Messner-Geburtstag: Und über ihm am besten nichts

Reinhold Messner
Reinhold Messner(c) APA/dpa
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Reinhold Messner, der Radikalabenteurer und „Anarch am Berg“ wird 70 Jahre alt. Zum Geburtstag hat er sich ein Buch geschenkt – „Über Leben“.

Rom. Nein, von einer „gezähmten Welt“ hält dieser Mann nichts; ihr wollte er um jeden Preis entkommen. Die „wahre Menschennatur“, sagt Reinhold Messner, finde sich allein in der Wildnis, im „Niemandsland der Felswand“ vielleicht, „an den äußersten Grenzen der eigenen Möglichkeiten“.

Es ist ein philosophischer, „im Abstieg des Alters“ zufriedener Reinhold Messner, der auf sein „Überleben“ zurückblickt, das ihm am heutigen Mittwoch nun schon siebzig Jahre immer wieder neu beschieden ist. „Über Leben“ heißt auch das Buch, das Messner sich selbst zum Geburtstag geschenkt hat und in dem er – aus passendem Anlass in siebzig Kapiteln – seine Gedankenwelt ausbreitet.

Da ist alles drin, angefangen von der ungezwungen-spielerischen Kindheit im Südtiroler Villnösstal, wo er als Fünfjähriger auf seinem ersten Dreitausender stand und wo – Messners gesellschaftskritischer Unterton ist unüberhörbar – „uns die Nichterziehung zu selbstsicheren und widerstandsfähigen Menschen gemacht hat“. Das war, sagt er, wie bei jenen „traditionellen Stammesgesellschaften“, die basisdemokratisch, keiner Obrigkeit untertan, von keiner Zivilisation angekränkelt, glücklich „irgendwo am Rande der Welt“ leben.

Da singt Messner das Hohe Lied der Selbstbestimmung, der unaufhörlichen „Freiheit aufzubrechen, wohin ich will“. Da scheint durch, dass er vor allem deswegen so hoch hinaus wollte und auf alle 14 Achttausender dieser Welt gestiegen ist – als „Anarch am Berg“ und als erster ohne Sauerstoffflaschen –, weil er über ihm selbst nichts und niemanden zu dulden bereit war. Nie, schreibt er, „habe ich gefragt nach erlaubt oder verboten, es ging mir immer nur um möglich oder unmöglich“. Auch wenn andere es für unmöglich befanden – Messners spektakuläre, nie zuvor unternommenen Alleingänge auf Nanga Parbat und Mount Everest zum Beispiel: „Mir ging es um die Verwirklichung revolutionärer Ideen. Also wagte ich Tabubrüche in Serie.“

Und einer, der „in Friedrich Nietzsches ,Übermensch‘ kein Ungeheuer sieht, sondern den selbstbestimmten Menschen“, der kann auch den Abenteurer als ein „souveränes Individuum“ beschreiben, „das sich von jeder Moral befreit“. Und dann erzählt er, was er mit dem ersten seiner vier Kinder, einem unehelichen Zwischenspiel damals noch, gemacht hat: „Die Erziehung überließ ich weitgehend seiner Mutter. Die alltäglichen Pflichten waren mit meinem damaligen Leben nicht vereinbar; sie widersprachen auch meiner Vorstellung von Freiheit, zu der auch Verantwortung für uns selbst gehört.“

Seine Träume, bilanziert Messner, habe er wahr gemacht, und immer, wenn er irgendwo nicht weiterkam, suchte er sich neue Herausforderungen: Das war so, als ihm nach der ersten Expedition zum Nanga Parbat sieben erfrorene Zehen amputiert werden mussten: Da gab er zwangsläufig die geliebte Felskletterei auf – und verlegte sich aufs Höhenbergsteigen, in die Achttausenderwelt, wo er Weltberühmtheit erlangte. Als auch das nicht mehr ging – seines Fersenknochens wegen, den er sich just daheim gebrochen hatte, beim Übersteigen der Mauer seiner Südtiroler Wohnburg Juval –, da entwarf Reinhold Messner seinen „Fünfzehnten Achttausender“: das „Messner Mountain Museum“, eine Kette von derzeit fünf, im kommenden Winter dann sechs Südtiroler Ausstellungsorten.

Das Alter, sagt Reinhold Messner, begann er zu spüren, als er 2004, mit sechzig Jahren also, die 2000 Kilometer der Wüste Gobi durchquerte: „Das war zu viel, ich musste erkennen, das sollte ich mir nicht mehr antun.“

Sein Lebensideal lässt Messner sich nicht nehmen, aber er definiert es um: „Heute bedeutet Selbstbestimmung für mich mehr Zeit für anderes und für andere.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2014)

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