Christopher Hampton: Wienerwald und Hollywood

INTERVIEW: AUTOR CHRISTOPHER HAMPTON
INTERVIEW: AUTOR CHRISTOPHER HAMPTON(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Oscarpreisträger Christopher Hampton inszeniert in Wien seine „Dunkle Begierde“. Und spricht über Freud, Horvath, Kehlmann und Scarlett Johansson.

Der Rote Salon im Theater in der Josefstadt. Die Pressedame bietet Kaffee. Christopher Hampton fragt, ob er auch Tee haben könne. „Schwarz?“ fragt sie und meint die Teesorte. „Mit Milch“, sagt Hampton.

Schöner könnte ein Interview wohl kaum beginnen, in dem es (auch) darum gehen soll, was Hampton, den britischen Dramatiker und Drehbuchschreiber, mit Österreich verbindet. Die Kaffeekultur ist es offenbar eher nicht. An der Josefstadt sei er das erste Mal gewesen, erinnert sich Hampton, als man hier seine „Dangerous Liaisons“ gab, seine „Gefährlichen Liebschaften“ – jenes Stück, für dessen Filmversion er 1989 den Oscar gewann. „Herbert Föttinger hat mitgespielt, wir haben über dieses und jenes gesprochen, und am Ende bin ich wiedergekommen, um selbst ,Jugend ohne Gott‘ zu dramatisieren.“

Mit Ödön von Horvath hat der Brite, der in Oxford Französisch und Deutsch studiert hat, wiederum eine lange gemeinsame Geschichte. „1976 habe ich für das neue National Theatre in London die ,Geschichten aus dem Wienerwald‘ übersetzt. Maximilian Schell hat Regie geführt.“ 1979 machten die beiden daraus einen Film: Mit Qualtinger als Zauberkönig, André Heller als Hierlinger. „Ich glaube, das war meine erste Reise nach Wien.“

Ungefähr zur selben Zeit schrieb er mit dem ausgewanderten Regisseur Fred Zinnemann auch einen Film über die Lienzer Kosakentragödie. Nastassja Kinski und Robert de Niro waren schon gecastet, das ganze Team in Lienz, als 20th Century Fox einen neuen Chef bekam. „Er wollte den Film nicht und hat uns alle heimgeschickt“, so Hampton. „Eine frühe Lektion über Hollywood.“

Hollywoods seltsames Sozialleben

Es sollten weitere folgen. Hat er je dort gelebt? „Ungefähr acht Wochen lang. Wir haben ein wunderschönes Haus am Mulholland Drive gemietet, ich habe meine Kinder in die Schule gegeben – aber ich mochte es nicht. Keiner von uns mochte es wirklich.“ Was ist es, das ihn stört? „Ich glaube“, sagt Hampton, „die Unaufrichtigkeit. Man kann dort kein schlechtes Meeting haben. Sie finden alles großartig – und danach hört man nie wieder von ihnen.“ Außerdem gehe es nur ums Geschäft: „Jeder geht um zehn ins Bett. Es gibt kein Sozialleben – oder nur ein sehr eigenartiges: Entweder rufen einen die Leute in letzter Minute an, weil sie eine bessere Einladung haben. Oder sie fragen, ob sie zwei Schauspieler mitbringen können. So sitzt man beim Abendessen entweder allein oder mit doppelt so vielen Leuten, wie man erwartet hat.“

Film liebt Hampton dennoch, von seiner Kindheit in Alexandria an. „Mein Vater hat mich zwei-, dreimal pro Woche ins Kino mitgenommen.“ Mit acht sah er „Jenseits von Eden“. „Ich habe ihn nicht wirklich verstanden, aber war unglaublich beeindruckt.“ Dass seine Karriere beim Theater begann, ist der damals fehlenden britischen Filmindustrie zuzuschreiben. Mit 18 schrieb er sein erstes Stück. „Ich hatte einen Roman geschrieben, den aber keiner wollte. Also habe ich es mit einem Drama versucht.“ Es landete am Royal Court Theatre, später im West End. „Ich bin der jüngste Autor, der im West End aufgeführt wurde. Seltsam.“ Irgendwann wird er noch einmal einen Roman versuchen. „Aber noch hatte ich nicht das Bedürfnis.“

Den umgekehrten Weg, vom Roman zum Drama, hat Daniel Kehlmann beschritten, der nun Hamptons „Dunkle Begierde“ ins Deutsche übersetzt hat. Die beiden kennen sich, seit Hampton Kehlmanns „Geister von Princeton“ in Salzburg inszeniert hat. Hampton hält viel von ihm. „Die meisten Romanautoren können keine Stücke schreiben. Ich glaube, Theater ist die technisch anspruchsvollste literarische Form, mit Merkmalen, die Romanautoren nicht brauchen.“

Er selbst denkt lange nach, bevor er zu schreiben beginnt. Danach müsse es schnell gehen, „und es fällt mir immer noch schwer.“ „The Talking Cure“, so der englische Titel der „Dunklen Begierde“, schrieb er innerhalb von zehn Tagen in Paris. „Danach bin ich buchstäblich zusammengebrochen. Ich lag zwei oder drei Tage im Bett.“ Typisch für Hampton hat das Stück eine lange Geschichte. Ursprünglich hatte Julia Roberts' Filmfirma den Stoff um Freud und Jung in Auftrag gegeben. Daraus wurde nichts, stattdessen machte er daraus ein Theaterstück. Das wiederum las David Cronenberg, der Film kam 2011 mit Michael Fassbender, Keira Knightley und Viggo Mortensen ins Kino. Nun, für die Wiener Bühnenversion hat er wieder einiges umgeschrieben, Freud kommt stärker vor. Seit Jahren beschäftigen Hampton nun diese Anfänge der Psychoanalyse. „Ich kenne Autoren, die sich selbst einer Analyse unterziehen, manche finden es nützlich. Aber ich wollte nie eine machen. Womöglich würde mich das heilen – das wäre mein Ende.“

So bleibt er lieber produktiv. Cronenberg will wieder mit ihm arbeiten, über Sartre und Camus. Die BBC plant eine Serie basierend auf den „Gefährlichen Liebschaften“. Und Sony hat, auf der Suche nach TV-Material, ein 20 Jahre altes Drehbuch von ihm aufgegriffen, das der Firma ohnehin gehört. Dabei soll ein Edith-Wharton-Roman zur Serie werden. Weil die Filmbürokratie wieder einmal langsam war, gab er es direkt Scarlett Johansson. „Sie hat es schnell gelesen und sagte Ja.“

ZUR PERSON

Christopher Hampton (geb. 1946) erhielt 1989 für „Gefährliche Liebschaften“ den Oscar; sein Drehbuch für „Abbitte“ wurde dafür nominiert. Seinen Jung/Freud-Film „Eine dunkle Begierde“ hat er nun für die Josefstadt adaptiert, er führt selbst Regie. Premiere ist morgen, Donnerstag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.