Brothers' Barbershop: Bartpflege, nicht nur für Hipster

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die russischen Brüder Ilya Sovtsov und Ivan Perevarin haben mit ihrem altmodisch-zeitgeistigen Barbershop offenbar einen Nerv getroffen.

Das Telefon klingelt ständig. Ilya Sovtsov meldet sich dann jedes Mal auf Englisch (das ihm noch leichter fällt als sein auch schon ganz gutes Deutsch): „Good Morning, Brothers' Barbershop, how can I help you?“ Und jedes Mal kann man förmlich die Enttäuschung am anderen Ende fühlen, wenn Ilya erklärt: Leider, heute habe er keinen Termin mehr frei, frühestens in einer Woche wieder.

Mit ihrem Barbierladen haben die beiden Brüder Ilya Sovtsov (gepflegter Vollbart, gezwirbelter Schnurrbart) und Ivan Perevarin (geschätzter Zweitagebart) derzeit offenbar einen Nerv getroffen. Respektive eine Marktlücke entdeckt, von der man sich fragt, warum angesichts der allseits sprießenden Barttracht noch kein anderer draufgekommen ist. Sie haben, sagen die beiden, vor dem Start jedenfalls eine Marktanalyse in Österreichs großen Städten durchgeführt – und sich am Ende guten Gewissens selbst zum First Traditional Barbershop erklärt. Und auch wenn nun so mancher Friseur erklärt, dass auch bei ihm Bärte gepflegt würden: Das Glas Whisky, die gut sortierte Auswahl an internationalen Bartseifen, -balsamen, -ölen und Schnurrbartprodukten und die einschlägige Expertise, die gibt es in dieser Form wohl wirklich nur hier.

Dementsprechend schwer fällt den beiden die Mitarbeitersuche. Viele Vorstellungsgespräche scheiterten an fehlendem Können und/oder Passion. Ihren ersten Mitarbeiter haben die Brüder in einem Geschäft angesprochen – ihnen war sein perfekter Undercut aufgefallen (jene gerade sehr beliebte Frisur, bei der die Haare an der Seite stark gekürzt, oben lang belassen werden); er entpuppte sich als gelernter Friseur.

Mitarbeiter Nummer zwei, der 22-jährige Patrick Ridlmaier, wurde über das Internet entdeckt – und hat sich soeben mit dem Rasiermesser in den Finger geschnitten. „Es ist eben ein blutiges Geschäft“, scherzen die Chefs, während sie ihren „Art Director“ verarzten. Tatsächlich hat der Oberösterreicher die Sache gelernt. Schon mit 15, erzählt er, wollte er Barbier werden – und damit zu Zeiten, in denen Vollbärte noch kein Zeichen gesonderter Coolness waren. „Aber in einem Herrensalon ist alles sachlicher, entspannter. Freundlich, aber nicht so superlieb“, wie Friseure glauben würden, sein zu müssen. Er absolvierte seine Lehre, mit 21 zog er nach London, wo er prompt eine Stelle bei Gents of London fand, einem Barbershop, der nicht ganz so altehrwürdig ist wie Name und Interieur implizieren, wo das Handwerk aber immerhin in einer Akademie gelehrt wird. Als Ilya und Ivan Patrick baten, zurück nach Österreich zu kommen, zögerte er dennoch nicht: „Es ist genau das, was ich immer gesucht habe.“

„Zehn Jahre jünger machen, bitte“

So geht es offenbar nicht nur ihm: Anders als es die Lage (Neubaugasse) nahelegen würde, frequentieren (zumindest an diesem Vormittag) nicht nur Hipster den Friseursalon, denen man akribische Bartpflege ohnehin zutraut. Sondern auch etwa Studenten, bei denen ein wenig Stutzen von Kopf- und Gesichtshaar schon recht geboten scheint. Ob am Freitag noch ein Termin frei sei, fragt einer mit wucherndem Bart und Zopf. An diesem Tag habe er seine langen Haare nämlich seit zwölf Jahren – ein guter Anlass, um sie abzuschneiden. Dass einem so ein Haarschnitt gut zu Gesicht stehen kann, hat auch ein anderer Herr erkannt: Man möge ihn „um zehn Jahre jünger machen“.

Ilya und Ivan, die vor drei Jahren auf der Suche nach Abenteuer zum Jusstudium nach Wien gekommen sind, freut's. Sie planen schon einen noch größeren Freiluftauftritt beim nächsten Neubaugassen-Flohmarkt – und irgendwann die Expansion.

Auf einen Blick

Brothers' Barbershop. Die Brüder Ilya Sovtsov (25) und Ivan Perevarin (29) haben in Moskau Jus bzw. Wirtschaft studiert und sind vor drei Jahren zum Studium ans Wiener Juridicum gekommen. Mit ihrem ersten Unternehmen lieferten sie Medizinprodukte nach Russland, was aufgrund der Sanktionen zunehmend schwierig wurde. In der Neubaugasse 81 bieten sie nun Haarschnitte, Rasuren und Bartpflege (23 bis 50 Euro) und Pflegeprodukte u. a. von Proraso, Damn Good Soap Company und Mr. Bear Family.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2015)

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