Alfred Komarek: "Es muss ein gelungenes Leben sein"

'Polt.': Erwin Steinhauer sitzt wieder fest im Sattel
'Polt.': Erwin Steinhauer sitzt wieder fest im SattelORF
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Schriftsteller Alfred Komarek über sein neues Buch, sein Herangehen an die darin porträtierten Menschen und die Voraussetzungen, wie man zu einem schrägen Vogel wird.

Wie kommt man auf die Idee, ein Buch über schräge Vögel zu schreiben?

Alfred Komarek: Die Idee kam vom Verlag. Und bin sofort drauf angesprungen, weil ich gedacht habe, dass das ein Artenschutzprojekt ist, das nett werden könnte. Im Lauf der Produktion hat sich herausgestellt, dass es ein großartiges Projekt ist.

Was macht jemanden zum schrägen Vogel?

Der erste Maßstab ist, sich nicht anzupassen an Raster oder Vorgaben. Und es muss ein gelungenes Leben sein – jeder muss gerne und erfolgreich so leben, wie er es tut. Ich wollte Leute finden, die ein selbstbestimmtes Leben haben und auch damit zufrieden sind.

Und wie sind Sie dann auf die betreffenden Personen gekommen?

Ich bin mit vielen Leuten zusammengetroffen, einige kamen von Fotograf János Kalmár, ein bisschen was auch vom Verlag. Dann hat sich herausgestellt, dass es in deren Umfeld ein paar weitere schräge Vögel gibt. Ein paar haben auch abgelehnt, weil sie gemeint haben, sie sind gar nicht schräg – sondern bedeutend.

Es sind recht viele Künstler dabei.

Wohl deswegen, weil die ja oft schon berufsbedingt gegen den Strich sind. Wir haben aber auch einen Techniker, einen Friedhofswärter, mit Marika Reichhold ein Zwitterwesen, das fünf oder sechs Studien hinter sich hat. Also wirklich – ich bin ja auch dabei –, wenn ich mich abziehe, blieben dreizehn Menschen, die es wirklich wert waren, sie kennenzulernen.

Und wie sind Sie dann an die Menschen, die Sie ja meist nicht kannten, herangegangen?

Manchmal hat János Kalmar, der Fotograf, begonnen. Oft war er Türöffner und Wegbereiter, oft war ich wieder erfolgreich. Ich kann gut mit vorsichtigen und spröden Leuten, die machen bei mir eher auf. Mit Daniel Spoerri habe ich mich zum Beispiel zehn Tage geplagt, um ihm gerecht zu werden. Jetzt mögen wir uns wirklich, aber das war ein weiter Weg. Ich habe ja auch recht private Texte geschrieben, da war es wichtig, Vertrauen aufzubauen.

Wie lange braucht es dafür?

Vier Tage Minimum. Auch bei Leuten wie Friedl Umschaid, den ich gut kenne, muss man trotzdem hinter der Rolle, die er spielt, den Menschen hervorkitzeln. Dann geht es ans Schreiben, das ist dann noch einmal ein Ruck. Das soll ja mit dem Wesen des Menschen übereinstimmen.

Viele Menschen aus dem Buch umgeben sich gerne mit seltsamen Dingen. Gibt es da da eine Verwandtschaft zum Messitum?

Wenn man Messi als hemmungsloses Sammeln betrachtet, bestimmt nicht. Jemand, der fast unter seinen Büchern erstickt, ist meiner Ansicht nach ein unglücklicher Mensch. Es sind Menschen, die sich gerne mit schrägen Dingen umgeben – aber die Dinge auch herschenken. Der Spieltrieb darf nie zum Zwang werden, das wäre ein Ausschließungsgrund gewesen.

Haben Sie schon an eine Fortsetzung gedacht? Das würde sich ja anbieten.

Natürlich habe ich Blut geleckt. Und sich Menschen zu eigen machen, ist eine ebenso mühsame wie spannende Sache. Ich habe selten mit einem Buch so einen Spaß gehabt. Aber es war auch eine anstrengende Sache. Denn je schräger, desto ernster muss man die Leute nehmen. Und das ist sehr viel Arbeit. Es reizt mich, aber auf der anderen Seite habe ich Scheu davor, weil ich weiß, wie mühsam es ist. Ein Jahr brauche ich sowieso noch, weil auch noch ein allerletzter Polt-Krimi kommt – ich möchte ihn ins Alter entlassen, wo schon noch Kriminelles mitspielt, aber auch, wie er mit Defiziten fertig wird, wie er alt wird. Da muss ich dranbleiben, damit es kein peinliches Alterswerk wird. Danach könnte ich es mir aber schon vorstellen.

Wer passt noch zu den schrägen Vögeln, hat es aber vorerst nicht ins Buch geschafft?

Einige habe ich schon im Kopf. Ich gehe jetzt auch so durchs Leben, wann lerne ich wieder jemanden kennen, der reinpassen würde. Spoerri hat Friederike Mayröcker empfohlen – er hat gesagt, die ist sehr schräg. Ich habe auch einen Priester aus dem Weinviertel im Kopf, der wunderbar reinpassen würde. Es gibt auch sehr originelle Ordensleute, wo man eine kontemplativ kreative Ebene reinbringen könnte. Und man muss schauen, dass man nicht auf der künstlerischen Seite hängen bleibt. Ich habe keine Angst, dass wir nicht wieder ein Buch vollkriegen. Ein gutes, nicht nur eine Kuriositätenliste.

Da könnte man auch dem Männerüberhang aus dem ersten Buch gegensteuern.

Wir haben gekämpft, um Frauen ordentlich zu repräsentieren. Ich habe dann eine Erklärung gefunden: Frauen sind eher das vernünftige Geschlecht. Sie stellen ein erträumtes Leben eher hintan. So wie es der im Buch porträtierten Marika Reichhold – mit ihrer Kunstfigur „Frau Franzi“ – gelingt, Familie, Beruf und Museum zusammenzubringen, ist ein Ausnahmefall. Ich habe Frauen als sozialere Wesen erlebt. Und zu schrägen Vögeln gehört auch eine Ichbezogenheit. Leider Gottes trauen sich das offenbar nicht so viele Frauen wie Männer.

Die meisten Beteiligten im Buch haben schon ein gewisses Alter. Braucht man das, um ein schräger Vogel zu sein?

Zumindest sollte man einiges erlebt haben. Ein gewisser mäandrierender Lebensweg ist eine gute Voraussetzung dafür, dass man einmal ein schräger Vogel werden kann.

Steckbrief

Alfred Komarek(geb.1945 in Bad Aussee) ist als Schriftsteller vor allem für seine Kriminalromane rund um den Gendarmeriebeamten Simon Polt bekannt. Daneben schrieb er unter anderem auch Sach- und Kinderbücher, Essays und Drehbücher für das Fernsehen.
Mirjam Reither

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

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