Mein Haus ist dein Haus: Was ist Gastfreundschaft?

Ein leeres Zimmer wartet auf einen Gast
Ein leeres Zimmer wartet auf einen Gast(c) Clemens Fabry
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Wer einen Gast bewirtet und beherbergt, macht das vordergründig oft selbstlos. Er schafft damit aber auch einen sozialen Kitt.

„Fühl dich wie zu Hause.“ Dieser Satz löst die Rollen von Gast und Gastgeber fast schon auf. Und nur selten wird er so konsequent gelebt, dass Besucher sich in einer fremden Umgebung tatsächlich so bewegen, als wären sie hier daheim. Doch er fasst so etwas wie das Idealbild zusammen, auf das Gastfreundschaft hinausläuft. Es ermöglicht jemandem, auf auswärtigem Territorium frei zu leben und dabei alle Annehmlichkeiten zu haben, die auch der eigentliche Bewohner hat. So umfassend wird der Begriff der Gastfreundschaft heute jedoch kaum gesehen. Im Zentrum steht meist eine vorübergehende Aufnahme, Bewirtung, vielleicht auch noch Beherbergung.

Ein Unterschied besteht dabei schon darin, wem diese Gastfreundschaft nun erwiesen wird. Handelt es sich um ein Mitglied der eigenen Gruppe – um einen Freund? Oder geht es darum, Fremden die Gastfreundschaft zu erweisen? Gerade bei letzterer Gruppe ist die Überwindung eine größere, weil eine Beziehung erst hergestellt werden muss, man nicht weiß, wo man das Gegenüber einordnen kann. Gerade in religiösen Traditionen wird der Wert genau dieser Gastfreundschaft besonders betont. „Wenn ein Fremdling bei dir in eurem Lande wohnen wird, den sollt ihr nicht schinden“, heißt es schon im Alten Testament.

Gastfreundschaft dient hier quasi als sozialer Kitt, der zwischen verschiedenen Gruppen eine Art Vertrauen herstellt. Oder wie Friedrich Nietzsche es formuliert: „Der Sinn in den Gebräuchen der Gastfreundschaft ist: das Feindliche im Fremden zu lähmen.“ Der Gedanke, einen fremden Gast zu beherbergen, mag selbstlos klingen. Doch in einem größeren Zusammenhang dient er auch dazu, das soziale Gefüge zu erhalten. Und durch das eigene Verhalten zu garantieren, dass man selbst auch derart behandelt wird, sollten die Rollen einmal getauscht werden. Die Gedanken von Großzügigkeit, Wohltätigkeit und Nächstenliebe finden sich in der Gastfreundschaft wieder.

Die Einladung von Freunden zum Essen. Das Überlassen eines Bettes für eine Nacht oder vielleicht auch für mehrere. Es sind Situationen wie diese, bei denen wir Gastfreundschaft im Alltag häufig begegnen. Die aus Gründen der Höflichkeit oft auch mit Gegeneinladungen verbunden sind, wenn sie auch nicht zwangsläufig auf Gegenseitigkeit beruhen müssen. Es geht um eine Herzlichkeit, die in der Regel nicht darauf bedacht ist, einen Vorteil aus der Situation zu ziehen. Eine Gegenleistung gibt es höchstens abstrakt – durch die Möglichkeit, vielleicht einmal im Gegenzug dieselbe Gastfreundschaft zu erfahren. Oder auf einer symbolischen Ebene in Form eines Gastgeschenks. Aus der Sicht des Einladenden ist die Gastfreundschaft in diesem Moment aber jedenfalls selbstlos.


Kommerzialisierte Gastlichkeit. Doch wird der Begriff der Gastfreundschaft auch gern gebraucht, wenn sehr wohl ein Nutzen für den Gastgeber damit verbunden ist. Vor allem im Tourismus wird gern damit geworben, welche große Rolle Gastfreundschaft in einem Land, einer Region oder einem konkreten Betrieb spielt. Das Ziel ist das gleiche: Der Gast soll sich wohlfühlen. Nur wird dafür eine konkrete Gegenleistung in Form von Bezahlung verlangt. Insofern bietet sich in diesem Zusammenhang an, eher von einer kommerzialisierten Gastlichkeit zu sprechen. Der Effekt für den Gast sollte aber der gleiche sein: Er soll sich eben wohlfühlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2014)

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