Tanzcafé Arlberg: Kampf den Hüttenschlagern

Heuck/ Junker
Heuck/ Junker(C) Lech-Zürs-Tourismus
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Tanzcafé Arlberg, das hochwertige, alpine Jazz-, Soul- und Popfestival, präsentierte seine stilvolle erste CD in Lechs Nobelherberge Aurelio.

Wonnevoll träumt sich heute noch so mancher Hotelier in jene Zeiten zurück, als noch mit ledernen Skischuhen zu Tal gerast wurde. Der Vorteil? Mit ihnen konnten bei den Tanztees ohne Umziehpause gewagte Schrittkombinationen gezeigt werden, die vielleicht risikoreicher waren als die eben absolvierte Abfahrt. Das war gerade in der Region Lech-Zürs essenziell, weil hier schon seit den Dreißigern Werte wie Stil und Eleganz hochgehalten wurden. Kein Ort zählte damals so viele American Bars wie dieses mondäne Dorado, in dem heute noch ein Luxusautohaus seine Karossen auf 1444 Quadratmetern anbietet.

Ab den Fünfzigerjahren wurde Skilauf zum Massenphänomen, was die Qualität der Unterhaltung in den Wintersportorten eindeutig nach unten nivellierte. Schlager mit Technobeats werden heute als unvermeidliche, ja geradezu natürliche Begleiterscheinung des Skisports angesehen. Umso schöner ist nun, dass sich eine Gegenbewegung formiert. Unter dem hübsch nostalgischen Signet Tanzcafé Arlberg kuratieren Andrea Junker und Frank Heuck, beide ursprünglich aus Deutschlands hohem Norden, seit zwei Jahren ein hochkarätiges Festival, das Jazz, Soul, Pop und Wienerlied einer alpinen Luftkur unterzieht.

Beschwören des einstigen Stils

Die ursprüngliche Idee eines Heraufbeschwörens der beim Après-Ski verlorenen Stilsicherheit stammt vom Tourismusdirektor Hermann Fercher, die Ausführung oblag den beiden Nordlichtern. Zwei Wochen lang findet Tanzcafé Arlberg an unterschiedlichsten Locations statt. Man kann hier beim Sonnenskilauf Ende März, Anfang April Acts auf kleinen Bühnen bestaunen, die sonst oft nur in großen Hallen zu sehen sind. Da das Schöne so vergänglich ist, haben Junker und Heuck nun ihre erste, feine CD-Kompilation vorgelegt. Deren Anmutung ist zart groovend, fein perlend. „Es soll niemandem beim Essen die Erbse von der Gabel rollen“, erklärt Junker das ehrbare Ziel der relaxten CD-Dramaturgie.

Vorgestellt wurde das Album stilgerecht in der Nobelherberge Aurelio. Die 5/8erl in Ehr'n gaben mutig ein Freiluftkonzert, Lia Pale und Joja Wendt spielten dann munter indoor auf, zunächst getrennt, dann zusammen. Die Jamsession ist beiden Kuratoren nämlich wichtig. Um diese Gelegenheiten zu fördern, lädt man die Künstler gleich für ein paar Tage ein.

Reichlich Erfahrung im Umgang mit der sensitiven Spezies haben beide gesammelt. Heuck, der in Hamburg Jus studiert hatte, beriet Reeperbahn-Institutionen wie das Schmidt's Tivoli. Er führte die Goldene13, eine Bar am Kiez, und begann, amerikanische Acts zwischen Jazz und Chanson sowie Dragartists einzuladen. Andrea Junker war schon mit 16 Jahren DJ. Sie machte alles mit: Soul und Disco, Punk und Techno. Später arbeitete sie bei Plattenlabels und produzierte ein Format für Viva TV. Die alten Freundschaften kommen den beiden heute bei ihrer Arbeit für Tanzcafé Arlberg zugute. Während Junker mittlerweile (sie lebt seit sechs Jahren in Wien) ein Sensorium für die komplizierte hiesige Künstlerseele entwickelt hat, punktet Heuck mit tiefenpsychologischen Kenntnissen kühlerer Charaktere. Mit viel Charme verführen die beiden die Musiker zu Jamsessions wie jener bei der Albumpräsentation im Aurelio.

Die schon beim Zuschauen im nach Edelhölzern duftenden Saal verhaltensauffällig gewordenen 5/8erln gesellten sich bald höchst vital zu den Pianisten Mathias Rüegg und Joja Wendt, dem Saxofonisten Fabian Rucker, der Sängerin Lia Pale und der wild trommelnden Rhythmusfrau Ingrid Oberkanins. Es war genau jener temperamentvolle Abschluss, wie ihn sich die Flachländler Junker und Heuck auch für ihre Festivaltage wünschen. Bleibt nur ein Schönheitsfehler: Während Junker durchaus dynamisch die Vertikale auf Brettern bewältigt, verschanzt sich Heuck am liebsten in den Lecher Wellnesszonen. Da sich das Tanzcafé Arlberg aber so gut etabliert hat, gibt es Bestrebungen von offizieller Seite, diesen Missstand zu beheben. Heuck wäre nicht der Erste, der zum weißen Glück gezwungen werden muss.

AUF EINEN BLICK

Andrea Junker und Frank Heuck organisieren seit zwei Jahren das Festival Tanzcafé Arlberg. Die erste CD „Tanzcafé Arlberg Vol.1“ (mit Gregory Porter, Diana Krall, Lia Pale, Till Brönner u.a.) wurde soeben präsentiert (EmArcy/Universal). Das Festival findet das nächste Mal von 28. März bis 12.April 2015 statt (u.a. mit 5/8erl in Ehr'n, DelaDap, Alice Francis, Roos Jonker und Diwa). www.lech-zuers.at/veranstaltungen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2014)

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