Der Song Contest ist vorbei - und jetzt?

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Die Schweden müssen das Wettsingen 2016 zum bereits zweiten Mal in vier Jahren stemmen. Die ORF-Spitze nutzt den Rückenwind des Bewerbs für ihr Wahlkampfjahr, und die Makemakes sind tapfere Verlierer mit Humor.

Es ist dann doch nicht Russland geworden. Was nicht nur die Buh-Rufer in der Stadthalle und die Journalisten im Pressezentrum aufatmen ließ. Es wäre schwierig geworden, den Eurovision Song Contest in einem toleranzfeindlichen und tendenziell homophoben Umfeld auszutragen, hieß es danach. Andererseits hätte es ein wirklich politischer Bewerb werden können, durch den Gräben zwischen Ländern kleiner werden. Aber richtig politisch will der Contest ja nicht sein, auch die Buh-Rufe haben keinen Platz in dem Bewerb, der doch so plakativ auf Völkerverständigung setzt. Was bedeutet das Showergebnis von Samstagnacht für das neue Siegerland, für die Musiker, den ORF und Österreich?

Immer wieder Schweden

Jetzt sind also wieder die erfolgsverwöhnten Schweden dran. Sänger Måns Zelmerlöw holt mit seinem Lied „Heroes“ den Bewerb zum sechsten Mal in seine Heimat (nur Irland gewann einmal öfter) – zuletzt sorgte Loreen mit „Euphoria“ dafür, dass das angeblich größte Musikevent der Welt 2013 in Malmö stattfand. Ob Schweden deshalb gleich als „Musik-Supermacht“ durchgeht, wie es der schwedische Ex-Außenminister Carl Bild im Siegestaumel formulierte? Seit ABBA dem Land 1974 den ersten Sieg bescherten, wird die Popkultur dort jedenfalls systematisch gefördert, die Musikszene ist zu einem Wirtschaftszweig geworden, der auch erfolgreiche Streamingdienste wie Spotify hervorbringt. Und Måns Zelmerlöw? Der wird, wenn er ausgeschlafen und seine „bis zu 500 SMS“ gelesen hat, weiter an seiner Karriere basteln – sein neues Album soll noch heuer auf den Markt kommen. Für den schwulenfeindlichen Sager, den er sich vor dem Bewerb geleistet hatte, hat er sich rasch geschämt – und entschuldigt. Der Ausrutscher hat ihm offenbar nicht geschadet. Die Österreicher gaben ihm sieben Punkte, die vollen zwölf gingen an Australien.

Wien, Wien, nur du allein

Die Party in der Austragungsstadt Wien fiel doch kleiner aus als angenommen, was beispielsweise die Bettenauslastung anbelangt. Dafür zeigte sich: Wer zur Party kam, hat sich wohlgefühlt. So gab es kaum Kritik an der Show in der Stadthalle oder den Public Viewings auf dem Rathausplatz (und für das schlechte Wetter kann wirklich niemand etwas). Ärgerlich war für viele Feierlustige nur, dass der Rathausplatz Samstagnacht sofort nach Showende geräumt werden musste. Fraglich bleibt, ob ein so einmaliges Event dafür sorgt, dass künftig wirklich noch mehr Touristen in die Stadt kommen.

ORF – nach der Show ist vor der Wahl

Selbst die strengsten Kritiker waren sich einig: Als Gastgeber haben sich Österreich und der ORF zwölf Punkte verdient. Bis zu 1,9Millionen Österreicher verfolgten das Finale im Fernsehen (so viele wie noch nie). Für die ORF-Verantwortlichen ist es mehr als ein gelungenes Event – und es ist gleichzeitig der Auftakt für das Jahr ihres Wahlkampfs: Im Sommer 2016 wird ein neuer ORF-General und ein neues Direktorium gewählt. Über TV-Direktorin Kathrin Zechner, deren Haare zuletzt im internen Gegenwind flatterten wie die Mähnen der ESC-Kandidatinnen im Luftzug der Windmaschine, wird man nicht so einfach hinweggehen können. Ihrer mutigen Entscheidung, Conchita zum ESC 2014 zu schicken, ist es zu verdanken, dass der ORF als Gastgeber fungieren konnte. ORF-General Alexander Wrabetz hat das Mega-Event zu verantworten: „Ich glaube, wir haben eine tolle Visitenkarte abgegeben“, sagt er, und auch, dass es so etwas „noch nicht gegeben hat in der Geschichte“ des ESC – das kann und wird er sich auf die Fahnen heften. Auch Finanzdirektor Richard Grasl hat offenbar mustergültig gearbeitet: Der ORF werde das Budget von 15Millionen Euro „sogar unterschreiten“, sagte er am Montag.

Makemakes, the „Zeroes of our Time“

Auch Verlieren will gelernt sein – und Österreich schafft sogar hier einen historischen Rekord: Zum ersten Mal in der Geschichte des ESC erhält ein Gastgeberland null Punkte. Die Makemakes nahmen die bittere Niederlage (die sie sich mit Deutschlands Kandidatin Ann Sophie teilen) mit Humor und nannten sich in einem Video in Anspielung auf den schwedischen Siegertitel „the Heroes of our Time“. Zeichner Tex Rubinowitz verewigte die drei bereits für seine derzeit laufende Ausstellung „The Nul-Pointers“ im Leopold-Museum. Immerhin ein Trostpreis.

Ist Conchita wirklich „unstoppable“?

Conchita bescherte nicht nur Wien den Eurovision Song Contest, sie war auch schillernde und unpeinliche Galionsfigur des Bewerbs in Wien. Dass ihr Management die Finalshow des ORF als „Mischung aus russischem Staatsfernsehen und deutschen Privatsendern“ prügelte, ist kein besonders schlauer Schachzug: Auch wenn, während sie ihre neuen Songs präsentierte, Werbung und Nachrichten liefen – der ORF spielt Conchita ohnehin rauf und runter und hat auch zu deren Erfolg beigetragen. Fraglich bleibt, ob sie auch nach dem ESC allein mit ihrer Musik auf dem internationalen Markt „unstoppable“ ist. Die größere Herausforderung beginnt für sie erst jetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2015)

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