Guido Maria Kretschmer: „Das ist einfach unanständig“

Guido Maria Kretschmer
Guido Maria Kretschmer(c) imago/Future Image (imago stock&people)
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Designer Guido Maria Kretschmer erklärt, welche Botschaften er in sein Format „Shopping Queen“ verpackt – und wieso ihn Deutschland so nett findet.

Die Presse: Auf Ihrer Homepage steht „Willkommen Ihr Lieben“, die „Zeit“ nannte sie den „sympathischsten Mann Deutschlands“. Das passt nicht zum Image – Modedesigner geben sich doch so gern kühl.

Guido Maria Kretschmer: Ich muss sagen, dass ich das selbst sehr oft so empfunden habe. Ich habe ja bei vielen Designern gearbeitet und mir gedacht: „Guido, wenn du mal bekannt wirst, dann machst du das nie.“ Manche Designer wollen gar keine Menschen mehr anfassen. Und je berühmter sie werden, desto mehr verlassen sie das tägliche Leben. Ich habe gemerkt: Je bekannter ich wurde, desto mehr habe ich mich festgehalten an dem, wo ich herkomme. Das war im Studium schon so. Da stand dann: der einzige, der abends mit aufgeräumt hat. Ich glaube, dass ich so groß geworden und auf das konditioniert bin. Ich mag Menschen wahnsinnig gern. Ich finde auch, das jeder irgendwas hat. Ich habe selten jemanden getroffen, von dem ich dachte: „Der hat aber gar nichts zu erzählen.“ Ich habe so eine grundkatholische Haltung, so ein Nächstenliebeding.

Waren Sie nie verleitet?

Nein. Es gab zwei, drei Momente, in denen ich zum ersten Mal gespürt hab, dass ich prominent bin. Vor einigen Wochen wurde in Berlin ein großes Porträt über mich gedreht, ich saß auf einem Schiff und fuhr auf der Spree durch die Stadt. Da haben auf einmal wahnsinnig viele Menschen meinen Namen gerufen, mir Sachen zugeworfen. Da hab ich mir zum ersten Mal gedacht: „Oh Gott, die kennen dich wirklich alle.“ Ganz süß. Das war ein intensives Gefühl, und ich hab es zum ersten Mal zugelassen. Im nächsten Moment hab ich gedacht: „Das geb' ich jetzt genauso wieder weg, damit ich nicht denke, es muss jetzt immer einer Hallo schreien.“ Es war schön, ich hab's gemerkt, jetzt ist wieder Schluss.

Wie sind Sie vom Modemacher zur Fernsehpersönlichkeit geworden?

Ich war immer schon ein Designer mit Entertainerqualitäten, lebendig und amüsant, hab Humor und war beliebt, auch bei Prominenten. Deshalb wusste ich, als das „Shopping Queen“-Angebot kam: Das ist genau meins, da kann ich Menschen erzählen, wie viel Spaß Mode machen kann, und sie ein wenig an die Hand nehmen. Ich war immer überzeugt, dass Mode ein bisschen ein Grundrecht ist, denn es ist manchmal die letzte Möglichkeit zu träumen. Wir müssen nicht in Burka oder Mao-Jäckchen laufen. Das ist auch Ausdruck der Freiheit unserer Gesellschaft.

Eine Freiheit, die viele überfordert.

Das ist natürlich so. Viele geben auf, bevor sie überhaupt anfangen. Das liegt an dieser Sehnsucht der Menschen, alles zu besitzen. Ich sage: „Bitte bummelt!“ Ich bin mein ganzes Leben mit meiner Mutter gebummelt. Wir haben alles anprobiert und dann nicht gekauft. Das ist ja auch die Freiheit, die wir haben. Natürlich ist kaufen schön, und auch ich mache Produkte. Aber ich gebe kein Modediktat raus und sage: „Das musst du haben.“ Ich sage auch den Eltern immer: „Ihr müsst euren Kindern beibringen, dass das nicht eine Maschine gemacht hat – oben Stoff rein und unten 'ne Klamotte raus. Das haben Menschen gemacht.“

Wie gehen Sie selbst bei Ihrer Arbeit mit der Trendfrage um?

Ich entscheide sehr wohl, bei wie viel Trend wir mitgehen. Auch in der Premiumklasse pass' ich auf, dass wir bei teuren Stücken wie Mänteln, Abendkleidern, Kostümen manchmal Farben wählen, wo ich weiß, da haben die Leute länger was davon. Democratic Couture, würde ich sagen. Und ich passe auf, dass in jeder Kollektion Teile mit der letzten Kollektion kompatibel sind. Und dass aus allen Preisklassen etwas dabei ist. Und auch in der unteren Preisrange wird noch anständig produziert und nicht in Südostasien von Kindern zusammengedengelt. Billigtextilien – da bin ich raus. Man kann nicht auf der einen Seite vegan leben und dann nicht sehen, was da passiert. Was das bedeutet, wenn ich mir für 9,90Euro einen Schuh nehme. Ist doch logisch, dass irgendwer dafür bezahlen muss, und das sind dann nicht wir. Da hängt so viel Leid und Elend dran, auch beim Pelz. Es gibt ja auch Designer, die das völlig ignorieren. Vor Kurzem hat mir ein deutscher Designer so einen Scheiß erzählt, von wegen: „Das ist nur Kommerz.“ Ich konnte nichts anderes sagen als: „Schäm dich. Das ist nicht Kommerz, das ist einfach unanständig.“ Solange ich da bin, werde ich das sagen. Sonst hat es ja keinen Sinn, prominent zu sein.

In Ihrer Sendung sieht man Leuten zu, wie sie daran scheitern, sich gut anzuziehen. Scheitern wir alle?

Ich tu das auch fast jeden Tag. Ich sehe manchmal Fotos, wo ich mir denke: „Was hast denn da wieder angehabt?“ Viel zu eng, viel zu schmal. Aber ich empfinde das nicht als Scheitern. Ich sehe es als Vergnügen, das man teilt: dass man über sich selbst lachen kann.

ZUR PERSON

Guido Maria Kretschmer (49) begann schon als Kind zu nähen und finanzierte sich seine erste Couture-Linie mit Corporate Fashion u.a. für die Deutsche Telekom und Kempinski. Seit 2012 präsentiert er „Shopping Queen“, eine Sendung, bei der sich die Kandidatinnen um 500 Euro einkleiden müssen. Für die Romy-Gala am 25.April entwirft er das Kleid für Moderatorin Barbara Schöneberger und ist zum zweiten Mal für eine Romy nominiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2015)

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