Willi Resetarits: Nostalgie in der Alkoholpause

(c) APA (Helmut Fohringer)
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In einer Bastion Floridsdorfer Gastlichkeit präsentierte Willi Resetarits sein neues Album, sprach über dialektale Feinheiten und das Aus des J-Wagens.

Ist „Spau“ die Einzahl von „Spä“? Und ist es heute noch zulässig, um ein Spreitzerl zu bitten, wenn man einen Tschick schnorren will? Mit Willi Resetarits lässt es sich trefflich über dialektale Feinheiten diskutieren. Als eine Art ewiger Student des nahen Glücks, erkennt er die Verheißungen der unmittelbaren Nachbarschaft. Deshalb lädt er auch gern in traditionelle Bastionen Floridsdorfer Gastlichkeit. Bei Regen ins rechtschaffen abgeschabte Café Fichtl, bei Schönwetter gerne auf die Terrasse des Strandgasthauses Birner an der Alten Donau. Zur Präsentation des dritten Stubnblues-Albums „No So Vü“ lockte der immerjunge Altmeister erstmals in die Gaststuben des ehrwürdigen Strandgasthauses. Ein buntes Völkchen war gekommen: aufgebrezelte Fräuleins und patinierte Leider-Nicht-Grafen, echte Dichterfürsten, gestandene Winzer, gar nicht verschämte Aktionäre und jede Menge Schmähtandler.

Zunächst textete Resetarits die geneigten Hörer mit reichlich Sponsorenlyrik zu. Wie geht es ihm dabei? „Eh gut. Es war eine logische Entwicklung, dass ich wieder dahin zurückgehe, woher ich komme. Ich war ja schon mit den Schmetterlingen independent. Ein Exklusivvertrag bei einem Majorlabel bringt es nicht. Diese ganzen Vertragsklauseln und die Abtretung aller Rechte, das taugt nicht. Wenn wir selbst produzieren, erzielen wir höheren Ertrag, auch wenn man nicht so viele Einheiten verkauft. Neu ist, dass wir nun mit Hoanzl einen Vertrieb haben, der zu unseren Bedingungen arbeitet.“

Der sollte sich nicht schwer tun mit der neuen Liederkollektion. Es locken fünfzehn sensible Lieder über Liebe und Nahverkehr, die Poesie der Gstättn und den nicht für jeden erkennbaren Charme des Bahnhofs Floridsdorf.

Wieso überhaupt Floridsdorf, wenn doch der bedauerlicherweise verschwundene Bahnhof Strandbäder naheliegender gewesen wäre? Resetarits versonnen lächelnd: „Die ersten eineinhalb Jahre in der Schnellbahnhistorie hat es Strandbäder nicht gegeben. Da musste ich immer nach Floridsdorf zum Bahnhof gehen. Im Winter machte ich den Abschneider übers Eis. Damals hat es am Eck des alten Bahnhofs ein grindiges Beisl gegeben, da sind viele von denen gestanden, die den Wein aus dem Tetrapack trinken. Unter den verlorenen Seelen hab ich den einen oder anderen Bruckhaufner erkannt. Ich war noch Schüler und die haben immer gerufen: ,Willi, trink doch ein Achterl‘. Ich war noch zu klein. Damals hab ich nur Bier getrunken.“


Dass er derzeit Alkoholpause macht, behinderte seine Verve als Sänger nicht im Geringsten. Die angenehme Opulenz, für die Trompete und Mandoline, Wurlitzerpiano und Kontrabass sorgten, ließen den nicht mit der allergrößten Stimme gesegneten Künstler locker intonieren. Anders etwa als in seinen akademisch wirkenden Projekten mit Sabina Hank, lebt der Stubnblues von einer umfassenden Lässigkeit.

Ganz in der Tradition seiner Zeit mit Günther Brödl adaptierte Resetarits ein paar Juwelen internationalen Liedguts für den lokalen Gebrauch. Etwa den eindringlichen Herbie-Hancock-John-Mayer-Song „Stitched up“ oder den hübschen Lindisfarne-Song „Meet Me on the Corner“, für den die Szenerie auf den Franz-Jonas-Platz verlegt wurde. Keine Probleme mit der Geografie hatte Resetarits bei seiner Adaption von Ernst Moldens „Hammerschmidgossn“, der er einen entschieden nostalgischen Anstrich gab. Stefan Schubert, der sechs Songs komponierte, brilliert bei „Zum Letzten Mal“ mit erstaunlich intensivem Soulgesang. Bloß den Rap hätte man auslassen können. Besondere Leckerbissen von Resetarits? Adaptionen von H.-C.-Artmann-Texten. Die „Ballade Fon Da Zuagschbeadn Gredenz“, jene Moritat, die Helmut Qualtinger einst mit lustvoller Aggression darbot, interpretierte Resetarits ganz in der Tradition selbstvergessener Van-Morrison-Ekstatik. Vollends poetisch geriet die wehe Ballade „Da R Ochtadreiska“.

Was hält Resetarits von der Abschaffung der Buchstabenlinien? „Das ist eine Katastrophe. Vom E2, G2 und H2 ist wenigstens im Volksmund noch das Wort Zweierlinie übrig geblieben. Vom AK und BK weiß man heute kaum noch was. Jetzt ist der J-Wagen weg, bald die Linie D. Was bleibt, ist, dass man schön sudern kann über diese Vorgänge.“

Das Album

Das dritte Stubnblues-Album „No So Vü“ von Willi Resetarits (Hoanzl) ist diese Woche erschienen. Mit 15 sensiblen Liedern über Liebe und Nahverkehr, 25€.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2009)

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