Im Gumpendorfer Wohnzimmer: Zehn Jahre angewandte Bibliophilie

(c) Stanislav Jenis
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Christian Schädel feiert den zehnten Geburtstag seines Phil. Mit Party, Buch, CD - und gleich auch der Gründung eines eigenen Verlags.

Geburtstag feiern, das hat im Phil Tradition. Beim ersten gab's Marillenpalatschinken und DJs, beim fünften kam die Polizei. Ganz von selbst, ohne dass Anrainer die Behörde informiert hätten – einfach, weil die Traube von Menschen die Gumpendorfer Straße blockierte. Auf den fünften, sagt Christian Schädel, habe er immer hingearbeitet. „So lange wollte ich durchhalten, das habe ich mir damals in Laos geschworen.“

Damals in Laos, da war Schädel 27 und ein „wandelndes Klischee: westeuropäischer Uni-Absolvent dreieinhalb Monate auf der Suche nach seinem Selbst, nach seiner Zukunft, nach seinem Weg“. Im Bus, kurz vor der Rückreise, hatte er die „Erleuchtung“. Ein Teehaus voller Bücher in einer Teakholzhütte, wie es das kanadische Pärchen besaß – so etwas wollte er auch.

So weit der Gründungsmythos des Phil. Man kann ihn ergänzen um einen Schwenk von Tee zu Kaffee, einen Buchhandels-Crashkurs im Leporello, umfassende Renovierungsarbeiten im ehemaligen Maschinenlager schräg gegenüber vom Café Sperl – das Schädel mit viel Glück ergatterte. Er sei so ungefähr der Siebentausendste, der sich erkundige, ließ man ihn damals wissen. Und just am Vortag habe man beschlossen, sich davon zu trennen ...

Am gestrigen Mittwoch war es schließlich genau zehn Jahre her, dass der Journalist und Publizistikabsolvent dort die ersten Güter verkaufte: Drei Bücher, einen Wecker und eine Nick-Cave-CD vermelden die Aufzeichnungen für den allerersten Tag, nachzulesen in der Geburtstagspublikation „Phil10“. „Schon damals“, stellt Schädel fest, „haben Soll und Haben nicht gestimmt...“

„Bin gar nicht so die Leseratte“

Die Musik bezog er, als Pionier des inzwischen allgegenwärtigen Mischkonzepts, damals noch über Rave Up, die Vintagemöbel vom Bananas – „eine richtig nachbarschaftliche Grätzlgeschichte“. Heute ordert er die Musik selbst, seit einem halben Jahr statt „Kraut und Rüben“ nur noch österreichische. Und die Bücher? „Die sind noch besser geworden.“ Mehr Erfahrung, mehr Überblick, sagt Schädel. Und überrascht: Er selbst sei „gar nicht so die Leseratte. Ich lese viele erste 50 Seiten, für 600 fehlt mir die Muße.“ Persönlich hält er sich eher an Musik und Fernsehserien. Das halte ihn aber nicht davon ab, Bücher zu lieben. „Mir taugen Bücher voll. Als Medium, wegen der Haptik, der Vielfalt, der Zeitlosigkeit. Ohne Bücher würde es das Phil nicht geben. Ich mach' es jedenfalls nicht wegen des Cafés.“ Die Gastronomie hatte der Linzer davor – dank des mütterlichen Golfcafés – „eher vom Wegschauen gekannt“. Und ja: „Es ist anstrengend.“ Einmal, 2007, als er die „Philiale“ im Gartenbaukino aufmachte, wurde es ihm sogar zu viel. „Das war lehrreich. Jetzt weiß ich, wo meine Grenzen sind.“

Für die Gäste ist die Mariahilfer Institution freilich gemäß der Wohnzimmer-Intention Ort der Entspannung. Hier sitzt Thomas Glavinic, brüten die Gebrüder Stitch Ideen aus, lernt Tex Rubinowitz David Schalko kennen. Ersterer hat ihm für das Phil-Buch eigens einen Text geschrieben, wie auch Teresa Präauer, Stefanie Sargnagel, Austrofred oder Tobias Radinger, der Schädels Kompagnon war, eher er die Kaffeefabrik gründete. Er schrieb eine Ode an die Kaffeemaschine: Eine Faema E61, abgeholt auf einem italienischen Campingplatz, die demnächst ihren 50. Geburtstag hat. Auch der wird gefeiert.

Doch vorerst gibt es die Party am Samstag im Gartenbau, für 700 Leute, seit gestern leider ausverkauft. Noch kooperativer als die Schriftsteller haben sich im Vorfeld die Musiker erwiesen. Jeder Gefragte hat mitgemacht, schon bei der Idee der Phil-CD, die dann nach dem ergänzenden Buch verlangt hat. So singen jetzt i-Wolf „I Feel Love“, Violetta Parisini „Feel It“ und Tanz Baby! Robbie Williams' „Feel“, und dass das alles wie „Phil“ klingt, ist kein Zufall. Vielleicht entsteht daraus auch noch mehr. Schädel hat jedenfalls gleich ein Label (Audiophil) und einen Verlag (Bibliophil) gegründet, und kann sich durchaus eine ganze Hybridreihe aus Buch und Musik vorstellen – wie auch zehn weitere Jahre Phil. Gelohnt habe es sich schon jetzt. Nicht zuletzt deshalb, weil irgendwann auch seine heutige Frau hereinspaziert ist.

ZUR PERSON

Christian Schädel (38) stammt aus Linz, studierte Publizistik und Politikwissenschaft und arbeitete u. a. für die „OÖN“. Nach einer Auszeit in Asien gründete er das Phil in der Gumpendorfer Straße 10–12, eine Kombination aus Buchhandlung, Plattenladen und Café. Zum 10. Geburtstag erschien eine CD mit Coverversionen von Nino aus Wien, Tanz Baby!, Violetta Parisini oder den Attwengern, begleitet von einem Buch mit Texten, Erinnerungen und Gästebucheinträgen. Erhältlich bei Phil, Leporello, Anna Jeller und Rave Up.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2014)

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