Eine Fassade voll mit Graffiti: Neues Kreativhaus im Siebten

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine Gruppe junger Wiener wandelt ein Haus in eine Anlaufstelle für Kreative um. Erstes Großprojekt: eine Fassade voll mit Street-Art.

Die Veränderungen in der Burggasse 98 sind schon von Weitem zu sehen. Schwarze und weiße Farbstriche schwingen sich um die Hausmauern – gelangt man einmal vor das Haus, ist das Werk schnell ganz zu sehen: ein gerade einmal zweistöckiges Gebäude, das von oben bis unten mit Street-Art im Sgraffito-Style vollgesprüht ist. Hinter dem Projekt stehen die Hausbesitzer selbst. Niklas Worisch, seine Schwester Nina und freilich auch die Mutter, die nicht nur ihr Okay gegeben, sondern auch bei der Umsetzung mitgeholfen hat. „Ohne sie wäre gar nichts gegangen“, sagt ihr Sohn Niklas. Der 25-Jährige studiert an der Design Academy in Eindhoven in Holland und ist so etwas wie das kreative Mastermind hinter dem Projekt. Niklas ist selbst seit zehn Jahren in der Street-Art-Szene aktiv und will ihr mit dem Haus eine Art Plattform bieten. „Die Idee ist es, so mehr Toleranz für Street-Art und Contemporary Art zu erzeugen und junge österreichische Künstler, speziell Wiener, zu fördern“, sagt Worisch. Daneben soll der ganze Bezirk davon profitieren. „In der Burggasse stehen noch immer so viele Geschäftslokale leer“, gleichzeitig gebe es zahlreiche kreative, junge Geschäfte – „für mich entwickelt sich da einer der exklusivsten Stadtbezirke“.

Das Projekt 98, wie es offiziell heißt, sei daher auch ein Versuch, auf das kreative Potenzial, das im siebten Bezirk schlummert, aufmerksam zu machen, dessen Entwicklung voranzutreiben und die Nachbarn zusammenzubringen. „In Holland ist das ganz selbstverständlich, weil viele Menschen auf wenig Platz wohnen.“

Fünf Tage lang hat daher das Street-Art-Kollektiv „Igra Igra Crew“ (das sich derzeit auf Europatour befinden) das Haus bemalt. Daneben haben DJs aufgelegt, außerdem gab es selbst gemachte Eislutscher.

Worischs Schwester Nina und ihr Kollege filmten das Projekt, während sich rundherum das Grätzel zum Schauen zusammenfand. „Auf einmal standen die Nachbarn da, Leute, die ihre Werbeagenturen hier haben, und viele freiwillige Helfer“, erzählt er.

Anfangs kam auch regelmäßig die Polizei. Die Beamten konnten nicht glauben, dass das Bemalen legal sei. War es aber. Weil das Haus eben Worischs Familie gehört. Darin wohnen vier Parteien: Niklas und seine Schwester selbst, die Mutter, zwei Studentinnen und eine ältere Dame, die „zwar immer kritisch schaut, das Projekt aber ganz toll findet“, erzählt Worisch. Obwohl das Haus über 100 Jahre alt ist, gehört es – im siebten Bezirk eher ungewöhnlich – in keine Schutzzone. Das machte das Vorhaben freilich erst möglich.

Mittlerweile ist die Fassade fertig, doch das Projekt noch lange nicht. Ein richtiges Kreativhaus soll es werden. Ein Ort, wo sich Menschen aus allen Disziplinen treffen: Ton, Musik Lichtinstallationen, Film – es sind keine Grenzen gesetzt. In der Burggasse 98 sollen sie sich gegenseitig inspirieren, vielleicht auch gemeinsame Projekte umsetzen. Das ergibt sich auch aus der Vorgeschichte des Hauses. Schon der Großvater, der Installateur war, sei im Grätzel sehr bekannt gewesen, erzählt Worisch. Auch er und seine Schwester verwenden das Haus gern als Treffpunkt für ihr (kreatives) Netzwerk.

„Ohne die Burggasse 98 würde es unser Kollektiv zum Beispiel gar nicht geben“, sagt Lukas Cioni, der gemeinsam mit Nina Worisch vor einigen Jahren das Kollektiv freier Filmschaffender Deadrabbitmedia gegründet hat. Ihr Imagefilm über das Projekt 98 soll bald auf der Homepage zu sehen sein.

Jeder trägt etwas bei

Gleichzeitig tritt Nina wiederum als Gastmusikerin bei Cionis Musikprojekt Blinded by Stardust auf, das wiederum kaum auf eine Bandgröße oder einen Musikstil festzunageln ist. „Wir verbinden verschiedene Stile, manchmal treten wir als Band auf, manchmal auch nur zu zweit“, sagt Cioni. Es ist dieselbe Idee wie beim Haus. Mehrere Kreative finden sich für ein Projekt zusammen und schauen, was passiert. „Und bei allen ist etwas aus einer anderen Disziplin dabei“, sagt Nina Worisch. So gab es bereits einen Konzertauftritt von Blinded by Stardust im B72, während im oberen Stockwerk eine Ausstellung stattfand.

Ähnliches könnte in der Burggasse folgen. „Im Erdgeschoß sind Ateliers geplant“, sagt Niklas Worisch und quasi als nächstes Event ein Fest im Innenhof: mit Street-Art, Musik, Lichtinstallation – und was ihnen halt sonst noch in nächster Zeit einfallen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2014)

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