"Jeder kann korrupt werden": Ein neues Buch zeigt, wie es geht

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"Probier's doch mal mit Korruption" geben Roland Spitzlinger und Julia Draxler praktische Korruptionstipps- natürlich streng satirisch.

Am 13.Oktober 2014, vor genau einer Woche, wurde der ehemalige Innenminister Ernst Strasser vom Obersten Gerichtshof wegen Bestechlichkeit zu drei Jahren Haft verurteilt. Der 58-Jährige hatte als EU-Parlamentarier 100.000 Euro Honorar für die Einflussnahme auf EU-Richtlinien gefordert. Am selben Tag erschien in Österreich, Deutschland und der Schweiz ein Buch mit dem klingenden Titel „Probier's doch mal mit Korruption!“. Zufall?

„Reiner Zufall“, sagt Roland Spitzlinger, einer der Autoren des Buchs. Er und seine Kollegin Julia Draxler schildern darin auf ironische Weise die „Erfolgsgeheimnisse der Vettern, Freunderln und Amigos“ und geben Tipps für Anfänger. Denn, wie die Autoren im ersten Kapitel erklären: „Jeder kann korrupt werden und handeln.“

Der ehemalige Wirtschaftsforscher und heutige Philosophie-Doktorand Spitzlinger und Draxler, Kunstvermittlerin am Mumok, betreiben seit dem Vorjahr das Institut für angewandte Korruption, das Stadttouren durch Wien anbietet. Schauspieler führen dabei zu den Schauplätzen der Korruption und zeigen ihren Gästen, was sie von korrupten Persönlichkeiten lernen könnten – natürlich streng satirisch („Die Presse“ hat berichtet). „Schimpfen über Korruption tun eh die Medien. Ich bin draufgekommen, dass viele Leute solche Artikel gar nicht mehr lesen, weil sie sich denken: Da wird sich eh nix ändern“, sagt Spitzlinger. Er und Draxler drehten die Sache daher um: Anstatt Korruption anzuprangern, zeigen sie den Menschen, wie sie sich selbst bereichern können.

Wie man Schwarzgeld weiß wäscht

„Wir wollen eine ehrliche Auseinandersetzung mit Korruption“, sagt Draxler. Durch Ironie würden die Leute zum Nachdenken angeregt, wo Korruption beginnt und wie das System Korruption funktioniert. Da würden die Leute wieder zuhören, meint Spitzlinger, und mit einem Lachen fügt er hinzu: „Und tief im Inneren will man auch wissen, wie man zu 25.000 Euro Stundenlohn kommt.“

Wie das gehen soll, verspricht ihr neues Buch zu erklären. Auf über 300Seiten wird etwa erläutert, wie man Schwarzgeld weiß wäscht, wertvolle Kontakte knüpft und lästigen Ermittlern entgeht. Die Autoren geben auch Tipps für die eigene Karriereplanung, als Studium empfehlen sie etwa Jus und Wirtschaft („Das ist empirisch belegt die beste Kombination“). Außerdem raten sie dazu, sich auf eine Branche zu spezialisieren: auf die Rüstungs-, die Pharmaindustrie oder auf Fußball.

Anders als die Korruptionstouren bezieht sich das Buch nicht nur auf Fälle aus Österreich. Im Zuge der Recherchen begaben sich Draxler und Spitzlinger daher zum EU-Parlament, zur EU-Kommission und zum deutschen Bundestag. „Sie haben uns erklärt, was man aus ihrer Sicht machen müsste, um korrupt zu sein. Zwar sehr diplomatisch, aber es waren auch ein paar Geschichten dabei“, so Spitzlinger. Er betont, dass „Probier's doch mal mit Korruption!“ kein Aufdeckerbuch sei, über alle erwähnten Fälle sei schon berichtet worden, wie über 1000Quellenangaben belegen.

Interaktives Korruptionscoaching

Ob es Momente gibt, in denen sie selbst versucht sind, die ihnen anvertraute Macht zum privaten Vorteil zu missbrauchen (so die Definition von Korruption, wie sie von Transparency International formuliert wird)? „Wir haben überlegt“, so Spitzlinger, „die Firmen, die im Buch vorkommen, zu fragen, wie viel es ihnen wert wäre, nicht vorzukommen.“ Diese Firmen hätten dann etwa in einer Danksagung ins Buch finden können. „Wir haben es dann aber nicht gemacht.“

Auf der Frankfurter Buchmesse und in Berlin haben Spitzlinger und Draxler ihr Buch schon präsentiert, nun wollen sie das in Wien machen: im Rahmen eines Korruptionsseminars am 23.Oktober in den Räumen der K.u.K Hofzuckerbäckerei Demel. Die beiden versprechen ein interaktives Coaching, Raum für Networking und „ganz konkrete Tipps und Anwendungsfälle, um korrupt und erfolgreich zu werden“. Vorkenntnisse seien dabei übrigens keine nötig.

AUF EINEN BLICK

„Probier's doch mal mit Korruption!“ ist das erste Buch von Roland Spitzlinger und Julia Draxler vom Institut für angewandte Korruption. Auf über 300 Seiten zeigen sie anhand von Best-Practice-Beispielen, wie Korruption funktioniert. Praktische Tipps geben sie am 23.10. um 19Uhr bei einem Korruptionsseminar in der K.u.K Hofzuckerbäckerei Demel (Infos und Anmeldung unter korruptionsseminar.eventbrite.de). Öffentliche Korruptionstouren durch Wien soll es im Frühling wieder geben – geplant sind auch Touren auf Englisch und für Schulklassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2014)

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