Moretti als Vampir: "400 Jahre Ehe sind ein Gräuel"

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Tobias Moretti liegt derzeit als lebensmüder Vampir bei Freud auf der Couch. Und spricht über Möchtegern-Untote und seine Liebe zur Vergänglichkeit.

Die Presse: Haben Sie sich schnell als Vampir vor Ihrem geistigen Auge gesehen?

Tobias Moretti: Nicht wirklich, aber ich fand einfach die Geschichte kurios. Dass ein Untoter Depressionen von seiner Unsterblichkeit kriegt, zu Freud geht und sagt: Ich kann nicht mehr, 400 Jahre Ehe sind mir ein Gräuel. Das empfand ich als lustige Metapher für eine Gesellschaft wie unsre, die eigentlich aus lauter Möchtegern-Untoten besteht. Da will niemand sterben, will alles in kleinbürgerlicher Perspektive behalten, alles, was er geschaffen hat an Wichtigem und wahrscheinlich auch Unwichtigem. Dieser Vampir hier ist das Gegenteil, er sagt: Die Unendlichkeit ist fad, ich will endlich sterben, ich habe genug von dieser Welt. Auch wie mit den Klischees des Horrorfilms und der Psychoanalyse gespielt wird, nämlich mit einer gewissen Leichtigkeit, das hat David Ruehm sehr komisch erzählt. Kameramann Martin Gschlacht hat es dann auch visuell so wunderbar abstrakt und poetisch umgesetzt.


Es war wohl auch ein Experiment.

Ja, ich hab zwar schnell das Gefühl gehabt, dass die Figur funktioniert. Aber wie das Gesamte wird, wusste ich nicht. Mit Jeanette Hain (sie spielt Morettis Frau, Anm.) waren wir gleich in so einem Pingpong der spielerischen Auseinandersetzung, in so einer gewissen Arbeitshöhe.


Es hat Ihnen offenbar Spaß gemacht, Vampir zu sein.

Sehr, sehr. Er ist so arm, so ein komisch-verzweifeltes Opfer von sich und seiner Spezies.


Haben Sie je Vampirfilme gesehen?

Mein Lieblingsvampir war der in einem Film von Werner Herzog, ich glaub in den Siebzigerjahren. Vor Vampirfilmen, überhaupt Horrorfilmen, hab ich mich nie gefürchtet. Sie haben mich eher zum Lachen bewegt. Ich habe erst jetzt so ganz durchschaut, wie kalkuliert das Genre mit der Abstraktion spielt, alles ist Metapher. Wenn man diese Filme ernst nehmen würde, wären sie ganz schrecklich, einfach nur stumpfsinnig und blöde, und mit den heutigen Mitteln erzählt nicht ungefährlich. Gefürchtet habe ich mich immer vor Filmen wie „Cape Fear“, davon gab's eine Urversion („Ein Köder für die Bestie“, Anm.). Da war ich elf und hab dann eine Woche nicht mehr geschlafen.


Kriegen Sie mit, was Ihre Kinder sehen?

Das ist heute schwer. Eigentlich kriegst du gar nix mit. Das ist eine völlig andere Welt momentan, in der die umgehen. Kinder, noch ganz fragil – aber ganz woanders als man selbst. Und zwar jenseits der Fantasie, und das ist eine unglaublich große Spannung und Diskrepanz.


Zurück zu den Vampiren. Packt Sie selbst manchmal Panik ob der menschlichen Vergänglichkeit?

Im Gegenteil. Deshalb lässt mich das Theater nicht los. Das ist der Ort der Vergänglichkeit, der Unwiederbringlichkeit. Und daran wächst man, und daran verrunzelt man auch langsam. Es ist das Gegenteil dieser heutigen Welt der Scheintoten, der ewigen Jugend nachhängend, die sich letztlich in ihrem ganzen Dasein nur immer wieder selbst zitiert. Die nehmen eine Frau, die gleich ausschaut wie ihre alte vor 30 Jahren. Ein erbärmliches Dasein eigentlich.


Der Film spielt auch mit Zitaten, haben Sie diese erkannt?

Er ist eine cineastische Rückkoppelung des Genres, aber ohne Überfrachtung. Und deshalb ist er wahrscheinlich auch für Insider lustig. Die Szenen haben eine feinsinnige Ironie und einen irgendwie liebevollen Sarkasmus, keinen Zynismus. Jeder erkennt das, was er erkennt.


Haben Sie sich selbst je mit Psychoanalyse beschäftigt?

Kaum. Aber natürlich forsche ich gern, auch in mir. Es macht mir Freude, mit Psychologen zu reden und sie in die Verirrung zu führen. Manchmal verirre ich mich dann selbst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2014)

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