Philogreißlerei: Ein vielseitiger Raum als Salon

Ex-Lehrer Gerd Fraunschiel hat einen Nahversorger für Philosophie eröffnet.
Ex-Lehrer Gerd Fraunschiel hat einen Nahversorger für Philosophie eröffnet.Die Presse
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Gerd Fraunschiel will „Ideen für den täglichen Gebrauch“ unter die Leute bringen und hat eine Art Nahversorger für Philosophisches eröffnet.

Wenn die Leute zum ersten Mal hereinkommen, dann sei das oft so, wie wenn über ihrem Kopf ein großes Fragezeichen schwebe, erzählt Gerd Fraunschiel. Café? Buchhandlung? Veranstaltungsraum? Und, so schlecht scheint dem Betreiber des neuen Philogreißler in der Kaiserstraße dieses Fragezeichen auch nicht zu gefallen. „Bei mir muss man sich immer entscheiden“, sagt er. „Welche Kaffeebohne? Wie viel Milch?“ Nur Kaffee wäre zu einfach. Nur Kaffeehaus, Shop oder Veranstaltungsraum wohl auch.

Der Philogreißler ist alles das. Entstanden ist das Lokal aus der Idee, eine neue Art Salon zu gründen, eine Veranstaltungsreihe zu initiieren, um den Leuten Philosophie außerhalb des akademischen Umfelds näherzubringen, in dem solche Debatten oder Gesprächsrunden üblicherweise vor Publikum aus den immer gleichen Kreisen stattfinden. „Wien hat ja eine sehr lange Tradition, was solche Salons betrifft“, sagt Fraunschiel.

Auch der Konnex Philosophie und Kaffeehaus ist nicht ganz neu. Nur ist es heute eben ein Lokal neuen Typs. Helle, hohe Räume, Vintage-Möbel, verlesener Kaffee, ebenso die Auswahl an philosophischen Werken, vor allem Zeitgenössisches, aber auch ein Hegel oder Kant finden sich darunter. Es soll ein Ort zum Philosophieren sein, zum Lesen, zum Kaffeetrinken. Und vor allem sollen dort regelmäßig Veranstaltungen stattfinden. Philosophie im kleinen Rahmen, ein oder zwei Referenten, ein Thema und eine Runde von vielleicht 15 Gästen, damit eine Debatte möglich bleibt.

Ein klassischer Salon, in dem aber spielerische Ideen ebenso Platz haben. Philosophie, angelehnt an den Ablauf einer Castingshow etwa, wäre so eine Idee von Gerd Fraunschiel. Zwei Referenten diskutieren, das Publikum stimmt ab, wem es mehr glaubt. „Es geht immer wieder um die Frage: Wie kann man den Leuten Philosophie näher bringen?“, sagt Fraunschiel. Vielleicht das Erbe seines vorherigen Berufs, war er doch jahrelang Philosophielehrer. „Das Unterrichten war schön, aber die Idee, in der Stadt so eine Bühne zu schaffen, war immer da.“ Also widmet er sich der Philosophie heute leichtfüßiger – und vielleicht zugänglicher, als das Lehrpläne mit prüfbarem Stoff erlauben würden: So sprach bei der offiziellen Eröffnung des Philogreißlers beispielsweise Katharina Lacina über die Liebe in der digitalen Welt. Bei kommenden Veranstaltungen soll es, so der Plan, beispielsweise um Systemtheorie gehen, um das Thema Geheimnis versus Transparenz – vom persönlichen kleinen Geheimnis bis zu jenen der Geheimdienste, oder um das gute Leben als eine Art Über-Begriff. Es gehe, sagt Fraunschiel, um einen einfachen, lebensnahen Zugang. Eine Art Wohnzimmeratmosphäre, in der Gespräche stattfinden, die aber dank des Inputs der Referenten doch kein oberflächliches Geplauder sein sollen. „Das Ziel ist ein Mehrwert. Hinauszugehen und zu sagen: So hab ich das noch nicht gesehen, das ist nicht more of the same, mehr von all den Gedanken, die zuvor schon jemand gedacht hat.“

Philosophie, nicht Lebenshilfe

Und es geht darum, Philosophie abseits der Unis, formaler Kurse mit didaktischem Aufbau und ohne Lebenshilfeansatz unter die Leute zu bringen. Eine Tendenz, die Fraunschiel beobachtet: „In den letzten Jahren dringt Philosophie mehr an die Öffentlichkeit, es gibt mehr philosophische Zeitschriften, auch für nicht-studierte Philosophen.“ In diesem Sinn sieht er auch sich: Als Nahversorger, eben als Greißler, der „Ideen für den täglichen Gebrauch“ anbietet. „Es soll lebensnah sein, immer einen Anknüpfungspunkt an den sozialen Gebrauch geben.“

Aber, was aus dem Philogreißler letztlich wird, mehr Café, mehr Shop, oder was genau dann die Antwort auf das Fragezeichen über dem Kopf sein wird, das wird sich weisen. Ein Raum wie dieser, sagt er, sei ja immer im Entstehen. Und hänge von den Menschen ab, die kommen. Diese bringen Überraschungen. Zum Beispiel, dass sein bisheriger Bestseller, anders als erwartet, dann doch kein modernes Werk, sondern die Upanishaden waren.

NAHVERSORGER FÜR GEISTIGES

Der Philogreißler ist Café, Buchhandlung und Veranstaltungsort zugleich. Betreiber Gerd Fraunschiel, bisher Philosophielehrer, will den Philogreißler als eine Art neuen, modernen Salon etablieren. Statt im quasi universitären Rahmen wird dort Philosophisches – von Systemtheorie bis zur Liebe in Zeiten des Internets – im Neubauer Ambiente diskutiert.

Das Lokal in der Kaiserstraße 35 (7. Bezirk) ist täglich von zehn bis 17 Uhr, bei Veranstaltungen auch abends, geöffnet. Details zum Programm: www.philogreissler.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2015)

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