Hubert von Goisern: „Amerika hat wirklich wehgetan“

INTERVIEW MIT HUBERT VON GOSERN
INTERVIEW MIT HUBERT VON GOSERN(c) APA/ROBERT JAEGER
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Hubert von Goisern erklärt, wieso er ungern Rückschau hält, Angst vor der Bühne hat – und warum die Arbeit am neuen Album schmerzhaft war.

Die Presse: Wie ist der Film über Ihr Leben entstanden? Ich rate einmal, dass es nicht Ihre Idee war?

Hubert von Goisern: Nein, ich war dagegen. Aber Hage (Hein, Anm.), mein Manager, wollte zu meinem Sechziger vor zwei Jahren sowas machen. Eine Werkschau, Rückschau. Weil er beobachtet hat, was mir fast jeden Tag widerfährt, dass jemand kommt und sagt: „So schad', dass Sie aufgehört haben.“ Es nehmen viele Leute wahr, was ich mache, aber es sind verschiedene Segmente der Gesellschaft, denen das eine oder andere auffällt. Der Rest kommt nicht vor. Dieses Mosaik wollte der Hage zusammenstellen. Ich habe gesagt, ich arbeite da sicher nicht mit. Es ehrt mich, aber ich brauch' das nicht. Ich mag schon reflektieren, auch über das, was ich früher gemacht habe, aber eigentlich bin ich am liebsten im Hier und Jetzt und beschäftige mich nicht mit der Vergangenheit. Das würde mich erschlagen oder hemmen. Ich hab ihm auch gesagt, er braucht jemanden, der weiß, wie man einen Film macht. Ich war überglücklich, als er mir gesagt hat, der Rosi (Marcus H. Rosenmüller, Anm.) ist mit an Bord.

Gezwungenermaßen halten Sie dann doch Rückschau. Wie war es?

Mir gefällt es nicht, diese Bilder anzuschauen. Ich kann darüber reden, wir haben das ja am Boot gemacht. Das war insofern toll, als diese Stille und Zeitlosigkeit herrschten, und der Rosi meine Vita nicht gekannt hat. Da war ehrliche Neugier. Aber sonst – ich höre mir auch meine Musik nicht an. Weil ich so problemorientiert höre. Und mir denke, ah, das hätte besser gemacht gehört. Ein paar Sachen find ich dann schon gelungen. Bei „Brenna tuats guat“ hab' ich gedacht, es ist knapp vorbei, es ist mir nicht wirklich gelungen. Dann ist es zum Riesenhit geworden, und seitdem finde ich es perfekt. Das ist schon auch witzig: dass das auf mich zurückwirkt und ich jetzt die Fehler nicht mehr höre.

Wie haben Sie den Hit erlebt?

Ich hab mich einfach nur gefreut. Dass das aufgegangen ist. Weil viel dagegen gesprochen hat, auch mein eigenes Gefühl. Und die ersten Rückmeldungen von den Redaktionen waren: Ein gesellschaftskritisches Lied braucht kein Mensch, das war in den Siebzigern. Es wurde ja auch von Ö3 ursprünglich abgelehnt. Und dann gab es einen Mutigen, der sich durchgesetzt hat, damit er es wenigstens in der Nacht zwei Mal spielen darf. Auf diese Einsätze nach Mitternacht haben Leute angerufen.

Es wurde dann ausgerechnet am Oktoberfest rauf- und runtergespielt.

Ich war noch nie dort. Ich mag Bierzelte nicht, ich mag das Oktoberfest nicht. Da hab' ich Angst davor. Es gibt nicht viele Sachen, vor denen ich Angst hab', aber vor sowas schon.

Angst hatten Sie auch vor der Bühne.

Immer noch.

Macht es keinen Spaß?

Schon, aber ich scheiß' mich vor ihr an, ich hab' so Angst, dass ich was falsch machen könnte. Dass es mich hinhaut, dass ich falsche Töne spiele, dass mir der Text durcheinander kommt. Ist mir ja alles auch schon passiert. Inzwischen kann ich das relativieren, und nach zehn Minuten fühl' ich mich wohl. Aber bevor die Tour losgeht, bin ich drei Monate vorher schon total nervös. Da verdräng' ich das immer: Denk nicht daran, dass du in drei Monaten auf der Bühne stehst. Weil sonst ist mein Tag gelaufen.

Gerade waren Sie in Grönland.

In Grönland hab' ich ein Projekt laufen, weil die eine sehr hohe Jugendselbstmordrate haben. Und ich wurde gebeten, ob ich da nicht etwas Identitätsstiftendes tun könnte. Ich bin kein Sozialarbeiter, aber ich kann nicht nein sagen, wenn jemand sagt: Probiers! Es ist schwierig, weil ich die Sprache nicht kann. Aber ich versuche, ihnen ein Selbstwertgefühl zu vermitteln, indem ich ihnen zeige, wie interessant ich ihre musikalische Kultur finde, die sie selbst komplett ablehnen. Das Leben, das sie seit Generationen gelebt haben, mit der Jagd – das gibt's nicht mehr.

Und was hat Sie für das neue Album nach Amerika gezogen?

Diese Entfremdung zwischen Europa und Amerika, die über die letzten zwei, drei Jahrzehnte passiert ist. Die verstehen uns nicht, wir verstehen sie nicht, und ich find' das unglaublich schade. Für die gibt's die Welt außerhalb von Amerika nicht. Und wenn, finden sie alles bedrohlich. Da habe ich mir gedacht, ich möchte einen Beitrag leisten. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, aber es ist ein Prozess, wo ich hoffe, noch nicht am Ende zu sein.

Wie war es in Amerika?

Spannend, aber es ist ganz, ganz schwer. Es wäre im Jazz- und Popbereich leichter, diese Welt ist offener. Aber wenn es um Country- und Volksmusik geht – da sind die Eingnahten. Das ist ja das, was mich interessiert. Ich möchte ja da hingehen, wo es wehtut.

Und es hat wehgetan?

Es hat echt wehgetan. Aber ich hab' auch wehgetan. Da gab's unglaubliche Geschichten. Ich hab' einige Musiker zu mir eingeladen. Mit einem Pärchen aus Louisiana hab' ich versucht, zu jammen. Nach einer halben Stunde hab' ich gedacht, jetzt spiel' ich was, das sie kennen, „Amazing Grace“. Sie haben nicht mitgespielt. Weil es eine protestantische Hymne sei und sie Katholiken sind. „Don't mess with my Toot Toot“ haben sie auch nicht gespielt. Weil sie kein Lied spielen, das ein Schwarzer geschrieben hat.

ZUR PERSON

Hubert von Goisern wurde 1952 in Bad Goisern geboren, ist Liedermacher und Weltmusiker und mischt Rock mit Volksmusik. Im Film „Brenna tuat's schon lang“ zeichnet Marcus H. Rosenmüller die vielfältigen Aktivitäten des Musikers nach (ab 24. April im Kino). Für sein neues Album „Federn“ (ab 8. Mai) war von Goisern auf Musiksuche in den USA und spielt u. a. Coverversions von Hank Williams bis „Amazing Grace“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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