Reden wir ... übers Wetter

8. Wettergipfel in Soelden: Wettergipfel-Award geht nach Polen
8. Wettergipfel in Soelden: Wettergipfel-Award geht nach PolenAPA-Fotoservice/Hetfleisch
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360 Grad Österreich: In Sölden trafen sich 31 TV-Moderatoren aus sieben Nationen, um über das Wetter zu reden. Und verrieten, wie es zu Weihnachten wird.

Es wird knapp. Andreas Ortner schaut hinauf in die Wolken, wirft einen Blick auf die Uhr, sieht zu seinem Kameramann und meint: „Das sollte sich noch ausgehen.“ In fünf Minuten ist „Schalte“, ein Live-Einstieg auf Servus TV, und da sollte es nicht regnen. Nicht so sehr, weil ein triefnasser Moderator auf den Bildern nicht gut aussieht, sondern wegen der teuren Ausrüstung. „Ab neun Uhr wird es unangenehm“, sagt Ortner.

Er muss es wissen. Einerseits ist er für das Wetter bei Servus TV verantwortlich, andererseits hat er am Abend zuvor mit seinen Kollegen gesprochen. Und so exakt wie am vergangenen Freitag und Samstag war die Wettervorhersage für Sölden noch nie. In der Früh noch Sonnenschein, ab neun Uhr Regen, danach wechselhaft. Zehn Minuten nach neun Uhr fängt es tatsächlich an zu nieseln.

Wenn 31 Wettermoderatoren von 28 verschiedenen TV-Anstalten aus sieben Nationen zum Internationalen Wettergipfel zusammenkommen, wie an diesem Wochenende im Tiroler Ötztal, dann kann man sich erwarten, dass die Vorhersage passt. Denn Wettermoderatoren reden, auch wenn das jetzt wie ein billiger Gag klingt, wirklich hauptsächlich über das Wetter. Nicht nur weil sie dafür bezahlt werden, sondern auch weil sie – man merkt es in den Gesprächen – tatsächlich eine Leidenschaft für das Wetter haben.

„Es macht mir ehrlich Spaß, darüber zu reden“, sagt Marcus Wadsak, Wetterchef des ORF. Und er muss es oft, seit er in einer kleinen Gemeinde im Burgenland lebt. Da nützen die Menschen die Chance, im Supermarkt oder auf der Straße ihre ganz private Vorhersage zu bekommen. Wie wird das Wetter am Wochenende, soll ich mir am Montag oder Dienstag freinehmen – ob ihm das nicht gewaltig auf den Wecker gehe? „Nein“, erklärt Wadsak, „es macht mir nichts aus.“ Im Gegenteil, er könne dann gezieltere Vorhersagen treffen. „Wenn ich in der ,Zeit im Bild‘ in zwei Minuten eine Wettervorhersage für ganz Österreich machen muss, kann ich nicht alles sagen, was ich über das Wetter weiß.“

Warum aber wissen die TV-Moderatoren teilweise so wenig über das Wetter? Warum liegen die Prognosen manchmal so daneben? „Drei Tage kann man noch sehr gut abschätzen, aber alles was darüber hinaus geht, ist schon schwer“, erklärt Verena Schneider von Puls4. Vor allem, wenn es schnell wechselnde Nord-West-Wetterlagen gibt. Und wenn die Prognose danebenliegt, nehmen das die Zuschauer teilweise durchaus persönlich: „Es passiert schon manchmal, dass man beschimpft wird.“

Gerade das Wetter in diesem Sommer hat an den Nerven der Menschen gezerrt. Der Juli war verregnet, der August war zu kalt, und auch hier in Sölden passt nichts: Auf dem Gletscher regnet es, und unten im Tal kann man im Hemd herumgehen. Und das Mitte Oktober. Vergangenes Jahr lag zu diesem Zeitpunkt schon Schnee. Nein, dieses Wetter ist doch nicht normal!

„Na ja“, meint ein Deutscher, und ein paar Kollegen nicken bestätigend, „langfristig ist das heurige Wetter nichts Außergewöhnliches.“ Es gab auch schon andere verregnete Sommer und warme Oktober. „Im Schnitt ist es normal.“ „Der Sommer“, sagt Wadsak, „war eigentlich sogar zu warm – im langjährigen Vergleich.“ So klingt das, wenn Profis über das Wetter reden.

Wie aber geht man damit um, wenn man immer nur schlechtes Wetter vorhersagen kann? „Wir haben versucht, immer irgendwo im Land eine positive Prognose zu haben“, erzählt Peter Pöschl vom Schweizer Fernsehen. „Und oft habe ich auch viel Mitgefühl bei den Prognosen gezeigt.“

Denn manche Zuseher machen den Moderator für das schlechte Wetter verantwortlich, berichtet Ortner: „,Was habt ihr jetzt wieder für ein schlechtes Wetter gemacht?‘, das hört man manchmal. Speziell Tourismusverbände ärgern sich.“ Und hoffen, wie andere, auf maßgeblichen Einfluss der Moderatoren: „In vier Wochen heiraten wir, können Sie nicht schönes Wetter für uns machen?“, erzählt Schneider von den Wünschen mancher Fans. Und die meinen das durchaus ernst.

Sehr ernst, auch wenn sie das nicht so präsentieren, nehmen auch die „Innerschwyzer Wetterschmöcker“ ihre Prognosen. Die sechs Männer sagen anhand der Natur das Wetter für die nächsten Monate voraus. Auf dem Gletscher in Sölden machen sie eine ziemliche Show für die verschiedenen Wettersendungen – inklusive Feuer auf dem Schnee, kleiner Schnecken und eines Spaziergangs in offenen Sandalen über das Eis. Bemerkenswerterweise stimmen ihre Vorhersagen sehr oft.

„Es sind manchmal ganz einfache Dinge“, erklärt Peter Suter aus Ried-Muotathal. „Wenn im Herbst beispielsweise noch einmal die Frühlingsblumen blühen, dann gibt es einen langen Winter.“ Der 87-Jährige war schon bei der Gründung der Wetterschmöcker 1947 dabei. Er sei immer viel draußen gewesen und habe viele Jahrzehnte das Verhalten der Tiere oder das Wachstum der Pflanzen beobachtet. „Heute fehlt halt vielen die Zeit dafür.“


Ansage aus der Gletscherspalte. Oben auf dem Rettenbachgletscher seilt ein Bergführer gerade das fünfte Kamerateam in eine Gletscherspalte ab. Originelle Plätze für die „Schalte“ und die Vorhersage sind begehrt.

Apropos, die wichtigste Frage, wenn man schon einmal alle Kapazunder zusammen hat: Wird es heuer weiße Weihnachten geben? „Es wird ein milder Winter ohne viel Schnee“, sagt ZDF-Wettermoderatorin Katja Horneffer. „Die Alpennordseite wird viel Schnee haben“, glaubt Pöschl. „Über 1000 Meter wird es viel Schnee geben“, meint Ortner. „Es wird ein harter Winter werden“, sagen die Schweizer. Marcus Wadsak verweist auf die Statistik: „In Tirol hat es zu Weihnachten alle eineinhalb Jahre Schnee, in Wien alle fünf Jahre.“ Man darf also hoffen: Das letzte Mal lag Österreich 2010 zu Weihnachten unter einer geschlossenen Schneedecke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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