weil er zwar als Mediziner viel geleistet hat, jedoch auch als Mitbegründer des akademischen Antisemitismus gilt.

Die Büste von Physiknobelpreisträger Erwin Schrödinger wiederum ist unter anderem deswegen interessant, weil sie zu den bekanntesten Werken von Ferdinand Welz zählt. Ein Name, der außer bei Kunstfreunden zunächst kaum Assoziationen auslöst. „Aber er hat unter anderem das Edelweiß auf der Ein-Schilling-Münze gemacht“, sagt Andrea Mayr. Und auch am Russendenkmal auf dem Schwarzenbergplatz hat er mitgewirkt.

Vielen durchaus ein Begriff – und vermutlich einer der bekanntesten Künstler im Arkadenhof – ist Franz Xaver Messerschmidt. Er schuf im Jahr 1769 eine Büste von Maria Teresias Leibarzt Gerhard van Swieten, die älteste Büste im Arkadenhof. Und auch Alfred Hrdlicka ist ein bekannter Name– er schuf 1967 eine Büste von Ignaz Semmelweis – und sorgte damit für Aufregung. „Denn die eindeutige Erkennbarkeit des Abgebildeten wurde in dieser künstlerischen Phase durchaus auf die Probe gestellt“, sagt Martin Engel. Tatsächlich gehört viel Fantasie dazu, in der Abbildung das Gesicht des Mediziners zu erkennen. Tatsächlich ist Hrdlickas Werk ein Ausreißer – die danach noch aufgestellten Denkmäler zielen wieder stärker auf ein naturalistisches Abbild – zuletzt wurde 2002 der Philosoph Sir Karl Popper mit einer Büste geehrt.

Keine neuen Denkmäler mehr

Und wie geht es weiter? Nun, vorläufig ist nicht daran gedacht, weitere Denkmäler aufzustellen. Denn 2009 beschloss der Senat der Universität, den Arkadenhof zu musealisieren. Was unter anderem mit sich bringt, dass das Verhältnis zwischen geehrten Männern und Frauen weiter sehr einseitig bleibt. Ingeborg Schemper-Sparholz, Leiterin des Arkadenhofprojekts, hält das für problematisch. Mit dem Forschungsprojekt zu den Hintergründen der Ehrungen soll dann auch zur Fortführung der Ehrenhalle beigetragen werden. „Mit dem Ziel, möglichst bald auch Professorinnenbüsten hier sehen zu können.“

AUF EINEN BLICK

Ge(l)ehrte Köpfe. Das Projekt des Instituts für Kunstgeschichte der Uni Wien erforscht die Hintergründe der Aufstellung von Denkmälern im Arkadenhof der Uni Wien. Ziel ist ein Wiki, in dem Infos zu allen 154 Denkmälern – Geehrte, Künstler etc. – zu finden sind. Die Ergebnisse werden bei einer Tagung an der Uni Wien („Scholars' Monuments“, 24.–26.September, Institut für Kunstgeschichte) vorgestellt und diskutiert.

http://kunstgeschichte.univie.ac.at/forschungsprojekte/gelehrte-koepfe

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2014)

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