Erika, Olympia und Remington: Meine Schreibmaschine und ich

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Ausgerechnet in ihrem 300. Lebensjahr erlebt die Schreibmaschine eine kleine Renaissance. Das hat viele Gründe: Seit der NSA-Affäre wollen manche heikle Dinge lieber unbewacht aufschreiben.

Die Geschichten von Schreibmaschinenbesitzern beginnen erstaunlich ähnlich. Irgendwann habe man sie entdeckt. Die Olivetti. Die Minong Modell 2. Oder die Erika 11. Am Dachboden der Eltern, im Geräteschuppen der Großmutter oder auf einem Flohmarkt. Bei Nicola Gold passierte es im Wohnzimmer eines Freundes. Dort verliebte sie sich in die bildhübsche schwarze Remington 7 Noiseless, Baujahr 1931, die ihr Freund vor zwanzig Jahren in Barcelona erstanden hatte. Seither ist Golds Berufsleben eng mit der Remington verknüpft.

Die 39-jährige studierte Literaturwissenschaftlerin, die in London und Wien für TV-Sender und in einer PR-Agentur werkte, lebt seit 2010 vor allem vom Übersetzen, Werbetexte sprechen – und Schreibmaschine schreiben. Auf Festivals und Flohmärkten verfasst sie Impro-Gedichte – so wie die Liebeserklärung an ihre Remington, die sie eigens für die „Presse am Sonntag“ verfasst hat. Mit der schwarzen Maschine und einer knallroten, weißgepunkteten Picknickdecke saß sie dieser Tage auch beim Wiener Popfest am Karlsplatz und dichtete: Passanten sagen ihr ein Wort, Gold tippt auf ihrer Remington ein paar Zeilen auf eine Karte, der Kunde zahlt so viel wie ihm das wert ist. Dabei hat sie beobachtet, wie groß die Faszination für ihre Schreibmaschine bei vielen ist. So war sie wenig überrascht von dem Bericht der deutschen „Wirtschaftswoche“ vor wenigen Tagen. Demnach hätten Schreibmaschinenhersteller 2013 den besten Umsatz seit Langem gemacht. Über 10.000 Triumph-Adler-Maschinen wurden verkauft – das ist ein Drittel mehr als in den Jahren zuvor. Konkurrent Olympia erwartet 2014 einen Absatz von weit über 10.000 Stück.

Die kleine Renaissance der Schreibmaschine lässt sich in diesem Fall auch mit drei Buchstaben erklären: NSA. Offenbar haben die Snowden-Enthüllungen manche Menschen vorsichtig gemacht – auch in Deutschland. Seit bekannt wurde, dass der Geheimdienst NSA auch deutsche Behörden und gar die Kanzlerin Angela Merkel abgehört hatte. So schreibt der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses Patrick Sensburg sensible Dokumente lieber auf der Schreibmaschine und benutzt zur Not Tipp-ex, ebenso der Nürnberger Technologiekonzern Diehl, der manche Angebote auf der Maschine tippt und per Bote überbringt. Und sogar der russische Geheimdienst FSB orderte 20 Schreibmaschinen bei Olympia. Auf willhaben.at sind derzeit 700 Schreibmaschinen im Angebot.

Mehr als eine Retrowelle. Ein paar mehr verkaufte Maschinen und Analog- oder Retrofans – reicht das wirklich, um von einem Boom oder einer Rückkehr der Schreibmaschine zu sprechen? Nur zum Teil. Natürlich wird nicht die gesamte deutsche Bundesregierung ihre Korrespondenzen auf den schweren Geräten mit den massiven Tasten verfassen. Aber Menschen wie Nicola Gold glauben, „es ist mehr als eine kurze Retrowelle“. Und wirklich, offenbar wird die Schreibmaschine gerade jetzt, in ihrem 300. Lebensjahr, aus mehreren Gründen wieder beliebter.

Erstmals erwähnt wurde sie 1714 in einem Patent des Briten Henry Mill. In der Patentschrift hieß es, damit sei es möglich, „Buchstaben fortschreitend einen nach dem anderen wie beim Schreiben zu drucken, und zwar so klar und genau, dass man sie vom Buchstabendruck nicht unterscheiden kann“. Erst ab 1808 wurden die ersten funktionierenden Geräte verwendet. Auf ihre Blütezeit zwischen 1950 und -80 folgte mit dem Aufkommen des PCs ihr Niedergang: 2003 wurde die Schreibmaschine wegen mangelnder Nachfrage sogar aus dem Verbraucherpreisindex gestrichen.

Tippen mit Zweifingersystem. Nie weg war sie hingegen für Schriftsteller. Autoren wie Friederike Mayröcker, Werner Schneyder (siehe sein Essay) und Paul Auster sind bekennende Maschineschreiber. David Cronenberg ließ in seiner Verfilmung des Romans „Naked Lunch“ von William S. Burroughs Schreibmaschinen zu Käfer mutieren. Thomas Glavinic schreibt auf einer Olivetti lettera 31, die er vor 20 Jahren von einer Bekannten geschenkt bekam, wie er in seinem jüngsten Essayband verriet. Es sei zwar „wahrlich eine Qual, an diesem uralten Monster im Zweifingersystem zu tippen“, doch die Maschine ohne Korrekturtaste zwinge ihn zu größerer Genauigkeit beim Schreiben. Ästheten wie Nicola Gold schwärmen von der Prozedur: Schönes Papier einspannen, die Wölbung der Tasten spüren, dazu dem Klang des „Klack-Klack-Ping!“ lauschen. Die typische Schrift „Special Elite“ könne man heute zwar leicht durch Computerschriften nachahmen, „aber das Original findest du im Netz nicht“, so Gold.

Zufall oder nicht: Erst vor wenigen Tagen rief ein Vater in der „Presse“-Redaktion an. Er sei auf der Suche nach einer Schreibmaschine für seine Tochter und habe gehofft, hier fündig zu werden. Wir mussten ihn enttäuschen. Die Redaktion beherbergt geschätzte 150 Computer, dazu Großdrucker, Scanner und sogar noch Fax-Geräte, aber eine Schreibmaschine gibt es nicht mehr. Schade, eigentlich.

Reparatur und Zubehör

Literatur

Infos und Adressen

[*] Wertvolle Tipps für Schreibmaschinenbesitzer gibt der Schweizer Georg Sommeregger auf der Webseite: www.typewriters.ch. Er empfiehlt u. a.: Franz Pehmer als Mechaniker: pehmer@catv-bauer.at

[*] Büromaschinen Heinz Schilhan, Rochusg. 23, Wien 3; Webseite: www.technikimbuero.at

[*] Farbbänder gibt es hier:

1) Miller, Mariahilfer Str. 93

2) Papierfachgeschäft Oswald Steiner & Comp., Hoher Markt 5, Wien 1

3) Störer, Weinberggasse 14, Wien 19 und Seilerstätte 13, Wien 1

[*] Das Ehepaar Renate Mertes-Leeb und Sigurd Leeb aus Attersee am Attersee sind Sammler und Aussteller von Schreibmaschinen, zuletzt im Heimathaus Attersee von 13.6.-13.7.2014

[*] Infos zum Wortfachgeschäft von Nicola Gold: www.wortfachgeschaeft.com

[*] Als Klassiker gilt: „Die Schreibmaschine und ihre Entwicklungsgeschichte“ von Ernst Martin (zB in der Ausgabe von 1934)

[*] Thomas Glavinic: "Meine Schreibmaschine und ich", Edition Akzente/Hanser, 2014.

[*] Werner Schneyder: "Manchmal gehen mir meine Meinungen auf die Nerven, aber ich habe keine anderen", Langen/Müller 2011.

[*] Sam Messer/Paul Auster: "Die Geschichte meiner Schreibmaschine", Rowohlt, 2005.

[*] William S. Burroughs: "Naked Lunch" (Erstausgabe 1959), neu aufgelegt bei Rowohlt 2011.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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