„Mehr als reine Unterhaltung“: Ralf Westhoffs versteckte Kritik

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In seinen Filmen legt Ralf Westhoff auf ernste Themen genauso viel Wert wie auf Unterhaltung. Seine Liebe zum Geschichtenerzählen entdeckte er spät.

Menschen, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen, auf den zweiten hingegen beinahe für einander bestimmt sind – solche Geschichten haben es Ralf Westhoff angetan. Bereits in seinen ersten beiden Filmen „Shoppen“ (2006) und „Der letzte schöne Herbsttag“ (2010) brachte er Paare auseinander und wieder zusammen, deren Beziehungen durchaus von einer Art Hassliebe geprägt sind.

„Wir sind die Neuen“ heißt seine neue Komödie, die am 14. August ins Kino kommt und diesmal den Generationenkonflikt thematisiert, ihn geradezu seziert. „Ich trage diese Idee schon sehr lange mit mir herum“, sagt der 44-Jährige. „Durch das Aufeinandertreffen von Jung und Alt wollte ich der Frage nachgehen, wie sich die Gesellschaft in den vergangenen 35 Jahren verändert hat. Und was die Generationen voneinander lernen können.“ Bei seinen Recherchen habe er sich von zahlreichen Gesprächen und Büchern inspirieren lassen – nicht, um die Realität abzubilden, sondern, um sie zu hinterfragen.

Denn wer bestimmt eigentlich, dass man mit 60 Jahren alt ist? Anne, Eddi und Johannes sind es jedenfalls nicht. „Man ist so alt, wie man sich fühlt“, pariert im Film Johannes die Frage einer jungen Frau, ob er es denn für sinnvoll halte, in seinem Alter so viel zu trinken und zu feiern. Die drei Freunde sind Anfang 60, stecken in finanziellen Nöten und beschließen kurzerhand, ihre alte Studenten-WG neu zu gründen.

Rechnung ohne den Wirt gemacht

Alles soll so sein wie früher: Bis spät nachts am Küchentisch sitzen, Wein trinken, philosophieren und dabei alte Hits hören. Aber die neue WG hat die Rechnung ohne die Hausgemeinschaft gemacht. Denn über den drei Studenten von damals wohnen drei Studenten von heute. Und die verstehen überhaupt keinen Spaß. Schließlich bereiten sie sich gerade auf wichtige Prüfungen vor, und das Letzte, was sie brauchen, sind laute Senioren, die sich nicht an die Hausregeln halten.

Daher dauert es auch nicht allzu lange, bis die beiden Generationen übel aneinandergeraten. Aber was genau läuft hier falsch? Haben die Alten die Zeichen der Zeit nicht verstanden? Oder glauben die Jungen, dass sie für immer jung bleiben werden? Fragen wie diesen geht Westhoff mit klugem Blick auf Beiläufiges nach – manchmal lakonisch, manchmal melancholisch.

Im Korsett einer Komödie spricht er auch eine Reihe von aktuellen Diskursthemen an, wie etwa explodierende Mietpreise, ein auf Leistung und Effizienz ausgerichtetes Bildungssystem, Altersarmut und alternative Wohnformen für Senioren. „Ich finde, eine gute Komödie braucht auch ernste Themen“, betont der Regisseur. „Ich liebe es, im Kino zu lachen. Gleichzeitig liebe ich Filme, die mehr als pure Unterhaltung sind. Also versuche ich, auch selbst solche Filme zu machen.“

Geboren wird Westhoff 1969 in München. Nach einem Wirtschaftsstudium in Passau arbeitet er als Radiojournalist und produziert sein erstes eigenes Hörspiel. Dabei entdeckt er seine Leidenschaft für das Geschichtenerzählen. Zwischen 2001 und 2004 schreibt und inszeniert er die drei mehrfach ausgezeichneten Kurzfilme „Sonntag im September“ (2001), „Der Plan des Herrn Thomaschek“ (2002) und „Der Bananenkaktus“ (2004).

Der Durchbruch gelingt ihm 2006 mit seinem ersten Langspielfilm, „Shoppen“, der in den Kategorien „Bester Film“ und „Bestes Drehbuch“ für den Deutschen Filmpreis nominiert wird. Vier Jahre später folgt die Komödie „Der letzte schöne Herbsttag“, für die er den Förderpreis Deutscher Film in der Sparte „Regie“ bekommt.

An WG-Erfahrung mangelt es im Übrigen auch ihm nicht. „Ich habe in unterschiedlichen Konstellationen in WGs gewohnt“, so der Münchner. „Natürlich gibt es Streit, Konflikte, und man muss unglaublich zurückstecken. Aber man ist auch weniger allein. Wenn ich das gegeneinander abwäge, würde ich sagen: Ja, ich bin ein WG-Typ.“ Ob er sich vorstellen kann, irgendwann noch einmal in einer WG zu leben? „Ja, durchaus. Aber wenn ich es mir aussuchen darf, dann am liebsten zu zweit mit meiner Freundin.“

Zur Person

Cineast. Ralf Westhoff wurde 1969 in München geboren, wo er bis heute lebt. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Passau arbeitete er als Radiojournalist und produzierte sein erstes eigenes Hörspiel. Zwischen 2001 und 2004 schrieb und inszenierte er drei mehrfach ausgezeichnete Kurzfilme. 2006 folgte der erste abendfüllende Spielfilm, „Shoppen“, über das Phänomen Speed-Dating, vier Jahre später „Der letzte schöne Herbsttag“. Am 14. August kommt seine neue Komödie, „Wir sind die Neuen“, ins Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2014)

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