Jesse Eisenberg: "Ich liebe jüdischen Humor"

ITALY ROME FILM FESTIVAL 2010
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Jesse Eisenberg ist so etwas wie eine moderne Kombination aus Woody Allen und Superhelden: In "Night Moves" spielt der Zuckerberg-Darsteller einen militanten Umweltaktivisten.

Schmalschultrig, unfrisiert, so schüchtern, dass man fast ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn man ihn anspricht – und dazu noch ein Stadtradfahrer. Noch vor ein, zwei Jahrzehnten wäre einer wie Jesse Eisenberg maximal in der Schiene der Nebendarsteller gelandet, auf deren Kosten die Drehbuchschreiber ein paar Gags einschieben, bevor die strahlende Hauptfigur ins Happy End entlassen wird. Doch mittlerweile hat Hollywood die Nerds für sich entdeckt, und Typen wie Eisenberg bekommen die guten Parts und die schönen Frauen. In „The Social Network“ verkörperte er Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, derzeit steht er als genialer Schurke Lex Luthor im Blockbuster „Batman vs. Superman“ vor der Kamera.

Ihre Figur in „Night Moves“, ein Umweltaktivist, will die Menschen mit drastischen Mitteln aufrütteln. Könnten Sie sich vorstellen, so extrem politisch aktiv zu werden?

Jesse Eisenberg: Ich habe darüber bei den Vorbereitungen zu diesem Film natürlich genau nachgedacht, weil ich verstehen wollte, was in ihm vorgeht. Und ich kann schon ein bisschen nachvollziehen, wie man, wenn man sich leidenschaftlich für etwas engagiert, ein bisschen den Sinn für die Realität verlieren kann.

Sie haben als Vorbereitung für „Night Moves“ eine Zeit lang wie er bei einer Biokommune gelebt und gearbeitet, nicht wahr?

Ja, genau. Meine Figur wohnt in einem Gemeinschaftszelt und arbeitet auf so einer Farm, und ich hatte beides noch nie gemacht. Also habe ich die Leute, bei denen wir gedreht haben, gefragt, ob ich vor Drehbeginn eine Zeit lang bei ihnen leben darf.

Was war das Interessanteste, was Sie auf dem Bauernhof gelernt haben?

Das Unerwartetste waren für mich die langen Wege. In New York fahre ich überallhin mit dem Fahrrad und bin blitzschnell am anderen Ende der Stadt. Aber die Farm ist so weitläufig, und man muss alles zu Fuß gehen. Wenn man abends im Wohnzelt draufkam, dass man etwas im Haupthaus vergessen hatte, bedeutete das 20 Minuten zusätzliche Wegzeit, mindestens. Man bekommt ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit, und man lernt langsame Prozesse zu schätzen. Lebensmittel zu pflanzen und zu ernten ist nun einmal ein Prozess, der sehr viel Zeit braucht. Wenn man das dann isst, bekommt man eine ganz andere Vorstellung davon, was Essen eigentlich ist – nicht etwas, was man sich mal schnell aus dem Shop holt, sondern etwas, was über Monate und Jahre geplant und betreut werden muss.

Sie fahren in Manhattan mit dem Rad? Ist das nicht selbstmörderisch?

Es sieht vielleicht so aus, aber wenn man selbst fährt, ist es anders. Da hat man die Situation ausreichend unter Kontrolle. Aber als ich selbst noch nicht in der Stadt Rad gefahren bin, konnte ich mir auch nicht vorstellen, wie das jemand länger als 20 Sekunden überleben kann. Das ist wie beim Autofahren, das schaut von außen betrachtet auch viel gefährlicher aus, als wenn man selbst am Steuer sitzt. Ich meine, natürlich hatte ich schon einige kleinere Unfälle, aber nichts Ärgeres.

Sie leben seit Ihrer Kindheit in New York. Fühlen Sie sich als „typischer“ Manhattaner, in der Tradition von Woody Allen?

Wahrscheinlich schon, man entkommt dem auch kaum – vor allem diesem ganz speziellen Humor. Das war bei mir schon zu Hause so. Meine Eltern hatten beide ganz ernsthafte Jobs, aber beide sind extrem witzige Leute. Meine Mutter hat auch eine Zeit lang nebenbei als Clown gearbeitet. Und schon bald habe ich meine Vorliebe für typisch jüdischen Humor entdeckt, und zwar speziell diese Art von Witz, in dem es vor allem um unglückliche Ehen und sexuelle Frustrationen geht. Wie zum Beispiel: „Jemand hat meine ganzen Kreditkarten gestohlen. Ich zeige ihn aber nicht an, weil er immer noch weniger ausgibt als meine Frau“, oder „Meine Frau redet gern beim Sex. Sie ruft mich dann immer an und sagt: ,Ich habe gerade Sex!‘“ (lacht). Ich habe auch immer schon gern geschrieben, und als Teenager habe ich versucht, meine eigenen Witze zu erfinden. Bei allem, was ich schrieb, ging es immer um Sex. Was um so lustiger war, weil ich damals wirklich absolut kein Sexleben hatte. Ich glaube, ich hatte damals außer mit meiner Mum noch nicht einmal ein wirkliches Gespräch mit einem weiblichen Wesen geführt.

Steckbrief

Jesse Eisenberg(geb.1983) wurde als Sohn polnisch- bzw. ukrainisch-jüdischer Eltern in New York geboren. Seinen Durchbruch als Schauspieler feierte er 2002 im Independentfilm „Sex für Anfänger“. Mehrere Auszeichnungen, unter anderem eine Oscar-Nominierung erhielt er für die Darstellung von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in „The Social Network“ (2010).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

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