7000km Rad fahren für die Liebe

PK und Lotta Mahanandia
PK und Lotta Mahanandia(c) Stanislav Jenis
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Der Inder PK Mahanandia glaubt fest ans Schicksal. Es machte ihn vom armen Dorfjungen zum Künstler und führte ihn auf dem Fahrrad zu seiner Liebe nach Schweden. Ein Treffen in Wien.

Eigentlich, da ist sich PK Mahanandia sicher, war von seiner Geburt an klar, dass er die Schwedin Lotta von Schedvin treffen und heiraten würde. Der Astrologe des indischen Dschungeldorfes, in dem er geboren wurde, hat es genau vorausgesagt: Er würde ein Mädchen aus einem anderen Land heiraten, das musikalisch ist, im Sternzeichen des Stiers geboren ist und einen Wald besitzt. So ritzte der Astrologe es auf ein Palmenblatt, so musste es geschehen.

PKs Zukunft war also festgelegt. Dennoch war er ziemlich nervös an jenem Dezemberabend im Jahr 1975, als er seiner zukünftigen Frau endlich begegnete. Die 19-jährige Charlotte von Schedvin, genannt Lotta, war in einem grünen VW-Bus von Borås nach Neu-Delhi gereist, jetzt stellte sie sich in die Schlange der Kunden, für die der Kunststudent PK auf der Straße Porträts zeichnete. PK erfuhr, dass Lotta Flöte spielte, im Sternzeichen Stier war und dass ihre Familie einen Wald in Schweden besaß. Bevor er ihren ganzen Namen kannte, sagte er zu ihr: „Weißt du, warum wir uns begegnet sind? Es war vom Himmel vorherbestimmt. Du wirst meine Frau werden.“


7000 Kilometer. PK lacht, als er das erzählt. Neben ihm sitzt seine Frau, Lotta, und lacht mit. Seit über 35 Jahren sind die beiden verheiratet und haben zwei Kinder. In Schweden sind sie ein berühmtes Paar, das auch auf der Straße angesprochen wird. Dass er 7000 Kilometer auf dem Fahrrad zurücklegte, um ihr nach Schweden nachzureisen, blieb kein Geheimnis. Jetzt ist auch ein Buch darüber erschienen: „Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine große Liebe wiederzufinden“ vom schwedischen Autor Per J. Andersson erzählt die Geschichte der beiden von der Prophezeiung des Astrologen bis heute. Auch wenn alles so eingetroffen ist, wie vorausgesagt – nervös war er eben doch. „Ich realisierte: Oh, mein Gott, was habe ich gerade gesagt? Sie würde mich für verrückt halten. Vielleicht würde sie die Polizei rufen!“ Doch Lotta hielt ihn nicht für verrückt. Die beiden verbrachten einige Wochen gemeinsam, reisten in sein Heimatdorf, wo PKs Vater ihnen seinen Segen erteilte. Im Sonnentempel von Konark spürte auch sie die Schwingungen der schicksalhaften Liebe und küsste PK. Der triumphierte: „Ich habe ihr Herz erobert!“

Doch Lotta musste zurück nach Schweden, und PK konnte sich weder Bus- noch Flugticket leisten, um ihr zu folgen. Für ein gebrauchtes Damenfahrrad reichte sein Geld. Es war Jänner 1977, und PK radelte los, den sogenannten Hippie Trail entlang, über Kabul, Teheran und Istanbul. Streckenweise ließ er sich von Autofahrern mitnehmen, manche Menschen luden ihn auf Zugtickets ein. Um zwischendurch zu Geld zu kommen, malte er Porträts oder ging Blut spenden.


Zwischenstopp an der Donau. In Wien betrat er erstmals westeuropäischen Boden und nahm das erste Vollbad seines Lebens. Er blieb einige Wochen hier, spazierte an der Donau und ging mit Reisenden, die er auf dem Hippie Trail kennengelernt hatte, in dunkle Cafés. Der damalige Besitzer der Galerie 10 im ersten Bezirk, Manfred Scheer, schenkte ihm schließlich eine Zugfahrt nach Schweden – in der Galerie machten PK und Lotta vergangene Woche auch auf ihrer Lesereise halt.

Ende Mai 1977 erreichte PK schließlich Göteborg. Verlor er nie den Mut, zweifelte er nie daran, dass Lotta auf ihn warten würde? PK verweist auf das Palmenblatt, das ihm seine Zukunft klar ausgelegt hat: „Es war immer klar: So wird es passieren. Es gab keine Alternative.“

Er lächelt herzlich, wenn er spricht. An welchen Teil seiner Reise er sich am liebsten erinnert? „An alle Begegnungen, die mir Segen oder eine Lektion brachten“, sagt PK. „Blessings and lessons“, eine Phrase, die er im Lauf des Gesprächs immer wieder bemüht. „Es gibt keine schlechten Zeiten, es gibt nur Lektionen, die man zu lernen hat.“

Seine Einstellung ist beachtlich, wenn man bedenkt, was PK durchgemacht hat. Er wurde im Dschungel des indischen Bundesstaats Odisha als sogenannter Kastenloser, als Unberührbarer geboren. Diese Nachfahren der indischen Ureinwohner sind aus dem strengen Kastensystem ausgeschlossen und werden bis heute massiv diskriminiert. In der Schule musste PK von der Veranda aus dem Unterricht des Lehrers folgen, während die anderen Kinder zusammen im Klassenzimmer saßen. Als er einmal seine Schulkollegen berührte, schickte der Lehrer sie zum Fluss, um sich zu waschen – die „Unberührbaren“ galten als „unrein“. Näherte er sich dem Tempel, wurde er mit Steinen beworfen.


Täglich verhaftet. Als talentierter Zeichner konnte er dem Dschungel, wo die Klassenunterschiede besonders streng gelebt wurden, entfliehen und begann in Neu-Delhi, Kunst zu studieren. Monatelang lebte er dort auf der Straße. Als Straßenkünstler verdiente er sich Geld zum Essen. Eine Zeit lang hatte er eine Vereinbarung mit einem Polizisten, der ihn jeden Abend verhaftete und dafür die Hälfte seiner Einkünfte kassierte. Immerhin gab es in der Zelle eine Mahlzeit und eine Dusche.

Gleichzeitig wurde er mit seinem Talent als Porträtzeichner so bekannt, dass er eines Tages sogar von der damaligen Premierministerin, Indira Gandhi, eingeladen wurde, sie zu zeichnen. Auch das war sein Schicksal, glaubt PK. „Sie war eine sehr starke Frau“, sagt er. „Skorpion im Sternzeichen.“ Dass er bei ihrem Treffen obdachlos war, dürfte sie nie erfahren haben.

Heute wohnen PK und Lotta in einem versteckten Waldhaus in der Nähe von Borås. Beide sind in Pension – er arbeitete als Kunstlehrer, sie als Musiklehrerin. Nach Indien, wo sie sich auch für ein Schulprojekt einsetzen, reisen sie noch immer zweimal im Jahr. Rad fahren zählt übrigens nicht zu PKs Hobbys, wie er kichernd zugibt: „Ich bin für die Liebe Rad gefahren. Aber ich liebe das Radfahren nicht.“

Buchtipp

Wahre Geschichte.„Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine große Liebe wiederzufinden“ von Per J. Andersson erzählt vom Dschungeljungen PK Mahanandia, der sich in Neu Delhi in die Schwedin Lotta von Schedvin verliebte.

Happy End. Mit dem Fahrrad reiste er ihr 7000 Kilometer weit nach. Heute sind sie verheiratet, haben zwei Kinder und leben in Schweden. Der Buchtitel folgt der Tradition des schwedischen Autors Jonas Jonasson („Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2015)

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