„Das finstere Tal“ an der Spitze

Der Oesterreichische Filmpreis 2015
Der Oesterreichische Filmpreis 2015(c) ORF
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Filmpreis. Andreas Prochaskas Alpenwestern räumte ab, nur Murathan Muslu stahl Tobias Moretti den Titel. Geburtstagskind Erni Mangold wurde gefeiert.

Zwei Ziegen brechen in den Projektionsraum eines Kinos ein – mehr dazu später.“ Wer im Vorjahr bei der Verleihung des österreichischen Filmpreises dabei war, der weiß, wie die über den Abend hinweg weitererzählte Geschichte ausgeht. War es ein Test von Moderator Karl Markovics, ob das Publikum aufpasst? Oder der Beginn einer schrägen Tradition?

Das mit der Aufmerksamkeit war am Mittwochabend jedenfalls kein Problem. Nach dem einmaligen Abstecher nach Grafenegg wieder zurück im Wiener Rathaus, hatte man das Konzept ein wenig geändert (Bestuhlung, Bühne in der Mitte des Festsaals), die Akustik war heuer (fast) einwandfrei. Erstmals gab sich auch Bundespräsident Heinz Fischer „leibhaftig“ (Markovics) die Ehre.

Er erlebte einen Abend zwischen Spannung und mäßiger Überraschung. Mäßig deshalb, weil Andreas Prochaskas Alpenwestern „Das finstere Tal“ in zehn von 14 Kategorien nominiert war, und sich bald abzeichnete, dass es nicht bei den Nominierungen bleiben würde: Insgesamt acht Mal ging ein Preis an das düstere Tiroler Drama: für Kamera, Kostüme, Maske, Musik, Szenenbild, Tongestaltung und Regie; außerdem wurde es bester Spielfilm. Am Ende saßen „fast alle“ seiner Mitstreiter auf dem Podium, scherzte Regisseur Andreas Prochaska, der zuvor vor Aufregung noch „Rescue-Globuli genommen und zwei Whiskey getrunken“ hatte.

Den Siegeszug durchbrach dann ausgerechnet ein ebenfalls finsteres, aber im Wiener Ghetto spielendes Drama, Umut Dags „Risse im Beton“: Der Preis für den besten Darsteller ging an Dags Hauptdarsteller Murathan Muslu. Der Wiener mit türkischen Wurzeln zeigte sich (wie einige andere vor ihm) überrascht: „Ich hab mich nicht vorbereitet, ich hab gedacht, der Herr Moretti gewinnt.“ Immerhin hatte Moretti als sadistischer Bauer bereits einen Bayerischen Filmpreis und eine Lola beim Deutschen Filmpreis geholt, acht Lolas gab es in Summe. Warum der „zu 51Prozent österreichisch“ finanzierte Film in Deutschland antreten durfte, konnte Prochaska selbst nicht ganz erklären. Im Vorjahr hatte er jedenfalls noch damit gerechnet, dass der Film nur in Deutschland antreten werde. Damals hieß es, der Film sei majoritär deutsch finanziert. Der Sieg für Muslu sorgte jedenfalls für Emotion: Der Applaus war begeistert, und wie im Vorjahr Hüseyin Tabak kamen Muslu, dem Quereinsteiger, der früher als Ingenieur auf dem Bau gearbeitet hat, die Tränen. Er würde gern, bat er später, „meine Jungs aus dem Wiener Gemeindebezirk Ottakring schön grüßen. Ich danke euch auch.“

Erfreut, aber deutlich nüchterner nahm Kollegin Erni Mangold die Huldigung entgegen. Sie wurde nicht nur beste weibliche Darstellerin, Chor und Publikum sangen ihr zum 88. Geburtstag diese Woche auch ein Ständchen. „Vielen Dank, es klang nicht einmal schlecht“, kommentierte sie, aber: „Die weißen Rosen schauen ein bissl so aus, wie wenn ich schon tot wär'.“

„Kindergeburtstag“, den fünften nämlich, feierte auch die Akademie des Österreichischen Films, mit 1300 Gästen und eigenem Chor, der sogar die Liste der Sponsoren sang. All das nicht ohne ernste Töne: Philosophin Isolde Charim kommentierte das Attentat von Paris und skizzierte eine Demarkationslinie, „die nicht zwischen dem Westen und dem Islam verläuft“, vielmehr seien Rassisten und Islamisten Rivalen, ihr Feind sei „die liberale Gesellschaft“. Langen Applaus gab es auch für Florian Flicker und Michael Glawogger, die im vergangenen Jahr verstorben sind.

DIE GEWINNER

„Das finstere Tal“: Bester Spielfilm, Regie (Andreas Prochaska), Kamera, Kostüm, Maske, Musik, Szenenbild, Tongestaltung

„We Come as Friends“: Bester Dokumentarfilm (Regie: Hubert Sauper)

„Rote Flecken“: Bester Kurzfilm

„Der letzte Tanz“: Beste Darstellerin (Erni Mangold)

„Risse im Beton“: Bester Darsteller (Murathan Muslu)

„Amour Fou“: Bestes Drehbuch (Jessica Hausner), Bester Schnitt

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2015)

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