Verjüngungskur, gärtnerisch betrachtet

(c) FABRY Clemens
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Das Einkochen und Konservieren hat im Sommer Hochsaison, doch auch die Nebensaison Winter kann genutzt werden, insbesondere, wenn man sich von einem echten Profi erklären lässt, wie es funktioniert.

Bei der Nachbarin geht es derzeit wie in der Hexenküche zu. Es brodelt und dampft in den Kesseln, und allerlei Töpfe und Gläser stehen schon gefüllt oder bereit zum Befülltwerden in fröhlichen Reihen herum. Die Nachbarin betreibt ab sofort Resteverwertung auf höchstem Niveau. Sie hat die Welt der Chutneys und Pickles entdeckt. Keine Karotte, die da künftig im Kühlschrank verschrumpelt, keine Zwiebel, die auswächst. Kein überschüssiger Zucchino, der in der Gemüselade über Wochen in sich zusammensinkt und schließlich mit spitzem Finger aus dem eigenen Saft gehoben und verworfen wird.

Das hat zwei Gründe. Erstens, und das ist der wesentlichere, hat sie ein Buch geschenkt bekommen, in dem sehr anschaulich und originell erklärt wird, wie man das alles mit der Gemüseverwertung macht. Zweitens, müssen wir hier vorübergehend ohne die besten aller Restekonsumenten auskommen: Die altersschwach gewordenen Hühner sind nicht mehr, und die neuen kommen erst im März.

Küchenabfälle für Eierproduktion

In den vergangenen zwölf Jahren gab es hier nie eine Phase ohne Hühner – ein ganz ungewohnter Zustand. Auch wegen der nun schmerzlich vermissten Bioeier, v.a. aber wegen der Resteverwertung. Die Hühner verwandeln gewöhnlich allen Küchenabfall in Eier. Wer Hühner hält, schmeißt nichts weg, sondern füttert die Eierproduzentinnen mit jeder nicht aufgegessenen Nudel, mit jedem überschüssigen Salatblatt.

Da aber Hühner unter anderem gut bewachsene Grasflächen benötigen, um gesund zu bleiben, macht das Hühnerareal ausnahmsweise Pause. Der Winter ist zu mild, der Boden ist nicht gefroren. Die Hühner würden das weiche, feuchte Grasland völlig niederscharren und in grasfreien Morast verwandeln. Also wird das neue Hühnervolk erst dann eingemeindet, wenn der Wiesenteppich wieder dicht ist.

Das vorhin erwähnte Buch, geschrieben von der in vielerlei Hinsicht beachtenswerten britischen Gartenhexe und „The Guardian“-Kolumnistin Alys Fowler, trägt den Titel „Aly's Erntezeit“ und ist eigentlich für die Hauptsaison gedacht. Doch die Nachbarin hat völlig recht, wenn sie sagt, dass es auch jetzt in der Nebensaison wertvolle Dienste leistet, eben für jenes überschüssige Grünzeug, das in der abgepackten Warenwelt übrig bleibt. Im Sommer werden wir aus dem Vollen der Gärten schöpfen, aber auch jetzt darf konserviert werden, bevor Gemüse und Obst verkommen. „Ernte ist, was du daraus machst“ lautet die Devise der Britin. Sie macht allen Mut, auch uns Unperfekten. „Meine Küche ist alles andere als ein Musterbeispiel aus dem Katalog“, schreibt sie, „ich habe keinen modernen Herd, mein Porzellan passt nicht zueinander. Mir fehlt oft die Zeit für langwierige Kochsessions, ich muss mir die Zeit dafür meist stehlen. Ich bin genauso wenig perfekt wie meine haltbar gemachten Vorräte, und das brauchen Ihre Versuche auch nicht zu sein.“

Es gibt viele Bücher zum Thema Einkochen und Konservieren, doch das der Alys Fowler ist ohne Zweifel eines der inspiriertesten. Denn hier erklärt eine passionierte Gärtnerin den gesamten Prozess, vom Anbau über die Ernte bis hin zum Einkochen, Trocknen, Entsaften, Einfrieren, Konservieren.

Bleibt festzustellen, dass die Saison naht. Endlich. Mephistopheles' Ratschlag an Faust in Sachen einfacher Verjüngungskur darf dann wieder beherzigt werden: „Gut! Ein Mittel, ohne Geld und Arzt und Zauberei zu haben: Begib dich gleich hinaus aufs Feld. Fang an zu hacken und zu graben. Erhalte dich und deinen Sinn in einem ganz beschränkten Kreise. Ernähre dich mit ungemischter Speise. Leb mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht für Raub, den Acker, den du erntest, selbst zu düngen. Das ist das beste Mittel, glaub, auf achtzig Jahr' dich zu verjüngen!“

Lexikon

Alys Fowler. Sie hat ihre Gärtnerausbildung in der Royal Horticultural Society absolviert.

Bücher. „Alys' Erntezeit“ ist ihr drittes Buch nach „Alys im Gartenland“ und „Alys' Küchengarten“. Alle drei Bücher sind im Verlag Kosmos erschienen und kosten 19,95 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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