Einsam hoch über dem Isonzo: Hellers Manager und der Krieg

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Im einen Leben ist Robert Hofferer der Manager André Hellers. Im zweiten produziert er Filme. Wie das Weltkriegs-Drama "Die Wälder sind noch grün".

August 1917. Am Isonzo toben Kämpfe um Berge und Täler. Hoch oben in den Julischen Alpen müssen ein großbürgerlicher, böhmischer Hauptmann und ein Kärntner Handwerkersohn die Bewegungen der feindlichen Artillerie beobachten. Stille. Warten. Nervenzehrendes Grollen aus der Ferne. Und irgendwann ein Angriff, der einen Kollegen tötet und dem Hauptmann ein Bein abreißt.

Es ist kein narratives Großereignis, das Robert Hofferer schildert. „Die Wälder sind noch grün“ ist ein filmisches Kammerspiel, das mitunter auch den Zuschauer quält. Soldat Lindner (Michael Kristof) versucht bloß, die Stellung zu halten, und seinen Hauptmann am Leben.

Neun Monate vor der Präsentation des Films in Cannes hatte Hofferer den Gedanken gefasst, „man müsste eigentlich einen Film über den Ersten Weltkrieg machen. Ohne riesige Schlachtenszenen, aber nicht weniger intensiv.“ Er rief Marko Nabersnik an, einen befreundeten slowenischen Regisseur, unterbreitete den Vorschlag eines Films „mit maximal zwei Schauspielern“. Ließ sich von seinem Freund Harvey Weinstein, dem Hollywoodproduzenten, zuraten. Und wählte das Gedicht „Menschheit“ von Georg Trakl als Inspiration. Der Text war einst nur Vorahnung, doch „er beschreibt genau die Einsamkeit und Isolation eines Menschen im Krieg“.

Original bis zu den Zündhölzern

Ins Projekt stürzte sich der gebürtige Klagenfurter ohne dass er seine sonstigen Aufgaben außer Kraft gesetzt hätte. Seit 14 Jahren ist er Manager von André Heller, seine Firma Art Event realisiert dessen Projekte wie die Zirkusshow „Afrika! Afrika!“. „Man ist auf einen Ton gestimmt“, formuliert er das Verhältnis. Zum Gespräch bittet er ins gemeinsame Büro im Palais Windischgraetz, das dem Stift Klosterneuburg gehört. Weil er an diesem Tag eher dort zu tun habe.

Für das jüngste Werk seines Filmlebens, sein viertes, hat Hofferer akribisch recherchiert. Er las Kriegstagebücher, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Soldaten gesprochen haben, kontaktierte Wissenschaftler und Museen, um sachlich „komplett fit“ zu sein. Die Detailgenauigkeit reicht bis zu den Zündhölzern, dem begehrtesten aller Güter. Die Hölzchen, die Jakob Lindner einzeln abzählt, sind Originale aus dem Krieg. Überhaupt hat Hofferer unzählige Gegenstände aus der Zeit aufgetrieben, bis hin zum Wellblechdach, das die Hütte an einem Originalschauplatz in 2200 Metern Höhe bedeckt. Es gebe, sagt er, entlang der 80 Kilometer langen ehemaligen Front eine große Anzahl privater Sammler und Vereine, die sich um den Erhalt von Anlagen und Gegenständen kümmern. Sie bauten die Hütte, telefoniert wird nach k.u.k. Telefonvorschrift. Simon Serbinek, der slowenische Schauspieler, der den Hauptmann spielt, hat selbst bei einem Unfall beide Beine verloren. Eineinhalb Tage, sagt Hofferer, habe man ohne ärztliche Versorgung mit einer solchen Verletzung überlebt. „Das war ein wichtiger Punkt für mich. Wenn man nicht authentisch ist, dann könnte so ein Kammerspiel schiefgehen.“

Wie es aussieht, ging es gut: Man hat einen Weltvertrieb, der Film läuft in Indien und wird auch nach China kommen. „Das hat uns das Shanghai Film Festival ermöglicht.“ Dort lief der Film als einer von 15 aus 3000 ausgewählten im Hauptwettbewerb. Anders als die Siegerfilme erhielt das Drama am Ende die Lizenz für China. „Davon werden nur 34 vergeben, 20 oder 25 davon gehen an Blockbuster.“ Die asiatischen Märkte seien wichtig, so Hofferer. Er hat seinen Film unabhängig, mit Hilfe seines Netzwerks, finanziert.

Woher die Liebe zum Medium kommt? Er habe, sagt Hofferer, die wesentlichen Jahre seines Theaterwissenschaftsstudiums (neben Uni und Kaffeehäusern) im Filmmuseum verbracht. „Ich kann von mir sagen, dass ich so gut wie jeden wirklich guten Film gesehen habe. Mich interessiert Film, weil man eine bestimmte Menge an Betrachtern erreichen kann. Wenn er gut gemacht ist, trägt er zu einer anderen Wahrnehmung von Tatsachen bei.“ Wie jene vom Grauen des Krieges, die man immer wieder aufbringen müsse, nicht zuletzt angesichts der heiklen aktuellen politischen Situation. „Im Moment haben wir wieder einen traurigen Rekord: 35 anerkannte Kriege und über 400 bewaffnete Konflikte. Und man darf nicht vergessen, dass der Erste Weltkrieg am Beginn einer ganzen Kette von Auseinandersetzungen steht, bis hin zu Afghanistan und Irak.“

Daran müsse man rühren. „Aber nicht in einer Art von Gewaltverherrlichung. Den hoch gelobten ,Inglourious Basterds‘ finde ich einen furchtbaren Film. Es gibt genug Kriegsgreuel, die wir in den Nachrichten sehen. Ich weiß nicht, ob wir da auch noch ein Übermaß an fiktionaler, ästhetisierter Gewalt in Fernsehen und Internet brauchen“, sagt Hofferer. „Was da in den letzten 15 Jahren passiert ist, ist die Normalisierung des Grauens.“

ZUR PERSON

Robert Hofferer wurde 1959 in Klagenfurt geboren und studierte Theaterwissenschaft. Seit 2000 ist er der Manager von André Heller. Er produzierte Theaterprojekte freier Gruppen und bisher vier Kinofilme. „Body Complete“ über den Bosnienkrieg lief auf 21 Festivals und gewann sieben Preise. Sein Anti-Kriegsfilm „Die Wälder sind noch grün“ (seit Freitag im Kino) widmet sich nun den Isonzo-Schlachten und wurde u.a. im „Hollywood Reporter“ positiv besprochen. Hofferer ist außerdem Sponsor des Südosteuropa-Filmfestivals Let's CEE (2. bis 11. Oktober).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2014)

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