Denzel Washington: "Manche sind mit 20 alte Männer"

U.S. actor Denzel Washington receives a Donostia award for his film career from director Antoine Fuqua on the first day of the 62nd San Sebastian Film Festival
U.S. actor Denzel Washington receives a Donostia award for his film career from director Antoine Fuqua on the first day of the 62nd San Sebastian Film FestivalReuters
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In Antoine Fuquas Action-Thriller "The Equalizer" spielt er einen beinharten Elitekiller mit leichter Zwangsneurose und ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Im Interview erklärt Denzel Washington seine Sicht auf das Alter.

Dass der zweifache Oscar-Preisträger (für „Glory“ und „Training Day“) heuer am 28. Dezember seinen 60. Geburtstag feiert, sieht man ihm wirklich nicht an – anscheinend funktioniert Denzel Washingtons Philosophie „Alter bedeutet nur dann etwas, wenn man nichts tut“ recht optimal. Und die Aktivität macht sich bezahlt: Seine zweite Zusammenarbeit mit „Training Day“-Regisseur Antoine Fuqua, der lose auf einer Achtzigerjahre-Fernsehserie basierende Thriller „The Equalizer“, hält seit Filmstart die Spitzenposition an den US-Kinokassen.

Ihre Filmfigur ist ein beinharter Killer – dabei aber extrem ordentlich und organisiert, es hat schon fast etwas Manisches.

Denzel Washington: Ja, das ist auch beabsichtigt, dass er ein bisschen zwangsneurotisch wirkt. Ich habe ihm eine Menge solcher Macken verpasst, dass er seine Wohnung immer ganz penibel aufräumt und peinlich sauber hält, dass bei ihm alles immer seinen Platz haben muss, er alle möglichen Tätigkeiten mit der Stoppuhr nachverfolgt. Das ergibt sich aus seiner Geschichte, die ich mir für ihn ausgedacht habe. Meine Mutter hatte eine Freundin, die psychisch krank war. Die war manisch ordentlich, bei ihr musste immer alles ganz gerade und in der richtigen Reihenfolge sein. Und meine Mutter meinte: „Das macht sie, weil ihr Kopf total in Unordnung ist!“ Das fand ich faszinierend. Ich denke mir, meiner Filmfigur McCall geht es auch ein bisschen so. Er versucht, die Unordnung in seinem Kopf zu verdrängen, und das manifestiert sich in Zwanghaftigkeit.

Sind solche Überlegungen nicht übertriebener Aufwand für einen Actionfilm?

Genre-Begriffe bedeuten nichts für mich. Eine Rolle ist eine Rolle, und die spiele ich, so gut ich kann. Außerdem denke ich mir, dass gerade bei einer Figur wie McCall der Reiz darin besteht, dass man ihm anmerkt, dass da tief in seinem Inneren etwas brodelt. Aber er ist kein Superheld, er ist ein ganz normaler Typ. Einer, der, wenn er nicht schlafen kann, in der Unterwäsche in seiner Wohnung hin und her läuft und sich an den Eiern kratzt.

... oder auch sehr viele Leute auf sehr ungewöhnliche und blutige Art und Weise tötet.

Oh ja. Besonders beim großen Showdown Baumarkt haben sich Regisseur Antoine Fuqua und unser Stunt-Koordinator ja total ausgetobt. Die sind mir vorgekommen wie kleine Buben beim Spielen, als sie sich die verschiedenen Methoden ausgedacht haben, wie ich dort die Bösen zur Strecke bringe.

Und das mit Baumscheren, Stacheldraht, sogar Farbkübeln – nur Schusswaffen scheint er nicht zu schätzen.

Stimmt, und das hat viel mit meiner persönlichen Einstellung zu tun. Ich bin tief gläubig und spiele keine Figuren mehr, die eine eigene Schusswaffe besitzen. Es kommt vielleicht ab und zu vor, dass ich jemanden mit seiner eigenen Waffe erschieße. Aber ich trage keine Waffe. Man kann so auch genug Schaden anrichten.

Wie geht es Ihnen als Christ mit solch gewalttätigen Rollen wie dieser? Haben Sie da gar keine moralischen Bedenken?

Die Bibel enthält doch auch jede Menge heftiger Gewaltszenen. Außerdem ist das ja nicht die Wirklichkeit, es ist nur ein Film.


Mr. Washington, Sie werden im Dezember 60. Man sieht es Ihnen nicht an – aber spüren Sie das Alter nicht langsam ein bisschen?

Alter bedeutet nur dann etwas, wenn man nichts tut, nicht aktiv ist. Es gibt Typen, die sind mit 20 dicke, alte Männer. Und es gibt 70-Jährige, die geistig und körperlich fit sind. Außerdem hält mich meine Familie jung. Es ist statistisch erwiesen, dass Leute mit Familie eine längere Lebenserwartung haben.

Haben Sie eigentlich schon als junger Mann davon geträumt, Filmstar zu werden?

Nein, gar nicht. Ich habe die Schule geschmissen, mein Traum war es, erst einmal den Abschluss nachzumachen. Ich wollte damals eigentlich Football-Spieler werden. Mit 20 arbeitete ich dann den Sommer über als Betreuer bei einem Feriencamp, habe dort für die Kids einige Performances gemacht, und alle haben gesagt, wie toll das war. Also habe ich nach den Ferien angefangen, Theaterwissenschaften zu studieren – und habe gleich eine Hauptrolle in einem Theaterstück bekommen. Den Sportlertraum hat dafür mein Sohn für mich verwirklicht, er ist Football-Profi geworden.

Steckbrief

Denzel Washington (geb. 1954) stammt aus Mount Vernon in der Nähe von New York. Sein Vater war Prediger. Er begann mit Theater, wechselte dann zum Film. 1989 erhielt er für die Rolle eines Soldaten im Film „Glory“ den ersten Oscar. Zum zweiten Mal gewann er die Trophäe 2002 für seine Hauptrolle in „Training Day“. Washington ist verheiratet und Vater von vier erwachsenen Kindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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