Mit den Quanten tanzen

Eurovision Village
Eurovision Village(c) ORF (Christian Stemper)
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Heute findet der Wiener Ball der Wissenschaften zum ersten Mal statt. Dabei wird das Rathaus eine Nacht lang zur Bühne für die Forschung.

Die Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts, Sabine Ladstätter, geht genauso hin wie Molekularbiologin René Schroeder. Und auch für Wittgenstein-Preisträger Josef Penninger ist der Ball ein Pflichttermin – er war erst zweimal in seinem Leben auf einem Ball. Sie alle sind Botschafter des ersten Wiener Balls der Wissenschaften. Eine besondere Premiere, denn als Stadt der Wissenschaft steht Wien weit seltener im Rampenlicht als als Stadt der Kunst und der Kultur. Das soll sich zumindest einen Abend lang ändern.

Wenn die Veranstalter Wahrscheinlichkeitsrechnung am Roulettetisch, digitale Grafiken an der Decke des Festsaals und fleischfressende Venusfliegenfallen als Tischschmuck versprechen, ist jedenfalls schnell klar: Dieser Ball ist anders als andere. Denn neben Klassikern wie der Eröffnungspolonaise und der Mitternachtsquadrille gibt es auch Beiträge der Wiener Unis. Als Forschungsfest will man den Ball aber nicht verstanden wissen. Er sei jedoch eine gute Gelegenheit, sich mit Wissenschaft zu befassen, sagt Organisator Oliver Lehmann. Und diese Gelegenheit nutzen viele, denn das Rathaus ist heute Abend voll: Wegen des großen Andrangs wurden zusätzliche Festsäle geöffnet, dennoch ist der Ball mittlerweile ausverkauft.

Über 2500 Menschen werden bei der Veranstaltung erwartet, die die „Wiener Zeitung“ als „Life Ball der Nerds“ bezeichnet hat. Für Lehmann durchaus ein Kompliment: „Wir messen uns von der Dimension her nicht mit dem Life Ball. Dort ist es aber gelungen, die Randthemen Aids und Aidsforschung mit popkulturellem Effet an die Öffentlichkeit zu bringen.“ Eine Chance also für die Wissenschaft, die ihr Licht „in der Stadt des Steffls oft unter den Scheffl stellt“.

Quantenexperiment in der Disco

Vertreten sind alle Unis, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen der Bundeshauptstadt, präsentiert werden ausgewählte Höhepunkte. Das Atominstitut der TU Wien etwa bringt das Doppelspaltexperiment in die Disco. Der Besucher muss sich für einen der beiden Eingänge entscheiden und kann dann – als Welle oder Teilchen – mit dem Partner interferieren, also sozusagen mit den Quanten tanzen. Und das zu den Klängen, die Bachmann-Preisträger Tex Rubinowitz auflegt. Keinen Rausch holt man sich an der Wasserbar. Die Boku Wien präsentiert dort Köstlichkeiten aus dem Karst, zum Beispiel ein Forschungsprojekt zum Hochschwab als wichtigem Quellgebiet. Und der gefräßige Blumenschmuck kommt aus dem Botanischen Garten der Uni Wien.

Aus den USA reist Stargast Marc Abrahams für die Mitternachtseinlage an. Der Erfinder der Ig-Nobelpreise will Menschen mit diesen „erst zum Lachen und dann zum Nachdenken“ bringen. Die Preise sind längst weit mehr als eine Parodie der Stockholmer Veranstaltung, die Verleihung in Harvard wird oft von Nobelpreisträgern vorgenommen. Womit Abrahams die Gäste heute zum Nachdenken bringt, wird noch nicht verraten.

Apropos nachdenken: Ist die Veranstaltung auch eine Antwort auf den gestrigen Akademikerball? Als reines Gegenprogramm möchte man sich nicht verstanden wissen. Ein Zeichen setzen will man aber dennoch. „Spaß mit Anstand – Tanz mit Haltung“ ist jedenfalls das Motto der von der Stadt Wien initiierten Veranstaltung.

Zeigen wird sich, ob es dabei heute „Alles Walzer“ oder „Alles Wissenschaft“ heißt. Geboten wird jedenfalls beides.

Mehr: www.wissenschaftsball.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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