Im Ausland hui, in der Heimat pfui? Die Qualität des heimischen Pop

Violetta Parisini
Violetta Parisini(c) Stanislav Jenis
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Mit sensibler Hand kuratierte Popsängerin Violetta Parisini gemeinsam mit Wolfgang Schlögl das am heutigen Donnerstag beginnende 5. Popfest Wien.

Im Jubiläumsjahr vertraut das bestens etablierte Popfest Wien erstmals einer Frau. Wer auf der Seebühne am Karlsplatz und seinen charmanten Nebenlocations auftreten darf, oblag heuer auch dem Ermessen der 34-jährigen Sängerin Violetta Parisini. Sie wurde von den Betreibern als Ko-Kuratorin engagiert. Gemeinsam mit dem unter dem Signet I-Wolf musizierenden Wolfgang Schlögl suchte sie mehr als 60 heimische Bands und DJs aus, die die gerade virulenten Entwicklungen präsentieren.

„Es war schon sinnvoll, diese Arbeit als Team zu machen“, sagt sie. Parisini und Schlögl haben sich die Arbeit nicht simpel aufgeteilt, sondern sich in zäher Kleinarbeit auf jeden einzelnen Künstler geeinigt. „Uns war wichtig, nicht nur das zu präsentieren, was uns persönlich gefällt, sondern Relevantes in schlüssiger Dramaturgie zu präsentieren. Die Leute sollen sich am jeweiligen Spielort vom Anfang bis zum Ende wohlfühlen.“

Die Spielorte sind mehr geworden. Heuer wird erstmals auch an einem Abend das Museumsquartier bespielt. Das erforderte reichlich Tüfteleien, die von Parisini, der wohl intellektuellsten Popsängerin Österreichs, mit Bedacht angegangen wurden. Ihre eigene Karriere ist derzeit in Kinderpause. 2012 veröffentlichte sie ihr formidables Album „Open Secrets“. Gerade schwanger geworden, konnte sie ihr Meisterwerk nicht großartig mit Konzerten und Medienauftritten unterstützen. Es stürzte im Vergleich zu ihrem Debütalbum „Giving You My Heart To Mend“ kommerziell ab.

Freiheit wiedererlangt

Hat sie nicht Angst, dass mit der Geburt ihres Kindes die eigene künstlerische Dringlichkeit dahin sein könnte? „Nein“, sagte sie mit fester Stimme, „es ist bloß unklar, wo und in welcher Form ich meine neuen Lieder herausbringen werde.“ Sie ist jetzt bei keinem Majorlabel mehr. Das bedeutet aber auch, dass sie ihre Freiheit wiedererlangt hat. Die Kuratorentätigkeit kam ihr in dieser Phase der Neuorientierung sehr zupass.

Intensiv mitzubekommen, wie auch andere heimische Musiker in einem Umfeld kämpfen, das ihnen nicht unbedingt freundlich gesinnt ist, förderte bei ihr Gefühle der Solidarität und des Trotzes. „Mit meinen anderen Fähigkeiten hätte ich sicher die Möglichkeit, mir das Leben gemütlicher zu gestalten. Weil ich aber, um glücklich zu sein, Musik machen muss, stellt sich diese Frage gar nicht.“

Die prekäre Situation der österreichischen Popmusik ist paradox. Eingezwängt zwischen Klassik, Schlager und volkstümlicher Musik, droht ihr ständig der Erstickungstod. Viele Österreicher sind im Ausland erfolgreicher als zu Hause. So auch der diesmal beim Popfest Wien aufspielende Hang-Virtuose Manu Delago, der unter anderem in der Band von Björk Wesentliches leistet oder der Rapper Nazar, der Parisinis Meinung nach „von den hiesigen Medien stiefmütterlich behandelt wird. In Deutschland wird er als wichtige Stimme wahrgenommen, warum nicht in seiner Heimat?“

Die Gefahr, dass wegen des reichhaltigen Angebots die Zuschauer nur zerstreut zuhören könnten, erachtet sie als gering. „Mein eigener Auftritt beim Popfest Wien 2011 war für mich ein bewegendes Erlebnis. Ich hatte da schon das Gefühl, dass etwas zurückkam.“ Nachsatz: „Als Event, wo man österreichische Popmusik feiert, finde ich das Popfest Wien wesentlich relevanter als den Amadeus Award.“

Mehr oder weniger Förderung?

Die Frage, ob Unterstützung hilft oder behindert, kann objektiv nicht eindeutig beantwortet werden. Die zwei erfolgreichsten Popnationen Europas fahren unterschiedliche Kurse. In Großbritannien gibt es null, in Schweden reichlich Förderung.

Parisini steht aufseiten der Förderung. „Man könnte so viel mehr erreichen, wenn man jungen Leuten Proberäume schafft, ihnen Instrumente gratis ausleihen würde. Manchmal könnte es schon helfen, wenn offizielle Stellen wie die Österreich-Werbung sich nicht nur die Klassik auf ihre Fahnen heften, sondern stolz auf das wären, was es hier so alles im Pop gibt.“

AUF EINEN BLICK

Popfest. Organisiert wird das Fest von seinen Erfindern Gabi Hegedüs und Christoph Möderndorfer. Sie setzen auch die Kuratoren ein. Die ersten drei Jahre suchte Britpopper Robert Rotifer, vergangenes Jahr der Elektroniker Patrick Pulsinger die Künstler aus. Heuer sind Violetta Parisini und Wolfgang Schlögel für die künstlerische Gestaltung verantwortlich. Im Fokus steht auch heuer wieder die Seebühne vor der Karlskirche. Zusätzlich werden das Brut, der TU Prechtlsaal, das Roxy und das Wien Museum bespielt. Infos: www.popfest.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2014)

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