"Das ewige Leben": Unglücklicher, aber freier Anti-Krimiheld

Josef Hader als Simon Brenner in ''Das ewige Leben''
Josef Hader als Simon Brenner in ''Das ewige Leben''(c) Dor Film / Foto: Patrick Wally
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In "Das ewige Leben" spielt Josef Hader zum vierten Mal den Privatermittler Simon Brenner. Die düstere Verfilmung von Wolf Haas' Krimi-Bestseller weicht deutlich von der Vorlage ab. Gut so.

Ein Mann wie ein Relikt aus einer anderen Zeit: Unter dem Bild ländlicher Idylle und neben einem abgestorbenen Ficus sitzt Simon Brenner (Josef Hader) und jausnet. Mit der Spitze seines Messers schiebt er sich Dosenfleisch und Peperonistücke in den Mund. Eine Katze beobachtet ihn, und schließlich teilt er das Fleisch mit ihr. Wenig später liegt er mit einem Kopfschuss auf dem Boden - und die Katze labt sich an seinem Blut.

Beim Essen beobachtet zu werden hat etwas Entlarvendes. Tatsächlich zeigt "Das ewige Leben", der vierte Film in der Brenner-Reihe, seinen Krimi-Antihelden schonungsloser als je zuvor. Die erste Szene führt ins AMS, weil Brenner, wie er sagt, "eine schlechte berufliche Phase" durchlebt. "Sie sind nicht krankenversichert, nicht sozialversichert. Sie haben kein Bankkonto und keine Wohnung. Das würde ich nicht als ,schlechte berufliche Phase' bezeichnen. Sie sind ein U-Boot", widerspricht ihm die AMS-Mitarbeiterin. Ein Konstante in seinem Leben fällt dem ehemaligen Polizisten, ehemaligen Privatermittler und ehemaligen Rettungswagenfahrer dann doch ein: "Ich habe ein Haus." Es passt zu ihm. Ein Nachkriegshaus, mit Plastikfliesen verkleidet, im Dach ist ein Loch, das Wasser tropft bis auf den Küchenboden. Ein Fremdkörper in der adretten Einfamilienhaussiedlung in Puntigam. Hier wird er angeschossen.

Als Brenner aus dem Koma erwacht, macht er sich auf die Suche nach seinem "Mörder" - obwohl alle behaupten, er habe selbst den Abzug gedrückt. Regisseur Wolfgang Murnberger zeigt Tat und Täter. Darin weicht sein Drehbuch deutlich von Wolf Haas' Krimivorlage ab. Auch Brenners Gedächtnislücken sind im Film eher Randerscheinung und der Figur nicht halb so lästig wie seine Migräne. Gut so, in den vergangenen Jahren gab es eine regelrechte Schwemme nicht linear erzählter Geschichten, die die Verlässlichkeit des Gedächtnisses hinterfragen, vom Thriller "Memento" (2000) des Genrespezialisten Christopher Nolan bis "Ich darf nicht schlafen" (2014) mit Nicole Kidman.

Hellblaue Puch. Auch wenn Erinnerungen wichtig sind für Brenners Tätersuche, die ihn in die Vergangenheit führt, konzentriert sich der vierte Film auf seine Figuren. "Das ewige Leben" beobachtet Vertreter der 68er-Generation im Alter. Josef Hader erweist sich erneut als Idealbesetzung: In seinem Brenner steckt noch der Revoluzzer von damals. Nie wirkt er glücklicher, als wenn er mit dem hellblauen Puch-Moped* seiner Jugendtage in Schlangenlinien durch Graz fährt. Brenners Jugendfreund und Kontrahent Aschenbrenner (eindringlich: Tobias Moretti) fühlt sich trotz Karriere und junger Frau (ambivalent: Nora von Waldstätten) unterlegen. Brenners einst freie Sexualität praktizierende Jugendliebe klopft als Wirtin Schnitzel.

So fällt "Das ewige Leben" düsterer aus als seine Vorgänger. Der Wortwitz rückt in den Hintergrund. Haas' Erzähler bekommt nicht mehr zu tun, als das obligatorische "Jetzt ist schon wieder was passiert" zu sprechen.

Zur tristen Stimmung des spürbar längsten Films der Reihe haben die Sofa Surfers die passenden elektronische Klänge komponiert. Optisch wirkt der Film weniger verspielt als die Vorgänger. In "Komm, süßer Tod" (2000) flimmerte die Hitze der Großstadt in gelblichem Licht, "Silentium" (2004) war in bläuliche Schattierungen getaucht, und "Der Knochenmann" (2009) malte blutige Sittengemälde. "Das ewige Leben" setzt auf einen kühlen, harten Look (wie in allen Brenner-Filmen: Kameramann Peter von Haller). Die Gesichter, die Brenner im AMS entgegenblicken, sehen eher nach Dokumentar- denn nach Spielfilm aus. Als wäre er in der Realität angekommen.

Gelbstichige Vergangenheit. Nur über die Vergangenheit legt "Das ewige Leben" einen Filter, gelbstichig, wie man das von Fotos kennt. "Die gute alte Zeit", scheinen sie zu sagen. "Die Siebziger werden überschätzt", sagt Brenner. Man glaubt ihm nicht. Wenn er als junger Mann über die Landstraße braust, sieht das nach Freiheit aus. An dieser hält die Figur fest, egal, wie unbequem sie für ihn ist. Nicht einmal an einen Regenschirm will er sich binden. Lieber zieht er sich ein Plastiksackerl über die Resthaare.

"Das ewige Leben", ab 5. März 

* in einer früheren Fassung dieses Textes wurde das Moped fälschlicherweise für eine Vespa gehalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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