Norbert Schneider: Leben retten auf Wienerisch

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Norbert Schneider hat seine „Sprache gefunden“. Die hat Exotenbonus im Ausland – und unwissentlich auch das Leben eines Burgenländers bewahrt.

Man muss die Erfolge nehmen, wie sie kommen. Die Schwiegermutter seines Bruders zum Beispiel, sagt Norbert Schneider: Auch die sei jetzt ein Fan und reist mit ihrer Damengruppe zum Konzert an.

An die 20 Jahre macht Norbert Schneider jetzt schon Musik, hat bei unzähligen Alben mitgespielt und mehrere eigene aufgenommen, doch erst seit dem letzten singt er auf Deutsch – und staunt, wie viele Leute er damit nun anspricht. „Davor war ich nur der Wahnsinnige mit der Gitarr'.“

Anfangs war das mit dem Deutsch ein Experiment, an dem genau genommen die Großmutter schuld war. Sie, erzählt der Weinviertler, habe ihm schon seit Jahren erklärt, die Musik sei ja ganz gut, aber sie verstehe halt nix. „Und dann hab ich eine längere Zeit in Stuttgart gespielt“, erzählt Schneider. „Als Vorgruppe einer Kabarettgruppe, die haben sich sehr amüsiert über meinen Dialekt. Dort ist dann der Wunsch ausgebrochen, auf Deutsch zu singen.“

Wobei, einfach sei das nicht gewesen. „Ich war es nicht gewohnt, und es war mir wahnsinnig schnell peinlich.“ Es folgte eine Zeit des Experimentierens, während der er auch mit alten Granden des Wienerlieds, Horst Chmela und Karl Hodina, arbeitete. Nun, mit seinem neuen Album „Entspannt bis auf die Knochen“, sieht sich Schneider einen Schritt weiter: „Ich habe meine Sprache gefunden.“

Wiener Blues Sessions

Eigentlich wäre der 35-Jährige ja fast Kindergärtner geworden. Hätte er dort nicht jenen Gitarrenlehrer gehabt, der ihn förderte. „Ich war im Gitarrenunterricht ja schlecht, hab mit den Noten nix angefangen. Aber er hat mir Sachen vorgespielt, zu denen ich sonst keinen Zugang gehabt hätte. Django Reinhardt, Stevie Vaughan, Eric Clapton.“ Als in Angern an der March, dem Nachbarort, ein Blueskonzert zweier Österreicher anstand, ging Schneider hin. „Ich hab' gedacht, das wird wahrscheinlich nix können, aber ich schau mir das mal an. Mir ist die Kinnlade runtergefallen.“

Schneider tauchte ein in die Welt der Wiener Blues Sessions, etwa im damaligen Papas Tapas. „Das erste halbe Jahr hab' ich mich nicht getraut zu sagen, dass ich auch Gitarre spiel'.“ Später wurde er, wenn amerikanische Künstler zu Besuch waren, mit seiner Truppe als Backing Band angeheuert, ging so auch mit Größen des Genres auf Tour. Unglaubliche Dinge habe er da erlebt, und nicht immer waren sie von der lustigen Sorte. „Rassismus war da ein ziemliches Thema“, sagt Schneider über einzelne Musiker. „Die haben einem 18-jährigen Weißen schon gezeigt, dass in ihren Augen nur sie die Musik spüren.“ Big Jay McNeely, Saxophonist, mit dem Nummer-1-Hit im Jahr 1949, spielte einmal rücksichtslos „Summertime“ – dabei hatte Schneider ihn angefleht, es nicht zu tun. „Ich hatte keinen Dunst, wie das Lied geht. Ich wollte im Erdboden versinken und hab einen Allergieschock gekriegt.“

Heute sieht er das mit Abstand etwas milder. „Ich hab' auf jeden Fall viel gelernt.“ Wie auch durch sein plötzliches Eintauchen in die Mühlen der Musikindustrie, mit dem Sieg beim „Ö3 Soundcheck“ 2010 mit dem Reggae-Cover „Take it easy“. Heute nimmt er gern breitenwirksame Chancen wahr (sogar in Peter Rapps Brieflos-Show); ist aber sonst sein eigener Herr und Tontechniker, der noch immer (fast) alles im seinem ehemaligen Kinderzimmer aufnimmt. Für das neue Album gestattete er sich nur für die eigenen Gesangsaufnahmen ein Studio („Das ist immer so blöd, wennst am Computer auf Record drückst und dann rüber zum Mikro rennst“) und auch einen Ausflug ins heimatliche Prottes bei Gänserndorf, um mit dem örtlichen Musikverein „Immer schee draufbleim“ einzuspielen. Ein Freund brachte die Partitur zu Papier – „ich kann ja immer noch nicht Noten lesen“.

Kürzlich war Schneider als einziger Europäer in Toronto zu einer Blueskonferenz eingeladen. „Den Exotenbonus hab' ich natürlich voll genutzt.“ Die Rückmeldungen auf die alte Musik mit neuer Sprache sind, wie erwähnt, vielfältig überraschend. „Leute haben erzählt, sie haben meine Musik beim Begräbnis ihres Vaters gespielt.“ Zu einem anderen Konzert kam ein Burgenländer, der berichtete, dass er sich in seiner Garage mit den Abgasen seines Autos das Leben nehmen wollte. Doch dann habe er „Herrgott schau obe auf mi“ gehört – und sich fürs Weitermachen entschieden. „Dass man Leuten in solchen Situationen Mut machen kann, hätte ich niemals für möglich gehalten.“

Zur Person

Norbert Schneider wurde 1979 geboren und wuchs im Weinviertel auf. Er brach die Kindergartenschule ab und verdient seither sein Geld als Musiker. Er trat u. a. im Vorprogramm von B.B. King, Lou Reed, Simply Red oder Pink auf und spielt „eine Mischung aus Blues, Jazz, ein bissl Soul, Funk – alles, was aus dem Afroamerikanischen kommt.“ Heute, Donnerstag, Abend wird sein neues Album „Entspannt bis auf die Knochen“ präsentiert. Am Samstag, 28. März, spielt er im Rahmen des Vienna Blues Spring im Wiener Reigen. Weitere Termine: norbertschneider-music.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2015)

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