Ridley Scott: "Informatives Kino ist das beste"

Director Ridley Scott  poses during a photocall for his film 'Exodus: Gods and Kings' in Paris
Director Ridley Scott poses during a photocall for his film 'Exodus: Gods and Kings' in ParisREUTERS
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Mit "Exodus" hat Regisseur Ridley Scott Moses' Auszug aus Ägypten um 140 Millionen Dollar neu verfilmt. Ein Interview über Filmen mit 77 Jahren und seinen erzieherischen Anspruch.

Besitzen Sie eigentlich eine Bibel?

Ridley Scott: Ja, ich bekam sie von meiner Tante Nora, als ich 13 war. Ich habe allerdings kaum darin gelesen, weil ich Ministrant war und da schon genug von der frohen Botschaft abbekam. Eigentlich habe ich mich viel mehr für Tennis interessiert. Aber ich bewahre die Bibel mit anderen Erinnerungsstücken in meinem Londoner Büro auf.

Eigentlich sind Sie ja Atheist, wie Sie einmal in einem Interview gesagt haben...

Habe ich das wirklich getan? Wenn ja, dann habe ich wahrscheinlich Scherze gemacht. Ich bin eher Agnostiker. Aber Religionen sind ein wichtiges Phänomen, selbst wenn sie unzählige Menschen ins Verderben gestürzt haben. Sie haben alle eine Obsession für die Frage nach dem Leben nach dem Tod. Wenn jemand sagt, er würde sich dafür nicht interessieren, dann lügt er nur, weil er Angst hat. Religion hilft, über das Thema nachzudenken und damit klarzukommen. Wenn es ein Leben nach dem Tod geben sollte, dann kommen die nächsten Fragen: Wie würde das aussehen? Läuft hier ein evolutionärer Prozess ab? Wird derjenige, der sich schlecht benimmt, im nächsten Leben eine Kakerlake? Oder wird ein Hund zum Menschen, denn Hunde sind die einfühlsamsten Wesen auf Erden?

Ist das ein Grund für die neue Welle an Bibelfilmen? Vor „Exodus“ gab es „Noah“, jetzt kommt ein Remake von „Ben Hur“.

Wollen Sie wissen, was ich ehrlich denke? Das liegt an einem Film namens „Gladiator“. Er hat die Standards für den Sandalenfilm komplett neu definiert. Seither sagt sich die Branche: „Das kann wirklich Erfolg haben.“ Und warum hatte es Erfolg? Weil ich Dinge, über die man sich 30, 40 Jahre lustig gemacht hat, authentisch umgesetzt habe, sodass sie, um ein furchtbares Wort zu benutzen, „cool“ wurden. Vorher war das alles so theatralisch, aber bei „Gladiator“ haben wir es richtig hinbekommen.

Ist Ihnen das auch bei „Exodus“ geglückt?

Ich habe jedenfalls Moses und Ramses sehr real zu gestalten versucht, zumal Letzterer wirklich existiert hat. In puncto Moses sind keine Belege erhalten, die einen Aufschluss über seine reale Person ermöglichen und ob er wirklich existiert hat. Aber urteilen Sie selbst, ob wir ihn real genug gemacht haben, damit ihn der Zuschauer akzeptiert.

Sie nehmen sich allerdings nicht so viel Zeit wie der alte „Zehn Gebote“-Film mit Charlton Heston, der fast vier Stunden dauert.

Es hätte genügend Material für zehn Stunden gegeben. Aber ein Film von zweieinhalb Stunden ist in der heutigen Kinolandschaft als Herausforderung schon groß genug. Die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer ist doch nicht länger als 45 Sekunden. Ich glaube, dass wir die richtige Länge haben, mit der wir auch einige Erkenntnisse vermitteln können. Ich will nicht einfach nur zeigen, wie jemand mit einem Breitschwert enthauptet wird. Informatives Kino ist das beste überhaupt.

Sie bereiten diese Themen immer in extrem großem Maßstab auf. Könnten Sie sich auch weniger aufwendige Filme vorstellen?

Ich habe sie auch gedreht. Aber heute, da die Leute Filme auf ihrem Großbildschirm sehen können, musst man ihnen einen Grund geben, ins Kino zu gehen. Das gelingt nur mit dem entsprechenden Aufwand. Und ich genieße das auch. Für mich ist das eine Gelegenheit, auf Entdeckungsreise zu gehen. Es ist großartig, wenn du sagen kannst: „Wäre es nicht möglich, einen ägyptischen Tempel zu bauen? Ja, es ist möglich!“ Ich liebe es, Gebäude zu designen. Wenn ich nicht Regisseur wäre, würde ich am liebsten Architekt sein. Gleichzeitig erfülle ich erzieherische Zwecke, denn die Zuschauer erfahren so, wie das Leben damals ausgesehen hat.

Wird Ihnen der Stress solcher Produktionen mit 77 Jahren nicht langsam zu viel?

Ich empfinde das nicht als Stress. Wenn du Tausende von Leuten hast, die dich jeden Tag anstarren und auf deine Entscheidungen warten, musst du absolut konzentriert sein. Auf diese Weise habe ich meine eigene Zen-Haltung entwickelt. Ich bin nie so ruhig wie beim Arbeiten.

Was machen Sie, wenn Sie sich nicht mit 140-Millionen-Dollar-Budgets austoben?

Dann male ich. Ich war auf der Kunsthochschule, und vor fünf, sechs Jahren habe ich wieder damit angefangen – mit großen Leinwänden.

Und wenn Sie nicht mehr drehen könnten?

Gott bewahre. Daran verschwende ich am liebsten gar keinen Gedanken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2014)

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