Romy-Gala: Chronik einer angekündigten Provokation

(c) ORF (Roman Zach-Kiesling)
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Mit seinem "Heim ins Reich"-Sager sorgte Dieter Hallervorden für den Eklat des Abends. Der Gala mangelte es in diesem Jahr an Höhepunkten.

Dass ein Schmäh nicht aufgeht, passiert jedem Kabarettisten ab und zu. Problematisch wird es jedoch, wenn keiner versteht, was der Witz sein soll. Bei der Romy-Gala am vergangenen Samstag passierte Dieter Hallervorden genau das. Der als Bester Schauspieler ausgezeichnete deutsche Kabarettist bedankte sich auf der Bühne mit „Diese österreichische Romy führe ich heim ins Reich“ – und ließ mit diesem nicht näher erklärten Satz das Publikum irritiert zurück.

Auch auf der Bühne wusste man offenbar nicht so recht, was Hallervorden mit der Anspielung auf den Nazi-Slogan, mit dem damals für den Anschluss Österreichs geworben wurde, eigentlich mitteilen wollte – und wie man damit umgehen sollte. André Heller, der für sein Lebenswerk mit der Platin-Romy geehrt wurde, reagierte – auch auf Bitte der Regie – mit einer direkten Botschaft an den Provokateur: „Lieber Didi Hallervorden, ich fand es nicht in Ordnung, was Sie gesagt haben.“ Eine spontane Schmäh-Umdeutung versuchte hingegen der Allround-Laudator des Abends, Michael Ostrowski, der den Sager selbst nur am Rand mitbekommen hatte: Vielleicht habe Hallervorden ja „Reich ins Heim“ sagen wollen. Wem diese Variation des Satzes bekannt vorkommt: Es ist ein uralter Hektiker-Schmäh.

Hallervorden erklärte sich

Was der 79-jährige Hallervorden gemeint, aber auf der Bühne nicht gesagt hatte, erklärte er dann nach dem offiziellen Teil des Abends vor vielen Mikros und Notizblöcken von Journalisten: Es sei eine bewusste und geplante Provokation gewesen. Tatsächlich hatte er schon Mitte April in einem Interview mit dem „Kurier“ angekündigt: Würde er den Preis bekommen, „würde ich eine Dankesrede halten, die in allen Zeitungen Widerhall fände“. Mit seinem Satz wollte er die zur Vergesslichkeit neigenden Österreicher an die Geschichte erinnern. Konkret daran, dass man im März 1938 mit wehenden Fahnen zu Nazi-Deutschland übergelaufen sei und sich erst viel zu spät zur Mitschuld bekannt hätte. Weshalb alle Reparationszahlungen auf den Deutschen gelastet hätten. An diesen, findet Hallervorden, hätte sich Österreich gerechterweise beteiligen müssen. Ob er gewusst hatte, dass man seinen knappen Satz missverstehen könnte, wollte er nicht sagen. Er betonte, dass er sein Leben lang „gegen den Strom geschwommen“ sei, mit Widerspruch könne er also leben. Nicht nur vor Ort bei der Gala, sondern auch auf seiner Facebook- und Twitter-Seite stellte der Komiker am Sonntag noch einmal klar, dass der Sager „als Witz“ gemeint war. Er habe damit eigentlich sagen wollen: „Wehret den Anfängen!“

Der sichtlich gut gelaunte Schauspieler und Münsteraner „Tatort“-Kommissar Axel Prahl hat sich direkt nach der Verleihung sowohl mit seinem Bruder, der seit 15 Jahren in Graz lebt (siehe Bild unten), als auch mit Hallervorden amüsiert. Angesprochen auf dessen Sager, erklärte er: „Mir ging es ähnlich wie André Heller, ich fand das unpassend. Aber Hallervorden hat mir erklärt, wie er es gemeint hat, und ich glaube ihm. Außerdem hat er nicht Unrecht: Es ist manchmal gerade die Provokation, die zum Nachdenken anregt.“ Auch in deutschen Medien wurde Hallervordens Sager am Sonntag debattiert. Die „FAZ“ vermutete, dass seine Erklärung „für noch mehr Diskussionen sorgen“ dürfte.

Ulrike Weiser

Und was bleibt abseits von Hallervorden von der 26. Romy-Gala? Nun, zunächst eine amüsante Moderation: Barbara Schöneberger, die durch den Abend führte, darf man (wieder einmal) zu Schlagfertigkeit, Selbstironie und ihren Gag-Autoren gratulieren: Von Hypo-U-Ausschuss über „Django“ Mitterlehner und Rot-Grün in Wien bis zu „Vorstadtweiber“-Andeutungen wurde keine rot-weiß-rote Pointe ausgelassen. Wobei Dichte und Niveau der Witze nach dem starken Auftakt stark abnahmen. Dafür schlug sich Michael Ostrowski als durchgehender (sowie vielsprachiger – bei Sprache fünf hörten wir auf zu zählen) Laudator wacker, wobei die schönste Laudatio dann doch die deutsche Literaturexpertin Elke Heidenreich hielt – und zwar auf André Heller, der sich dafür wiederum mit der schönsten und witzigsten Dankesrede des Abends revanchierte.

Deutsche räumten ab

Wobei die Konkurrenz bei den Dankesreden auch überschaubar war: Mehrere Ausgezeichnete konnten nämlich nicht kommen, z.B. Hannelore Elsner, die gerade einen Film dreht, oder Til Schweiger, der aus traurigen, privaten Gründen verhindert war, aber eine Videobotschaft schickte. Auch Conchita, die von der Expertenjury für den besten TV-Moment ausgezeichnet wurde, grüßte aus London, wo sie für den Song Contest wirbt. Gekommen waren immerhin Nora Tschirner und der „Shopping Queen“-Juror Guido Maria Kretschmer. Manche Prominente, wie Schauspieler Tobias Moretti, sein deutscher Kollege Hardy Krüger jr. und Teile des „Vorstadtweiber“-Casts, tanzten und feierten bis weit nach Mitternacht.

Auffallend war diesmal auch die hohe Dichte an deutschen Preisträgern, was man sich auch mit den (geänderten) TV-Gewohnheiten des abstimmenden heimischen TV-Publikums erklärte. Wobei die Überraschung des Abends dank Fanbasis ein heimisches Moderatorenduo lieferte: In der Kategorie Info/Sport/Kultur setzten sich Walter Reiterer und Michael Eschlböck gegen prominente ORF-Konkurrenten wie Peter Resetarits und Christian Wehrschütz durch. Wer die beiden nicht kennt: Reiterer und Eschlböck kommentieren auf Puls4 American Football. Spätnachts.

DIE „ROMY“-PREISTRÄGER

Geehrt wurden bei der 26. Romy-Gala, die der „Kurier“ mit dem ORF veranstaltete u.a.: Hannelore Elsner (Beste Schauspielerin), Didi Hallervorden (Bester Schauspieler), Nora Tschirner (Beste Seriendarstellerin), Axel Prahl (Bester Seriendarsteller), Walter Reiterer/Michael Eschlböck, Puls4 (Info/Sport/Kultur), Guido Maria Kretschmer (Unterhaltung), André Heller (Platin Romy für das Lebenswerk), Daniel Hartwich, „Dschungelcamp“-Moderator (Show), Til Schweiger für „Honig im Kopf“ (Beste Regie und Produktion Kinofilm), Conchita Wurst (Bester TV-Moment), Oliver Auspitz, Andreas Kamm und Kurz J. Mrkwicka für „Vorstadtweiber“ (Beste Produzenten TV-Film), Liane Jessen für den Film „Männertreu“ mit Susanne von Borsody und Matthias Brandt (Bester TV-Film), Lou-Lorenz Dittlbacher, Matthias Schmelzer für „ZiB2 History“ (Preis der Romy-Akademie), Markus Breitenecker für „2 Minuten 2 Millionen“ (Beste Programmidee).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2015)

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Für den Aufreger des Abends sorgte aber der deutsche Komiker mit dem Spruch er freue sich die Romy "Heim ins Reich" bringen zu können.

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