Jessas, ein neuer Club sperrt auf

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Am Petersplatz zieht ein neuer Elektroclub ein. Cool sein kann man woanders, im Jessas wird der "Fortgeh-Kultus aufgebrochen".

Ein bisschen genervt waren die Schauspieler des Werk X schon. Jedenfalls empfangen sie Besucher, die dieser Tage durch ihre Proben trippeln, nicht mehr mit gehobenen Mundwinkeln. Wenn man die Entstehung von Wiens jüngstem Elektroclub aber besichtigen möchte, muss man an ihnen vorbei. Die Kellerräume am Petersplatz 1 werden seit 1874 kulturell genutzt, seit 2009 standen sie dem Off-Theater (früher Garage X und heute Werk X Eldorado) zur Verfügung, ab Freitag gibt es eine Neuerung. Während von Montag bis Mittwoch Theater gespielt wird, legen von Donnerstag bis Samstag DJs auf.

Idee und Konzept kommen vom deutschen Wiener David Kreytenberg, er hat bereits die mit viel Zulauf gesegneten Vereine Fox House und Feschmarkt mitbegründet. Unterstützung kam dieses Mal aus bekannten Richtungen: von dem Designer Sebastian Rahs (Hipster-Heuriger "Zum Gschupften Ferdl"), vom „Tanz durch den Tag“-Team oder dem Londoner Streetartkünstler David Shillinglaw. Letzterer sprayte in den Tagen vor der Eröffnung dem Raum die Dunkelheit weg. Seine Graffitis sind von Kinder-Brettspielen inspiriert. „Meine Bilder sollen die Leute glücklich machen“, erzählt er, während er an einer bunten Schlange hinter dem DJ-Pult arbeitet. Und damit passt er in Kreytenbergs Konzept. „Das Neue an uns ist, dass wir die typische Attitüde vermeiden und uns nicht ernst nehmen“, erzählt er auf der Baustelle. „Im Jessas wollen wir das Angstgefühl vermeiden, das man hat, wenn man in einen großen Club kommt. Hier muss man nicht entsprechen, hier soll man in Ruhe tanzen. Die Leute sind alle herzlich, von der Tür bis zu den DJs.“ Das fehle ihm in vielen Clubs in Wien, oft sei alles sehr kühl. „Deshalb arbeiten wir auch mit warmem Licht und albernen Bildern. Wir wollen den ernsten Fortgeh-Kultus aufbrechen.“

Die Musikauswahl von Raphael Lunak sei deshalb auch nicht linear und klar, sondern breite sich in viele elektronische Bereiche aus – und wenn ein DJ einmal eine Schlagernummer auflegt, auch gut. Das Booking ist jedenfalls bis Ende des Jahres fertig. „In erster Linie haben wir Freunde aus Hamburg, Berlin und Barcelona eingeladen, mit denen wir schon seit Jahren arbeiten. Denis & Lyonel zum Beispiel, die beiden können innerhalb von fünf Minuten anziehen und die Meute zum Tanzen bringen.“ Für den guten Klang ist Andi Dusatko verantwortlich, er hat auch die weit geschätzte Anlage des Flex gebaut. Was Booker Lunak bei all dem trotzdem vermeiden will, ist ein Hype wie bei „Tanz durch den Tag“, wo plötzlich die halbe Stadt antanzte. Im Jessas wolle er etwas mit Konstanz schaffen. Der Club soll sich langsam aufbauen. Dass sich für den Eröffnungstag 1700 Gäste für einen 400-Personen-Keller angekündigt haben, ist der Vision nicht ganz zuträglich. Kreytenberg hat für seine niveauvollen Sorgen eine Erklärung: „Wien ist in einigen Bereichen ziemlich ausgehungert und feiert Neuerungen zu schnell ab.“

Mit der benachbarten Peterskirche wolle sich der Clubchef natürlich nicht anlegen. Den Namen Jessas habe er deshalb gewählt, weil er das Wienerische gern mag, und weil es lustig klingt. Kreytenberg, der bis heute katholisch geblieben ist und seine Kirchensteuer zahlt, will das Thema Religion vielleicht auch ein bisschen öffnen. „Es ist naheliegend, dass wir in einer katholischen Welt ein- und ausgehen, trotzdem verbindet niemand Spaß mit Jesus. Ich weiß nicht, ob es den katholischen Priestern genehm ist, einmal tanzen zu gehen, auf jeden Fall lade ich sie dazu ein. Wenn man Gott überall findet, dann auch im Jessas.“

AUF EINEN BLICK

Jessas startet am 31.10. sein Programm. Von da an wird in den Kellerräumen des Werk X am Petersplatz 1 von Donnerstag bis Samstag getanzt und gefeiert. Die Clubleitung hat Feschmarkt-Gründer David Kreytenberg inne. Unter dem Dependance-Namen Eldorado stellt man die Bühne von Montag bis Mittwoch weiterhin der freien Theaterszene zur Verfügung. Im November steht zum Beispiel „Das Maß der Dinge“ von Neil LaBute am Spielplan. Eine der ersten Veranstaltungen (15.11.) des Jessas ist dem Abschied des Morisson Club gewidmet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)

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