Zehn Jahre Fernsehen ohne Fernseher

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SymbolbildClemens Fabry
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Mit der 2005 gestarteten Website YouTube begann vor allem bei Jüngeren die Vorherrschaft traditionellen TV-Konsums zu bröckeln. Und sie schuf für User die Möglichkeit, selbst zum Sender zu werden.

Am Anfang waren zwei Elefanten. Ein 18 Sekunden langer Clip, der zwei der Tiere zeigte, war das erste Video auf YouTube, als der Dienst im Februar 2005 an den Start ging. Mittlerweile sind die Videos deutlich länger geworden, decken so ziemlich alle Bereiche ab – und das Material wächst jede Minute um rund 300 Stunden. Zehn Jahre nach dem Start ist YouTube eine der wichtigsten Adressen im Internet, mehr als eine Milliarde User besuchen die Plattform jeden Monat.

Es ist eine neue Art des Fernsehens, die sich vor allem bei der jüngeren Generation verbreitet hat. Statt sich vor dem Fernseher durch diverse Kanäle zu zappen, suchen sie hier gezielt nach genau den Inhalten, die sie interessieren. Von Amateurvideos über Musikclips, Filmtrailer und TV-Serien bis zu ganzen Spielfilmen können sie hier finden. Manchmal legal, manchmal eher nicht. Gestochen scharf oder in zweifelhafter Qualität. Und immer mit der Möglichkeit, darunter einen Kommentar abzugeben. Nicht nur, dass man sich derart vom statischen TV-Programm unabhängig macht, ermöglicht das Format auch Interaktivität.

Pullover stricken

Und das nicht nur mit Bewertungen (Daumen hoch) und Kommentaren – sondern auch, indem man selbst zum Sender wird. YouTube machte es leicht, eigene Videos hochzuladen und anderen Usern zugänglich zu machen. Und so wurden selbstgemachte Videos zum Massenphänomen – ganz normale Menschen zeigen, wie sie ein Essen zubereiten, einen Pullover stricken oder ein Gitarrensolo spielen. Und tausende sehen dabei zu.

Mittlerweile sind derartige Videos so beliebt, dass einige YouTuber davon leben können. Die deutsche Userin „BibisBeautyPalace“ etwa hat fast 1,7 Millionen Abonnenten. Und das mit launigen Clips à la „10 Arten, wie man nicht küssen sollte“. Verdient wird über die Beteiligung an den Werbeeinahmen, die YouTube durch die Clips generiert. Einige YouTuber haben heute die Rolle eingenommen, die früher Popstars gespielt haben – inklusive Fans, die ihnen auflauern.

Längst ist YouTube ein Milliardengeschäft geworden. Der Dienst, der 2006 von Google gekauft wurde, macht einen Umsatz von rund 4 Milliarden Dollar (3,5 Mrd. Euro) pro Jahr. Und abseits aller Interaktivität versucht man mit speziellen Kanälen dem traditionellen Fernsehen noch mehr Konkurrenz zu machen.

Einige Beispiele:

Snapchat

Fotos zu verschicken, die für die Freunde nur einige Sekunden lang sichtbar sind – das ist der Gag bei Snapchat. Die Gefahr, dass sie weitergegeben werden oder als digitales Erbe immer verfügbar sind, ist nicht gegeben. Theoretisch. Denn Screenshots sind sehr wohl möglich. Zuletzt wurde die App erweitert: User können Bilder aneinanderreihen und 24 Stunden lang verfügbar machen. Vergangenen November stieg das Unternehmen mit Snapcash zudem in den Markt für Bezahldienste ein. Per Knopfdruck kann damit Geld an andere User überwiesen werden. Seither gilt es – wenig überraschend – als offenes Geheimnis, dass auf Snapchat auch Pornoanbieter unterwegs sind.

Twitch

Ein Videodienst, auf dem User seit Juni 2011 anderen Menschen live zusehen können, wie sie Spiele am Computer spielen – groß ist der Spielverlauf zu sehen, auf einem kleineren Screen der Spieler. Zum Teil sind einige zehntausend Zuseher dabei. Einige Spieler verdienen damit sogar schon Geld. Amazon übernahm den Dienst vergangenes Jahr um 970 Millionen US-Dollar. Eine Schattenseite: Scherzbolde alarmieren unter einem Vorwand die Polizei und beobachten dann live per Webcam, wie ein Einsatzteam das Spielzimmer stürmt. Diese sogenannten Swatting-Streiche (benannt nach Swat-Teams – also Spezialeinheiten) haben sich zuletzt gehäuft.

VINE

Das Konzept ist simpel: Vine kann Videos mit einer Länge von maximal sechs Sekunden aufnehmen – und das entweder in einem Durchgang oder mit Zwischenstopps. Letztgenanntes führt zu einer Ästhetik wie bei Stop-Motion, wie dies etwa bei Filmen mit modellierbaren Figuren häufig zum Einsatz kommt. Beim Abspielen läuft das Video in einer Endlosschleife. So wie bei Facebook und anderen Social-Media-Plattformen gibt es die Möglichkeit für andere User, Zustimmung zum Video auszudrücken. Ein Smiley signalisiert „Gefällt mir“. Im Oktober 2012 wurde die Plattform von Twitter übernommen, mittlerweile hat sie weltweit mehr als 42 Millionen User

INSTAGRAM

Instagram gehört mit rund 300 Millionen Usern zu den beliebtesten sozialen Netzwerken. Bekannt wurde die kostenlose App, mit der Fotos und auch Videos erstellt und zugänglich gemacht werden können, vor allem durch diverse Filter, mit denen Bilder verfremdet werden können – mit einer Optik, die an Polaroidkameras erinnert. Da Facebook zunehmend auch von der Elterngeneration entdeckt wurde, wanderten viele jüngere User hierhin ab. Zuletzt besonders beliebt im Instagram-Netzwerk: „Rich Kids“, also reiche junge Menschen, die ihren Reichtum auch nach außen zeigen. Und seit Kurzem auch „Rich Dogs“, deren Luxusleben gezeigt wird.

Ask.fm

Fragen zu stellen steht im Mittelpunkt der Plattform Ask.fm, die im Web oder per App verfügbar ist. Benutzern können von registrierten Mitgliedern, aber auch von anonymen Usern, alle möglichen Fragen gestellt werden. Die Frage erscheint allerdings erst dann online, wenn der betreffende Benutzer sie beantwortet hat. Es gibt auch die Möglichkeit, mit einem Video oder einem Bild zu antworten. Freunde können die Antworten mit Likes bewerten, zusätzlich kann das eigene Profil mit kostenpflichtigen Buttons geschmückt werden – auch als Geschenk können derartige Buttons versendet werden. Die Plattform hatte vergangenes Jahr mehr als 115 Millionen Mitglieder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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