Stephan Rabl: „Kunst muss man nicht lernen“

(c) Clemens Fabry (Die Presse)
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Stephan Rabl leitet seit zehn Jahren den Dschungel Wien. Und spricht über Magenschmerzen, Theater für Zweijährige und den Wunsch zu verändern.

Österreichs bekanntestes Kunstareal trifft auf Österreichs größte Einkaufsmeile, die Mariahilfer Straße – und beides auf den afrikanischen Kontinent, dem sich auch Wien zunehmend stellen muss: Das sind die Zutaten für den „Großstadtdschungel“, durch den man sich im Museumsquartier vier Tage lang bewegen kann – zum 10. Geburtstag des Dschungel Wien.

Es ist auch ein Jubiläum für Stephan Rabl, den Direktor: Kahlkopf, Stoppelbart, schillernd blaues Hemd, angenehme Stimme. Wiewohl er heute als Galionsfigur des Kinder- und Jugendtheaters gilt, betrat Rabl vor zehn Jahren mit dem Dschungel Neuland. Ein neues Haus, eine neue Aufgabe, ein neues Konzept, das es bis heute so nirgendwo anders gebe: ein Theater, das auch Oper und Tanz spielt, das sich mit verschiedenen Stilen an verschiedene Altersgruppen richtet, in dem es Eigen- und Ko-Produktionen gibt, wo die freie Szene Premieren feiert, wo man sich nicht um ein Abopublikum kümmern muss und will. Eine Art Dschungel eben, wo man sich sogar durchs Programm seinen eigenen Pfad schlagen muss. Und wo, Rabl sagt es offen, auch einmal etwas danebenging. Dann, sagt er, habe er besonders Magenschmerzen gehabt.

Überhaupt ist Rabl ein Mann, der seinem Bauch vertraut. Der nicht an Zufälle glaubt, auch wenn es ein „sogenannter Zufall war“, der ihn heute im Dschungel sitzen lässt. „Ich habe nie vorgehabt, Künstler zu werden oder im Kulturbereich zu arbeiten, geschweige denn für Kinder und Jugendliche.“ Lieber wollte der Waldviertler Architektur machen, dann Psychologie, dann Streetwork. Parallel machte er nach der HTL „als typisches Kind der Achtziger diese ganzen Selbsterfahrungsphasen durch“, Tanzen und Feldenkrais, Tai-Chi bis Clownerie. „Plötzlich bin ich auf der Bühne gestanden, und plötzlich hab ich davon gelebt.“

„Man sucht und man findet sich“

Auch, dass er heute mit Kindern arbeitet, „war ein sogenannter Zufall“. Rabl hatte im Ausland gute Jugendproduktionen gesehen, „die ich vorher noch nie gesehen hatte, und das wollte ich zeigen“. So kam es zur Gründung des Festivals Szene Bunte Wähne, das gerade in seine 24. Saison gegangen ist. Seine internationale Erfahrung und sein Netzwerk flossen später mit in den Dschungel. Wichtiges Werkzeug bleibt dennoch die Intuition. „Man sucht und man findet sich“, beschreibt Rabl Begegnungen wie jene mit Josefstadt-Schauspielerin Hilde Dalik, die mit „Romeo und Julia Freestyle“, einem Stück mit jungen Flüchtlingen, im Dschungel gerade ihre erste Regiepremiere gefeiert hat. Kennen gelernt haben sich die beiden beim Dreh für „Die Werkstürmer“, bei dem Rabl eine Nebenrolle spielte.

Sonst spielt er nicht mehr, führt aber mitunter Regie, gern für die Kleinsten, Kinder ab zwei. Das sei eine spannende Konfrontation – auch mit sich selbst: „Man muss sich die wichtigen Fragen stellen: Warum geht man auf die Bühne? Warum macht man Kunst?“ Bei ihm, sagt Rabl, sei es das Bedürfnis, „etwas zu verändern, zu zeigen, dass Impulse etwas bewirken können. Dafür zu sorgen, dass junge Leute jene Impulse bekommen, dass sie ihren eigenen vertrauen können“. Wichtig sei ihm, zu zeigen, „dass Kunst keine eigene Form ist, die man lernen muss und nur durch Bildung verstehen kann. Kunst ist eine Situation, ein Moment, der für jeden da sein kann.“

Weshalb man sich zunehmend auch aus dem Theater wagt: Seit April ist der Dschungel-Bus unterwegs, der eigene Bus-Stücke in die Wiener Bezirke bringt. Er selbst wohnt im 20. Bezirk und ist froh darüber. „Das Museumsquartier ist eine Insel, die nicht die Realität ist. Der 20. Bezirk ist eine andere Welt, und sie tut mir gut.“ Hier redet er mit den Leuten, beobachtet die Kinder.

„Die Urthemen sind die gleichen, aber Mobbing oder Probleme mit den Eltern sind heute anders als damals. Da darf man seine eigene Kindheit spüren, aber nie mitschleppen und projizieren.“ „Anhänger der Apokalypse“ sei er nicht. „Die Welt verändert sich nur.“ Wenn 160 Teenager im Stück „Boys don't cry“ ihre Handys zücken und Fotos posten, betrachtet er das nicht (nur) als Regelverstoß. „Sondern auch als einen Ausdruck höchster Wertschätzung.“

ZUR PERSON

Stephan Rabl (geb. 1964) ist Direktor und künstlerischer Leiter des Dschungel Wien. Vor zehn Jahren betrat der frühere Clown, Schauspieler und Performer mit dem Theaterhaus für Kinder und Jugendliche Neuland.

Geburtstagsfeier: Anlässlich des Jubiläums 10 Jahre Dschungel Wien wird gefeiert, unter anderem mit Konzerten, Theater, Tanz, Performances und Installationen. Fr und Sa 15–2 Uhr, So 14–22 Uhr. Eintritt frei.

Web:www.dschungelwien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2014)

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