"Germany's next Topmodel": Farblose Models aus der Retorte

(c) AP (Hermann J. Knippertz)
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Die dritte Staffel von „Germany's Next Topmodel“ ist seit gestern vorbei, und die ersten beiden Siegerinnen sind schon längst wieder vergessen.

Sie trug ein silberglänzendes Kleid mit asymmetrischem Ausschnitt. Die Katzenaugen waren frisch nachgezogen, die roten Haare zu einer wilden Mähne auffrisiert, als sie beim 16.Wiener Life Ball ankam. Fotografiert wurde die – passend zum Ball-Motto – galaktisch gestylte Barbara Meier aber nur, weil ihr ein umsichtiger Fädenzieher im Hintergrund vor dem Einzug auf den Rathausplatz die weibliche Claudia Schiffer, Markus Schenkenberg, zur Seite gestellt hatte. Ihn kennt und erkennt man, sie (noch) nicht.

Oder vielleicht überhaupt nie mehr. Denn Barbara Meier hat ihr Jahr als Siegerin von „Germany's Next Topmodel“ ab heute hinter sich. Ab jetzt gibt es eine neue Siegerin bei der Pro7-Modelcasting-Show. Eine Neue, die sich den Fotografen und Laufstegen der Welt (oder eher nur Deutschlands) stellen wird dürfen – und müssen. Das ist so wie bei den Schönheits-Missen. Auch „Miss World“ oder „Miss Austria“ ist man exakt ein Jahr lang. Ein Jahr, in dem die frühere Mathematik-Studentin Barbara Meier zwar viel gesehen hat (von Fernseh- und Fotostudios bis zu Charity-Events wie dem Life Ball), richtig gut ins (Model-)Geschäft gekommen ist sie nicht.


Die anfangs scheue 21-Jährige aus dem oberbayrischen Amberg hat in dem Jahr immerhin an Selbstbewusstsein gewonnen. Auch schon etwas. Und weil zwischen dem Shooting für das Titelbild der deutschen „Cosmopolitan“, Werbeaufnahmen für den Schokoriegel Yogurette und den einzigen größeren Laufstegauftrag bei der Berlin Fashion Week offenbar genug Zeit bleibt, hat Meier kürzlich entschieden, ihr Mathematik-Studium zu beenden. Ganz nebenbei ist sie Botschafterin für das „Jahr der Mathematik 2008“.

Ähnlich unspektakulär wie Meiers Werdegang im Modelbusiness ist auch der von Lena Gercke, Siegerin der allerersten „Next Topmodel“-Staffel, die Heidi Klum zum Zeitpunkt ihres Sieges zum Verwechseln ähnlich sah (was damals viele als Grund für ihren Sieg werteten). Die gerade erst 18-jährige Gercke hat nur leider (noch) kein zweites Standbein, immerhin hat sie nach und trotz ihrem Show-Sieg die Matura gemacht. Auf ihr ruhten nach dem Sieg die allermeisten Blicke. Was wird aus einer 16-jährigen Schülerin, die ein TV-Casting gewinnt, hatten sich viele gefragt. Am Life Ball hätte man sie vermutlich auch nicht erkannt.

Die Sendung auf Pro7 verzeichnet allerdings auch im dritten Jahr durchwegs gute Einschaltquoten. Die deutschen Zeitungen und Webseiten waren in der vergangenen Woche voll von Analysen und Berichten über die oft als unfair und Klum-lastig bezeichnete Sendung.

Auch die Online-„taz“ ließ am Donnerstag in der „Entscheidung des Tages“ ihre Leser über Heidi Klums Sendung abstimmen. Die Antwort „Klum ist ekelhaft und macht sich zum Maß aller Dinge“ wurde mit 54 Prozent am meisten angeklickt. Die Kritik der Intellektuellen gehört zur Sendung wie die vielen Fans, die zugeben, der Sendung verfallen zu sein.

Die beiden Schicksalsgenossinnen Meier und Gercke haben bei der Pressekonferenz vor dem Ende der dritten Staffel in einem Kölner Hotel immerhin eines geschafft: Sie werden mit ihren vollen Namen genannt. Den neuen Finalistinnen Jennifer, Janina und Christina war das nicht gegönnt. Zum schön Lächeln braucht man offenbar keine Identität.

Die Sendung

„Germany's Next Topmodel“ auf Pro7 mit Heidi Klum gilt auch nach der dritten Staffel als umstritten. Die Mädchen würden systematisch degradiert, heißt es oft.

Auch Exmodel Tatjana Patitz plant ein solches TV-Format.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2008)

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