Regisseur und Woodkid: „Halb Tier, halb Entertainer“

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Yoann Lemoine war erst Videoregisseur für Katy Perry und Lana Del Rey, bevor er selbst zum Star wurde. Jüngst debütierte er beim Frequency Festival.

Die Presse: Sie gelten als Tüftler, sowohl als Filmregisseur als auch als Musiker. Wie passen dann Open-Air-Festivalauftritte ins Bild?

Yoann Lemoine: Man muss natürlich seine Licht- und Klangeffekte auf die großzügigeren Verhältnisse umstellen. Wenn die Menge gut drauf ist, kann so ein Festivalauftritt für viel einsame Stunden im Studio entschädigen. In welchem Job sonst bekommst du einfach unmittelbar deine Belohnung. Um richtig zu reüssieren, muss man halb Tier, halb Entertainer sein.

Bandlogos sind mehr und mehr en vogue. Was bedeuten Ihre zwei Schlüssel?

Das ist kein Logo, sondern die Signatur des Projekts. Damit wollte ich keine Marke, sondern etwas Mysteriöses kreieren. Was die beiden überkreuzten Schlüssel symbolisieren, darüber sollen sich die Hörer Gedanken machen.

Sie machten sich zunächst als visueller Künstler u.a. mit Videos für Lana Del Rey einen Namen. Was gab Ihnen die Zuversicht, es auch mit eigener Musik schaffen zu können?

Um die Wahrheit zu sagen: Mich hat die Unsicherheit bei den Aufnahmen zu meinem ersten Album nie verlassen. Die bald eintretenden positiven Reaktionen stimmten mich zuversichtlich, dass ich auch als Musiker etwas zu sagen habe.

Lana Del Rey ist ein Weltstar. Wie war es, mit ihr zu arbeiten?

Was ich besonders an ihr mag, ist, dass sie so enthusiastisch sein kann. Man könnte sagen, sie ist ein sehr dramatischer Charakter und natürlich eine erstaunlich gute, weil eigenwillige Sängerin. Sie hat viel über Hollywood erzählt. Noch mehr interessieren sie aber gesellschaftliche Fragen.

Liest man Ihre Songtexte, dann könnte man meinen, Adoleszenz ist Ihr Lieblingsthema. Ist das so?

Ich bin 31 Jahre alt, also noch nicht sehr weit weg davon. Die Jahre der Adoleszenz sind wohl die emotionalsten Jahre, die man als Mensch erlebt. Ich werde viel Zeit haben, andere Themen zu behandeln. Jetzt sind es erst einmal diese Jahre des seelischen Umbruchs, die mich interessieren.

Ihr Album nennt sich „The Golden Age“. Was verstehen Sie darunter?

Was ich das goldene Zeitalter nenne, ist die Kindheit, die Zeit der Unschuld. Mein Album erzählt die Geschichte einer subjektiven Entwicklung, versinnbildlicht durch Materialien wie Holz und Marmor. Der Protagonist trägt den Namen Woodkid, weil er zunächst noch formbar ist. Mich haben immer Charaktere fasziniert, deren Charakter noch nicht gefestigt ist.

Das Harsche und das Opulente wechseln jäh in Ihrer Liedkunst. Warum?

Mir sind Kontraste innerhalb der Liedstruktur sehr wichtig. Ich achte sehr auf Dramaturgie, auf einen Höhepunkt in einem Song. Also gibt es in meinen Songs Intimität und epische orchestrale Momente, Gewalt und Geschwindigkeit. Das sind alles auch Elemente, die gute Filme charakterisieren.

Sind Sie bei Ihren Texten tatsächlich von Rainer Maria Rilke beeinflusst?

Ich habe viele von ihm gelesen, mag seine leicht krude Vermischung von Liebe und Sex. Zuweilen schrieb er richtig futuristisch, etwa, wenn er über den Kosmos dichtete. In meinem Lied „Conquest of Space“ habe ich einige seiner sprachlichen Bilder variiert.

Warum haben Sie einen Künstlernamen gewählt, der „Kid“ enthält? Können Sie nicht erwachsen werden?

Wenn man so will, ja. Bei mir geht es immer noch um den Kampf zwischen dem Weichen und Fragilen mit dem Harten und Erstarrten.

Die Idee des inneren Kindes, ist sie Ihnen geläufig?

Ja, natürlich. Ich setze das auf ehrbare Weise fort, was ich als Kind begonnen habe: zu lügen. Was mich damals in Konflikt mit meiner Umwelt brachte, wurde letztlich zur Basis meiner Kunst. Was ist denn lügen anderes als die Lust, Geschichten zu entwickeln, die Lust, die Wirklichkeit zu transformieren?

Ist Wahrheit nichts Absolutes für Sie?

Das Problem in unserer Gesellschaft ist, dass man schon in der Kindheit durch Erziehung formatiert wird. Es wird einem beigebracht, wie man welche Information zu deuten hat. Dadurch verliert man den spontanen Zugang zur Welt, den man in der Zeit seiner Unschuld gehabt hat, als man nur von seiner DNA geleitet wurde. Es ist die Aufgabe des Künstlers, daran anzudocken.

ZUR PERSON

Yoann Lemoine wurde 1983 in Lyon in Frankreich geboren. Lemoine war als Regisseur für Musikvideos von Katy Perry, Taylor Swift oder Lana Del Rey erfolgreich. Seit 2013 ist er selbst als Musiker tätig und hat unter seinem Künstlernamen Woodkid das erfolgreiche Album „The Golden Age“ herausgebracht. Woodkid ist bei dem französischen Plattenlabel Green United Music unter Vertrag. Seine Musik ist eine Mischung aus Indie, Alternative und Pop. Der Künstler war vergangenes Wochenende beim Frequency Festival in St.Pölten zu Gast.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2014)

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