„Diese Versöhnung war wichtig“: Altaras' strapaziöse Familie

Adriana Altaras
Adriana Altaras(c) Stanislav Jenis
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Auf der Suche nach ihren familiären Wurzeln fährt Schauspielerin Adriana Altaras von Deutschland nach Kroatien – eine wahrlich abenteuerliche Reise.

Adriana Altaras stammt aus einem Land, das es so nicht mehr gibt: Jugoslawien. In dem Dokumentarfilm „Titos Brille“ (ab Freitag im Kino) erzählt die Tochter jüdischer Partisanen, die für Tito kämpften und im Nachkriegsdeutschland ein neues Leben begannen, von ihrer, wie sie sagt, „strapaziösen Familie“. Heute ist sie Regisseurin, Schauspielerin, Autorin, Mutter zweier Kinder und Ehefrau eines deutschen Katholiken.

So ungewöhnlich ihr Familienleben auf den ersten Blick auch sein mag, so beispielhaft ist es für einen Großteil der Generation der Nachkriegskinder – trotz eines erfüllten und erfolgreichen Lebens sind die Wunden aus der Vergangenheit ihrer Eltern bis heute zu spüren, und die Suche nach den eigenen Wurzeln ist ein ewiger Begleiter. In der auf dem gleichnamigen Bestseller basierenden Dokumentation begleitet Regisseurin Regina Schilling („Bierbichler“, „Geschlossene Gesellschaft“) Altaras zu den Spuren ihrer Familie – auf einer abenteuerlichen Reise von Berlin über Gießen, Italien bis nach Zagreb, Split und Rab. Das Publikum ist ganz dabei, wenn Geschichte persönlich wird – die Lager, der Widerstand, die Schauprozesse, Flucht und Neuanfang.

Mit jüdischem Witz, balkanischem Zorn und deutscher Gründlichkeit knöpft sich Altaras all jene vor, die ihr „seit Jahrzehnten den Schlaf rauben“: ihren Vater, der immer ein Held sein wollte, ihre gleichermaßen strenge wie ehrgeizige Mutter, Tito, Tante Jele, und auch der kroatische Staat kommt nicht ungeschoren davon.

Definitiv keine Fortsetzung

„Dass ich nicht spielen durfte“, erzählt Altaras am Rande der Filmpremiere im Votivkino, „war wohl das Schwierigste an den Dreharbeiten. Ständig von einer Kamera begleitet zu werden, ohne spielen zu dürfen – das kannte ich als Schauspielerin gar nicht.“ Generell sei die Reise „tierisch anstrengend“ gewesen. „Eine Fortsetzung wird es daher definitiv nicht geben“, betont sie. „Der alte Mercedes beispielsweise, in dem ich die ganze Zeit unterwegs war, hatte andauernd eine Panne – von wegen deutsche Qualität also.“

Als wichtigste Erkenntnis während des Drehs bezeichnet sie die Einsicht, „dass nicht alle Kroaten Faschisten sind“. Diese „vererbten Ressentiments“ sei sie ein für alle Mal losgeworden. „Zudem habe ich gesehen, was für eine schöne Heimat ich eigentlich habe“, sagt Altaras. „Und mich mit meiner Vergangenheit versöhnt. Diese Versöhnung war sehr wichtig.“ Daher könne sie jedem mit einer ähnlichen Geschichte raten, sich auch auf so eine Reise zu begeben: „Einfach machen, es lohnt sich trotz aller Anstrengungen.“

Geboren wurde Altaras 1960 in Zagreb im heutigen Kroatien. 1963 mussten ihre Eltern das Land verlassen. Altaras wurde auf dem Rücksitz eines kleinen Fiat von ihrer Tante nach Italien geschmuggelt. Dort wuchs sie auf, ging in den Kindergarten. Nachdem ihre Eltern feste Anstellungen in Deutschland gefunden hatten, holten sie ihre Tochter 1967 zu sich nach Gießen, wo ihr Vater, Jakob, als Radiologe und ihre Mutter, Thea, als Architektin arbeiteten. Nach dem Abitur, 1978, folgten ein Schauspielstudium an der Hochschule für Künste in Berlin und ein Aufbaustudium am „experimental theatre wing“ der New York University. Seit 1982 arbeitet Altaras als Schauspielerin in Theater, Film und Fernsehen, ab 1991 auch als Regisseurin mit dem Schwerpunkt Musiktheater. Mit dem Roman „Titos Brille“, der 2011 zum Bestseller avancierte, begann ihre Karriere als Schriftstellerin. Besonders erfreut zeigt sie sich über die bisherigen Reaktionen auf den Film. „Die Zuschauer in Deutschland waren betroffen, aber auch amüsiert und unterhalten“, sagt Altaras. „Genau das wollten wir erreichen. Nun bin ich auf das Feedback in Österreich gespannt.“ Einladungen, den Film zu zeigen, gebe es bereits aus Bosnien, Serbien und Slowenien. Nur nicht aus Kroatien. „Das wird schon einen Grund haben“, beklagt Altaras. „Schade, dass man nach all den Jahren nicht über den Dingen steht. Ich hätte den Film jedenfalls zu gern in meiner Heimat gezeigt. Aber irgendwann wird auch die Zeit dafür reif sein.“

AUF EINEN BLICK

Reise. Adriana Altaras wurde 1960 in Zagreb geboren. Drei Jahre später flohen ihre Eltern und begannen in Deutschland ein neues Leben. „Titos Brille“ erzählt ihre Familiengeschichte, die angesichts eines aktuellen „Profil“-Berichtes besondere Brisanz birgt. Demnach wollte ein moskautreuer Flügel des jugoslawischen Geheimdienstes in den 70er-Jahren mit linksextremen Kärntner Slowenen den Volksgruppenstreit mit Sprengstoffanschlägen anheizen. Diktator Tito sollte so ein Vorwand zum Eingreifen geliefert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2015)

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