Kitzbühels Kater nach der Feier

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Alle schauen auf das Hahnenkammrennen und die Streif. Doch Glamour und Bekanntheit führen im Kitzbüheler Alltag zu ernsthaften Problemen.

Kitzbühel hatte sich fein herausgeputzt. In der Fußgängerzone in der oberen Vorderstadt und in der Hinterstadt standen blütenweiße Zelte, Arbeiter schraubten an Holzhütten, Lautsprecher so groß wie Kühlschränke hingen von Metallstehern und weiter oben beim Hotel Rasmushof hatte man sogar eine neue Luxusunterkunft errichtet: das VIP-Zelt des Kitz-Race-Clubs, wobei der Ausdruck „Zelt“ einen falschen Eindruck vermittelt. Von der Decke hingen Luster, es gab Ledermöbel, Hummer und Uruguay-Beef. Wer dieses Zelt benützen wollte, musste dafür etwa 3000 Euro hinlegen.

Zum 75. Mal fuhren am Samstag Männer mit Skiern über die Streif ins Tal, und mehr als 40.000 Menschen haben ihnen dabei live zugeschaut. Über die drei Renntage zusammengenommen waren es knapp 100.000 Besucher, die etwa 40 Millionen Euro in Kitzbühel ließen – bei Rosis Schnitzelparty etwa (ab 180 Euro) oder beim Weißwurstessen beim Stanglwirt (ab 125 Euro).

65 Makler für 8000 Einwohner.

Wenn die letzten morgen, Montag mit einem ordentlichen Kater heimfahren und sich Barbara Thaler vom Kitzbüheler Ski Club schon mit den Planungen für das 76.Hahnenkammrennen beschäftigt, können alle anderen ein wenig durchatmen und sich – je nach Profession – die Hände reiben oder die Haare raufen. Denn so glanzvoll die paar Tage im Jänner sein mögen, wenn die Scheinwerfer ausgeschalten sind und der Weltcuptross weitergezogen ist, bleibt eine verkaterte Alpenstadt zurück, die mit ihrer Berühmtheit den Rest des Jahres gefordert ist.

Man muss nur in die Auslagen oder auf die Webseiten der 65 registrierten Immobilienmakler schauen (andernorts reicht für 8000 Einwohner ein einziger), um eines der Probleme zu sehen: Häuser, die bei drei Millionen Euro anfangen und Wohnungen, die mit einem Quadratmeterpreis von 8000 Euro als leistbar gelten. Mag sein, dass jeder, der in Kitzbühel einen Keller hat, ein Gästebett hineinstellt, und jeder, der ein Bier aufmachen kann, eines verkauft. Trotzdem gibt es genügend Einheimische, die nicht vom Tourismus profitieren und keine freien Baugründe haben.

„Wir haben gerade ein Haus ausgeschrieben um 39 Millionen Euro“, erzählt Manfred Hagsteiner, in zweiter Generation Makler der Reichen und Schönen in der Gemeinde. Erst vergangene Woche wurde ein Einfamilienhaus um 23 Millionen Euro von einem Berliner gekauft. Bei solchen Dimensionen wird sogar Hagsteiner schwindlig: „Mein Vater hat einst das Parkhotel Kitzbühel vermittelt, es wurde um 100 Millionen Schilling verkauft. Damals haben alle den Kopf geschüttelt und gestaunt. Heute bekommt man um die umgerechnet etwa sieben Millionen Euro ein schönes, aber sicher nicht das schönste Haus in Kitzbühel.“

„Das Wohnen ist eine Herausforderung, ja“, sagt Bürgermeister Klaus Winkler. In der Vergangenheit war es für Nicht-Kitzbüheler mit den strikten Zweitwohnsitzregelungen noch etwas schwieriger, eine Immobilie zu erwerben. Damals gab es 1400 genehmigte Freizeitwohnsitze, das war's. Wer beim Hahnenkammwochenende nicht in einem der sechs 5-Sterne-Hotels (die höchste Nobelhoteldichte Österreichs), sondern in den eigenen vier Wänden wohnen wollte, musste sich schon etwas einfallen lassen. Dann musste eine Stiftung oder eine GmbH das Haus kaufen. „Heute ist es überhaupt kein großes Problem mehr, sich in Kitzbühel einen Wohnsitz zu schaffen“, sagt Makler Hagsteiner.

Vorausgesetzt, man hat das nötige Kleingeld. Die Quadratmeterpreise für Bauland fangen bei 1500 Euro an, für Grundstücke in den Nobelgegenden Sonnberg, Bichlalm oder Lebenberg zahlt man gleich einmal 4000 Euro.

Weil solche Preise für Einheimische unfinanzierbar sind, hat sich die Gemeinde eine kreative Lösung einfallen lassen: Sie kauft günstig Grünland und widmet es dann in Bauland für Einheimische um. Dafür, dass der Besitzer überhaupt verkauft, bekommt auch er für einen Teil eine Baulandwidmung – und macht damit einen Lottogewinn. Während nämlich der Einheimische 220 Euro pro Quadratmeter bezahlt, muss ein EU-Bürger direkt daneben 3000 Euro hinblättern.

Das Problem dabei: Die Einheimischen ziehen an den Stadtrand. Der Ortskern Kitzbühels stirbt langsam aus, weil die, die sich eine Wohnung in der Altstadt leisten können, die meiste Zeit des Jahres nicht da sind.

Geringe Auslastung.

Apropos gut leben vom Tourismus. Es ist zwar fast unmöglich, während des Hahnenkammrennens ein Zimmer zu bekommen – der Rasmushof in der Nähe des Zieleinlaufs ist bis 2018 ausgebucht –, dafür bekommt man abseits vom Rennen leicht eines. Die Bettenauslastung in der Wintersaison 2013 lag bei bescheidenen 32 Prozent. Andere Tiroler Skiorte lagen deutlich darüber: Ischgl hatte eine Auslastung von 59,4 Prozent, St.Anton kam auf 49,7 Prozent.

Da wird es schnell zur finanziellen Katastrophe, wenn die Abfahrt wegen Schneemangels abgesagt werden muss, wie im Jahr 2007. „Da sind wir in dieser Stube allein gesessen“, erzählt Schnitzelwirtin Rosi Schipflinger mit einem Schwenk über das Holzzimmer.

Mittlerweile sorgt der Skiclub vor. Sobald es schneit, werden große Depots angelegt, damit man immer genug Schnee für das Rennen hat.

Zahlen

Ab 8000 Euro kostet eine Wohnung in Kitzbühel pro Quadratmeter. Damit liegt die Tiroler Bergstadt gleichauf mit der Wiener Innenstadt, wo die Preise bei 8000 bis 14.000 Euro pro Quadratmeter liegen.

Einfamilienhäuser in Kitzbühel waren 2013 im Durchschnitt teurer als Häuser in Wiens Nobelbezirk Döbling (1,4 bis 1,9 Millionen Euro).

40 Millionen Euro Umsatz werden ungefähr rund um das Hahnenkammrennen gemacht.

626.200 Euro machen die Preisgelder für die Sportler der Hahnenkammrennen insgesamt aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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