Der schnellste Eisbär der Welt

Der schnellste Eisbär der Welt
Der schnellste Eisbär der WeltFacebook/ Norbert Zeppitz
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Der Kärntner Marathonläufer Norbert Zeppitz läuft durch Eislandschaften und Wüsten. Je exotischer die Strecke, desto besser. Der 31-Jährige sucht den Kick – Medaillen sind ihm egal.

Norbert Zeppitz ist der schnellste Eisbär der Welt. Präziser: der schnellste Halbmarathonläufer in einem Eisbärenkostüm. Eine Stunde, 34 Minuten, das hat dem Kärntner noch keiner nachgemacht, das brachte ihm auch einen Eintrag im „Guinnessbuch der Rekorde“. Im August 2013, bei immerhin 27 Grad Celsius, zwängte sich der Informatiker in das Eisbärenfell und hoppelte darin um den Wörthersee.

Ein halbes Jahr lang dominierte Zeppitz die Kategorie „schnellster Marathonläufer in einem Tierkostüm“. Dann wurde der Rekord allerdings auch schon wieder gebrochen, von einem Tiger in London. Kein Kunststück, findet Zeppitz: „Der Tiger musste nicht gegen die Hitze kämpfen.“ So oder so: Als schnellster Eisbär bleibt Zeppitz ungeschlagen. Das ist der bisher einzige Titel des Sportlers, der schräge Marathonläufe sammelt wie andere Briefmarken. Medaillen hält er für nebensächlich. Für ihn zählt der Kick, nicht das Siegen.

Zeppitz hat unter anderem die chinesische Mauer belaufen. Er hat sich tagelang durch die nepalesische Wildnis geschlagen, für einen Marathon am Mount Everest. Gerade hat der 31-Jährige einen Gewaltlauf durch Grönland absolviert; bei minus zehn Grad joggte er durch die Gletscherlandschaft. Im Februar geht es in die algerische Wüste. Das Erleben des Eises und der Wildnis – genau diese Extreme sind es, die Zeppitz besonders reizen: „Einfach loslaufen“, sagt er, „an Orten, die ich sonst nie im Leben besuchen würde.“

„Bessere gibt es immer.“ Das Treffen mit dem vielleicht lustigsten Langstreckenläufer Österreichs findet in Moosburg statt, einer 4500-Einwohner-Gemeinde nahe Klagenfurt. Ein Halbmarathon. Er ist gerade ins Ziel eingelaufen – als Vierter. Enttäuschung? Keine Spur. „Ich habe hundert Prozent gegeben und bin meine persönliche Bestzeit gelaufen“, sagt er und wischt sich dabei den Schweiß von der Stirn. „Es wird immer welche geben, die besser sind.“

Zeppitz ist ein hagerer, groß gewachsener Athlet, der ununterbrochen lacht. „Für einen Profisportler fehlt mir die Verbissenheit und das Talent“, sagt der 31-Jährige ohne Wehmut. Das sei gut so, das nehme den Leistungsdruck. Lieber genießt der Softwareentwickler die Aussicht. Als er etwa durch China joggte, durch winzige Dörfer, winkte er den Kindern am Straßenrand zu, die ihn in einer für ihn unverständlichen Sprache anfeuerten.

Vor ein paar Jahren hätte er sich das kaum träumen lassen. Da studierte Zeppitz an der Uni Klagenfurt, spielte gelegentlich Tuba in einer Blasmusik-Combo und ließ das Leben ganz generell locker angehen. Der Student Zeppitz brachte 15 Kilo mehr auf die Waage, er stopfte Leberkäsesemmeln in sich hinein, abends stemmte er mit Kommilitonen Bier oder setzte sich vor den Fernseher auf die Couch. „Immer schön potschasn“, wie es in Kärnten heißt. Bloß keinen Stress. „Ich bin nicht so der Karrieretyp“, sagt er. 60Stunden die Woche arbeiten, nur um sich ein Haus und ein schönes Auto kaufen zu können? „Wozu?“, fragt er.

Nach der Uni heuerte er bei einem Softwareunternehmen an. Kein übler Job, meint er, nette Kollegen, viel Freizeit. Bloß, dass ihm nach einigen Monaten heftige Rückenschmerzen zu schaffen machten. Das viele Sitzen, erzählt er, habe ihm nicht gutgetan. Die Beschwerden wurden schlimmer, nach einem Jahr habe er es kaum noch ausgehalten. „Ich konnte nur jede zweite Nacht schlafen.“ Um der Gesundheit willen habe er sich dann dazu durchgerungen, ein wenig Sport zu betreiben. „A bissale lafn“ wollte er.

So begann er zu joggen. „Nach einer halben Stunde dachte ich, ich muss sterben“, sagt er heute. Da packte ihn ein bis dahin ungekannter Ehrgeiz, die eigenen Grenzen zu überwinden. Zeppitz machte ernst, er steigerte sein Niveau. „Irgendwann“, sagt er, „erreicht man beim Laufen den Punkt, an dem die Qual aufhört und die Leichtigkeit beginnt.“ Wer diese rote Linie überschritten habe, könne sich ein Leben ohne Laufen nicht mehr vorstellen. Zeppitz qualifizierte sich für seine ersten Halbmarathonläufe, nach einigen Jahren schaffte er die vollen 42,2 Kilometer und hielt Ausschau nach neuen Herausforderungen. Im Internet wurde er fündig. „Es gibt eine kleine Facebook-Community von Leuten, die an besonders ausgefallenen Orten Marathon laufen“, erzählt er.

50 Kilometer zu Fuß durch Nepal. Etwa am Mount Everest. Zehn Tage dauerte der Aufstieg bis zum Basecamp, 50 Kilometer zu Fuß durch Nepal. Die mühsame Anreise sei notwendig gewesen, sagt Zeppitz: „Nur so kann sich der Körper langsam an die extreme Höhe gewöhnen.“ Als er die Laufstrecke schließlich erreichte, sei er bereits fix und fertig gewesen. „Normalerweise beginnen die Probleme erst beim Marathon. In diesem Fall lag die größte Herausforderung darin, überhaupt an den Start zu kommen.“

Auch in Nepal war eine Medaille für Zeppitz außer Reichweite. Dafür hat er etwas anderes mitgenommen: „Wenn ich einmal alt bin, kann ich Geschichten erzählen, von denen andere nur träumen.“ Dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob ihm bis dahin womöglich jemand den Titel des schnellsten Eisbären der Welt abgeluchst hat.

Steckbrief

Norbert Zeppitz (31) ist Softwareentwickler und Läufer. Der Kärntner fährt zu Marathons an besonders ausgefallenen Orten. Rund 20 Extrem-Marathonstrecken gibt es – und weltweit eine Gruppe von Athleten, die sich regelmäßig am Mount Everest, in Grönland oder in der Sahara zum Laufen trifft. Zeppitz träumt davon, einmal einen Marathon am Nordpol zu laufen. Durch die extremen Wetterbedingungen sind diese Läufe besonders herausfordernd.

Eine Marathonstrecke ist 42,19 Kilometer lang. Der menschliche Körper ist für Läufe bis maximal 30 Kilometer ausgelegt, danach überschreiten die Athleten die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Der offizielle Weltrekord liegt derzeit bei knapp zwei Stunden und drei Minuten Laufzeit (Männer) bzw. 2:15 Stunden (Frauen).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2014)

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