Eine Reise durch den Kosmos von Mahlers Neunter

RSO-Chefdirigent Cornelius Meister
RSO-Chefdirigent Cornelius Meister(c) APA/ANGELIKA WARMUTH (ANGELIKA WARMUTH)
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Cornelius Meister und sein RSO Wien mit einer packenden Mahler-Deutung, Hilary Hahn souverän in Bruchs „Schottischer Fantasie.“

Wie passt ein Universum in einen Konzertsaal? Eine gar nicht so abwegige Frage angesichts des musikalischen Kosmos, den Mahlers Neunte Symphonie darstellt, ein raumgreifendes Werk von immensem Reichtum. Ein Kosmos, der kaum Platz lässt für einen zusätzlichen Planeten. Sprich: Jedes damit kombinierte Stück hat es schwer, und so erging es am Donnerstag im Wiener Konzerthaus auch Max Bruchs „Schottischer Fantasie für Violine und Orchester mit Harfe“. Das lag nicht an der souveränen Solistin Hilary Hahn, die mit ihrem schlicht-schönen, wenn auch nicht warmen Ton die feinen Linien ihres Parts zeichnete. Es lag auch nicht am RSO Wien, das unter der Leitung seines Chefs Cornelius Meister den Orchestersatz bis in viele Einzelheiten höchst lebendig gestaltete, weit über bloßes „Begleiten“ hinausgehend. Es lag schlicht daran, dass Mahlers Neunte das Stück in der Rückschau zur netten Zuspeis' machte.

Noch Klang oder schon Stille?

Zumal Meister und dem RSO eine emotional ungemein packende, in der Summe wie den Details nahezu perfekte Darstellung gelang. Die Hörner von füllig-wohligem Klang und bestens disponiert, eine zauberhaft schwerelose Soloflöte, fein ziselierte Konzertmeistersoli und im Finale eine massiv-undurchlässige Streicherwand waren nur einige der Zutaten, auf denen der RSO-Chef seine Deutung aufbauen konnte. Scheinbar mühelos gelang es ihm, die Fülle des Materials zu bändigen, aus der schier unendlichen Zahl an Puzzlesteinen ein immer wieder seinen Charakter wandelndes Hörbild entstehen zu lassen. So führte Meister nicht nur die robusteren, dankbareren Mittelsätze zu bezwingender Geschlossenheit, sondern gerade auch die sperrigeren, im Tempo verhaltenen Ecksätze.

Auch dort, wo er sich viel Zeit ließ, riss der Energiefluss nicht ab, und so wurde das Verenden des Finalsatzes zum Ereignis einer akustischen Entstofflichung: Die Grenze zwischen noch Klang und schon Stille war aufgehoben. Auch nachdem der Dirigent die Hände hatte sinken lassen, vergingen einige Momente, bis sich der Applaus regte. Dann allerdings war er umso anhaltender.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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