Vom Kleingarten zum Windkanal: Eine Stadt öffnet ihre Türen

(c) Open House/ Saringer Robert
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Die Architektin Iris Kaltenegger öffnet mit „Open House“ am Wochenende 70 spannende Gebäude, vom Getreidespeicher bis zum „Tunesischen Dorf“.

Kindergarten in der Schukowitzgasse – oder die Krankenpflegeschule im SMZ Süd? Es sind nicht gerade typische Treffpunkte, die Iris Kaltenegger vorschlägt. Dafür ungewöhnliche. In der Krankenpflegeschule, auf die die Wahl fällt, sind es etwa die Glaskuben, in denen man in Baumkronenhöhe Kaffee trinken, aus denen man sich etwas zurufen kann, bei Bedarf auch über mehrere Stockwerke hinweg.

Sie habe sich, erzählt Kaltenegger, bei einer Führung in das Haus mit der grünen Glasfassade an der schwer befahrenen Triester Straße verliebt. Eine Begeisterung, die die Architektin teilen möchte: An diesem Wochenende lädt sie erstmals in Wien zum „Open House“: 70 Häuser, vom innovativen Büro bis zur Privatwohnung, öffnen ihre Türen, Bewohner geben Auskunft, Freiwillige erklären Details.

Kennengelernt hat Kaltenegger „Open House“ in London, wo sie ab 1999 sieben Jahre gelebt hat. „Im ersten Jahr habe ich mich noch gewundert, wieso sich so viele Leute vor Richard Rogers' Lloyds-Hauptquartier angestellt haben ...“, erinnert sie sich. Im Jahr darauf stand sie selbst drei Stunden in der Schlange, um schließlich mit einem der außenliegenden Lifte „wie mit der Rohrpost“ nach oben geschossen zu werden. „Eine prägende Erfahrung.“

Nun gibt es dank ihrer Initiative „Open House“ erstmals auch im deutschsprachigen Raum. Nicht, dass es für Iris Kaltenegger immer einfach gewesen wäre. „Es war nicht so leicht, die Leute zu begeistern“, sagt sie ehrlich. Ganz so, wie die britische Architektin Victoria Thornton einst „no, no, no“ als Antwort bekam, als sie aus Frustration über die „Barrieren zwischen dem Architektenberuf und der Öffentlichkeit“ mit ihrer Idee zum „Open House“ in Londons Ämtern vorstellig wurde. 1992 fand die Veranstaltung trotzdem zum ersten Mal statt.

Freiwillige und Bewohner führen

Heute sind es in London mehr als 800 Gebäude, denen im September 350.000 Besuche abgestattet werden, von New York bis Tel Aviv wird das Konzept in 23 Städten kopiert. Und auch in Wien bekam die Sache Zweiflern zum Trotz Momentum: Am Ende musste Kaltenegger einzelne Mitmachwillige aufs nächste Jahr vertrösten.

>>Bildergalerie: In fremde Häuser schauen

Am „Open House“-Wochenende werden bei jedem Gebäude Freiwillige, oft Architekturstudenten oder interessierte Laien, Führungen anbieten. Mehr als 160 Leute sind dabei aktiv. „Ich bin happy und dankbar, dass so viele mitmachen“, betont Kaltenegger – angesichts der Tatsache, dass Volunteering, das freiwillige Mitmachen, „bei uns nicht sehr verankert ist. Aber gerade die Freiwilligen sind es, die die Veranstaltung tragen.“

Ziel sei es, „das jeweilige Gebäude in seiner Gesamtheit zu präsentieren“, sagt Kaltenegger, die normalerweise selbst Architekturführungen über den WU Campus leitet. Nicht nur Architektur, sondern auch „Geschichte, Flair und die Konzepte dahinter“ sollen erklärt und erzählt werden. Mit dabei sind alle Epochen und Funktionen: Bildungseinrichtungen, Sportstätten, Büro- und Gewerbegebäude, Wohnhäuser. Da sind der Bridgeclub, der in einer von Adolf Loos entworfenen Wohnung unweit der Urania residiert, die Ankerbrotfabrik oder das Hochhaus Herrengasse, das „Erste Wiener Strohhaus“ in Mariahilf, das Wohnprojekt Grundsteingasse oder Bike and Swim im Zweiten, mit seinem Pool und den begehbaren Plexiglas-Blasen. Anderswo führen Bewohner durch ihr „Tunesisches Dorf“ auf dem Dach eines Wiener Altbauhauses oder laden in ihr luftiges Kleingartenhaus „Klein Brasilien“. Man kann den weltgrößten Klimawindkanal besichtigen, in dem Fahr- und Flugzeuge auf ihre Wetterfestigkeit getestet werden, oder sich in einen der riesigen Getreidespeicher am Albener Hafen wagen.

Mit Letzterem erfüllt sich die in Wien lebende Salzburgerin selbst einen Wunsch. „Man sieht die Speicher ja, wenn man vom Flughafen kommt. Und ich wollte immer schon einmal hinein“, sagt die Architektin, die seit Jahren der Frage nachgeht, was Menschen mit ihrer Stadt verbindet. „Architektur ist oft ein Angstwort. Wir wollen, dass die Leute einfach Lust bekommen, die Stadt zu entdecken.“

AUF EINEN BLICK

„Open House“ fand erstmals 1992 in London statt, die Architektin Iris Kaltenegger bringt das Konzept nun erstmals nach Wien. Am 13. und 14. September stehen dabei 70 Gebäude zur Besichtigung offen, von historischen Häusern bis zu kreativen zeitgenössischen Lösungen. Samstag und Sonntag, 10 bis 17 Uhr (allerdings haben nicht alle Gebäude an beiden Tagen geöffnet). Anmeldung ist keine erforderlich. Überblick: openhouse-wien.at, im Programmheft (bei jedem Gebäude erhältlich) oder bei der OHW-Homebase beim Streetlife-Festival in der Babenbergerstraße.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2014)

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